Ukraine aktuell: Neues Sanktionspaket gegen Russland
25. Februar 2023
Das Wichtigste in Kürze:
- Zehntes EU-Sanktionspaket gegen Russland vereinbart
- Russland stoppt Öllieferungen durch Druschba-Pipeline nach Polen
- G20-Ministertreffen wegen Russlands Krieg ohne gemeinsames Kommuniqué
- Selenskyj: Kein Gespräch mit Putin - Treffen mit Xi möglich
- Tausende bei Demo "Aufstand für den Frieden" in Berlin
Die EU-Staaten haben sich auf ein weiteres Paket mit Sanktionen gegen Russland verständigt. Es umfasse "Maßnahmen gegen Individuen und juristische Personen, die den Krieg unterstützen, Propaganda verbreiten oder Drohnen liefern", erklärte die schwedische EU-Ratspräsidentschaft. Es ist bereits das zehnte Sanktionspaket seit Februar vergangenen Jahres.
Neue Handelsbeschränkungen werden nach früheren Angaben von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen insbesondere für industrielle Güter gelten, die die russische Industrie nicht über Drittstaaten wie China beziehen kann. Zudem soll es Exportrestriktionen für rund 50 neue elektronische Bauteile geben, die für russische Waffensysteme verwendet werden können.
Um zu verhindern, dass Unternehmen aus Nicht-EU-Ländern militärisch nutzbare zivile Güter wie Drohnen an Russland liefern, wird die Anwendung des bestehenden Sanktionsregimes ausgeweitet. So sollen Firmen künftig fürchten müssen, den Zugang zum EU-Binnenmarkt zu verlieren.
Eigentlich sollten die neuen Strafmaßnahmen bereits am Jahrestag des russischen Einmarschs in die Ukraine gelten, doch die Verhandlungen in Brüssel dauerten länger als geplant. Grund dafür war laut Diplomaten vor allem, dass Polen vehement auf striktere Regeln für Importbeschränkungen für synthetischen Kautschuk aus Russland drang - Italien aber ablehnte. Polen gab letztlich nach. In Kraft treten die Sanktionen mit der Veröffentlichung im EU-Amtsblatt.
Wie bereits bei früheren Paketen wird darüber hinaus die Liste derjenigen Personen ergänzt, die nicht mehr in die Europäische Union einreisen dürfen und deren etwaige Vermögen in der EU eingefroren werden müssen. Betroffen sein sollen Propagandisten, militärische Befehlshaber und politische Führungskräfte.
Wagner-Gruppe meldet Einnahme von Dorf nördlich von Bachmut
Die Söldner-Truppe Wagner meldet die Einnahme des ukrainischen Dorfs Jahidne nördlich der Stadt Bachmut. Wagner-Gründer Jewgeni Prigoschin erklärt in einer Audiobotschaft, seine Einheiten hätten die volle Kontrolle über das Dorf übernommen. Am Vortag hatte Prigoschin die Einnahme des Dorfs Berchiwka nordwestlich von Bachmut bekannt gegeben. Wagner-Söldner sind seit Monaten im Kampf um das strategisch als wichtig geltende Bachmut im Einsatz und agieren weitgehend unabhängig vom russischen Militärkommando.
Russland stoppt Öllieferungen durch Druschba-Pipeline nach Polen
Russland hat nach Angaben des polnischen Ölkonzerns Orlen die Lieferungen durch die Druschba-Pipeline eingestellt. Der Stopp erfolgte, nachdem die EU ein neues Sanktionspaket gegen Russland auf den Weg gebracht hatte. Polen teilte mit, vorbereitet zu sein. Wir werden das Öl durch Lieferungen aus anderen Ländern ersetzen, schrieb Konzernchef Daniel Obajtek auf Twitter. Zuletzt seien nur noch zehn Prozent des Rohöls für Polen aus Russland gekommen.
Bereits seit Längerem geltende EU-Sanktionen verbieten russische Ölimporte auf dem Seeweg. Für Pipeline-Öl gibt es aber eine Ausnahme. Deutschland und Polen hatten dennoch angekündigt, ab Januar kein Erdöl aus Russland mehr über die Druschba-Pipeline zu beziehen. Während Deutschland dies umsetzte, liefen manche Lieferungen nach Polen allerdings zunächst weiter.
G20-Ministertreffen wegen Russlands Krieg ohne gemeinsames Kommuniqué
Normalerweise enden G20-Treffen mit einem gemeinsamen Abschlusspapier, in dem die wichtigsten Wirtschaftsnationen gemeinsame Bewertungen und Ziele festhalten. Diesmal war das anders. Die Finanzminister der führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) konnten sich bei ihrem Treffen in Indien wegen des Kriegs in der Ukraine nicht auf eine gemeinsame Abschlusserklärung verständigen. Zwar verurteilten die meisten Staaten Russlands Feldzug erneut aufs Schärfste und forderten einen bedingungslosen Abzug von ukrainischem Territorium. Der entsprechenden Passage stimmten Russland und China aber erwartungsgemäß nicht zu.
Bundesfinanzminister Christian Lindner kritisierte nach dem Treffen die Volksrepublik. Er bedauere sehr, dass sich die chinesische Haltung verschoben habe, sagte Lindner in Bengaluru.
Verbalgefechte zum Ukraine-Krieg im UN-Sicherheitsrat
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat im UN-Sicherheitsrat dazu aufgerufen, sich Russlands Staatschef Wladimir Putin entschieden entgegenzustellen. "Dieser Krieg ist nicht der Krieg des russischen Volkes. Dieser Krieg ist Putins Krieg", sagte Baerbock bei einer Sondersitzung des mächtigsten UN-Gremiums in New York. "Der russische Präsident riskiert die Zukunft seines eigenen Landes." Ein gerechter Frieden sei auch im Interesse der Menschen in Russland, führte die Ministerin weiter aus.
Kritik an der westlichen Unterstützung für die Ukraine wies Baerbock energisch zurück. "Wir können nicht tatenlos zusehen", betonte sie - und fragte: "Wo würde die Ukraine, die freiwillig ihre Atomwaffen aufgegeben hat, weil sie an Frieden glaubte, heute stehen, wenn wir nicht ihr Recht auf Selbstverteidigung verteidigt hätten?"
US-Außenminister Antony Blinken betonte, ein Frieden, "der Russlands Landergreifung legitimiert, würde die Charta (der Vereinten Nationen) schwächen und ein Signal an mögliche künftige Aggressoren senden, dass sie in Länder einfallen können und ungeschoren davonkommen".
Der russische UN-Botschafter Wassili Nebensja nutzte seine Rede im Sicherheitsrat - wie schon häufig zuvor - für Vorwürfe an die Ukraine und den Westen. "Die Ukraine ist kein Opfer", sagte der Diplomat. Kiew und seine Verbündeten hätten Russland "keine andere Wahl gelassen, als vom Territorium der Ukraine ausgehende Bedrohungen Russlands militärisch auszuschalten."
Chinas Vertreter Dai Bing forderte Gespräche zwischen Moskau und Kiew "ohne Vorbedingungen". Zuvor hatte die Volksrepublik in einem Positionspapier auch zu einem Waffenstillstand in der Ukraine aufgerufen.
Modi: Indien will zu Verhandlungslösung beitragen
Indien steht nach Worten von Premierminister Narendra Modi mit Blick auf den Ukraine-Krieg bereit, "einen Beitrag zu jeglichen Friedensbemühungen zu leisten". Seine Regierung habe seit Kriegsbeginn vor einem Jahr zu einer Lösung durch Dialog und Diplomatie aufgerufen, sagte Modi nach einem Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz in Neu Delhi. Scholz forderte seinerseits von Neu Delhi eine klare Haltung zum russischen Angriffskrieg. Dieser sei auch "vor allem eine große Katastrophe", weil Russland den internationalen Grundsatz verletzt habe, "dass man nicht mit Gewalt Grenzen verschiebt". Revisionismus dürfe nicht die Grundlage des Handelns von Staaten sein, betonte der Kanzler.
Indien nimmt in Bezug auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine eine neutrale Haltung ein und trägt westliche Sanktionen nicht mit. Der Subkontinent hat gute Beziehungen zu westlichen Ländern wie auch zu Russland, von dem es für einen Großteil seiner militärischen Ausrüstung abhängig ist. Indien kauft zudem mehr Öl aus Russland und begründet dies damit, dass es günstiges Öl für seine große und größtenteils arme Bevölkerung braucht.
Selenskyj: Kein Gespräch mit Putin - Treffen mit Xi möglich
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat sein striktes "Nein" zu einem Treffen mit Kremlchef Wladimir Putin bekräftigt. Damit reagierte er auf einen Vorstoß des türkischen Staatschefs Recep Tayyin Erdogan, der Putin in einem Telefonat zu Verhandlungen und einen "gerechten Frieden" bewegen wollte. Selenskyj sagte, er habe Erdogan schon vor Kriegsausbruch vorgeschlagen, Putin an den Verhandlungstisch zu holen, um einen großen Krieg zu verhindern. "Er konnte das aber nicht." Selenskyj fügte hinzu: "Jetzt können wir nicht."
Selenskyj stellte aber in Aussicht, sich mit dem chinesischen Staats- und Parteichef Xi Jinping zu treffen: "Ich glaube, dass dies für unsere Länder und die globale Sicherheit von Vorteil sein wird."
Biden: Ukrainischer Präsident "braucht jetzt keine F-16"
US-Präsident Joe Biden schließt die Lieferung von F-16-Kampfjets an die Ukraine zum jetzigen Zeitpunkt aus. Mit Blick auf Forderungen des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj sagte Biden in einem Interview des TV-Senders ABC: "Er braucht jetzt keine F-16." Aus der Sicht des US-Militärs gebe es momentan keinen Grund, die Kampfflugzeuge zur Verfügung zu stellen. Man könne aber nicht wissen, was in einem, zwei oder drei Jahren gebraucht werde, antwortete der Präsident auf die Frage, ob er die Lieferung von Kampfjets auch für die Zukunft ausschließe. "Ich schließe es für jetzt aus", stellte Biden klar.
USA: Waffen für Ukraine wurden nicht zweckentfremdet
Dem Weißen Haus liegen nach eigenen Angaben keine Hinweise vor, dass Waffenlieferungen an die Ukraine anders verwendet werden als gedacht. "Bislang gibt es keine Anzeichen dafür, dass die der Ukraine von uns zur Verfügung gestellten Mittel, Waffen und Ressourcen zweckentfremdet, verlegt, gestohlen, auf dem Schwarzmarkt verkauft oder von den Russen erbeutet wurden", sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, in Washington.
Seit Kriegsbeginn summieren sich die US-Militärhilfen für die Ukraine auf mehr als 32 Milliarden Dollar. Die amerikanische Bevölkerung habe ein Recht zu erfahren, dass die Mittel sinnvoll und effektiv eingesetzt würden, betonte Kirby.
Litauer spenden 14 Millionen Euro für Luftabwehr der Ukraine
In Litauen sind bei einer vierwöchigen Spendenaktion 14 Millionen Euro für Radargeräte für die Luftabwehr der Ukraine zusammengekommen. Mit dem Geld können 14 Radargeräte angeschafft werden, wie die Organisatoren mitteilten. Bei einer ähnlichen Spendenaktion im vergangenen Jahr waren in Litauen bereits mehr als fünf Millionen Euro zusammengekommen, die für den Kauf einer in der Türkei hergestellten Kampfdrohne für die Ukraine verwendet wurden. Litauen ist ein enger Verbündeter der Ukraine. Das EU- und NATO-Land im Baltikum hat fast 75.000 ukrainische Flüchtlinge aufgenommen und Kiew bisher rund 800 Millionen Euro an Hilfe zugesagt.
London: Russland hat wohl keine iranischen Drohnen mehr
Das russische Militär hat seinen Bestand an iranischen Drohnen nach Einschätzung britischer Geheimdienstexperten wohl aufgebraucht. Das sei wahrscheinlich, weil es etwa seit dem 15. Februar keine Berichte mehr über den Einsatz der kleinen unbemannten Luftfahrzeuge in der Ukraine gegeben habe, teilte das Verteidigungsministerium in London mit. Zwischen Ende Januar und Anfang Februar hätten die ukrainischen Streitkräfte dagegen mindestens 24 der Einweg-Drohnen des Typs Shahed-136 abgeschossen. "Russland wird sich wahrscheinlich um Nachschub bemühen", hieß es weiter.
Ukraine weist russische Vorwürfe zu Transnistrien zurück
Die Ukraine hat russische Behauptungen zu angeblichen Plänen für einen Einmarsch in die von der Nachbarrepublik Moldau abtrünnige Region Transnistrien zurückgewiesen. "Wir respektieren Moldaus Souveränität", versicherte Präsident Wolodymyr Selenskyj. Die Vorwürfe seien haltlos.
Moskau hatte behauptet, dass die ukrainische Armee "Provokationen" in dem Gebiet mit knapp 500.000 Einwohnern an der Südwestgrenze der Ukraine vorbereite. In Transnistrien sind seit den 1990er Jahren sogenannte russische Friedenstruppen stationiert. In dem schmalen, von Russland kontrollierten Landstreifen am Fluss Dnistr sollen sich noch riesige Munitionsvorräte aus Sowjetzeiten befinden.
Tausende bei "Aufstand für den Frieden" in Berlin
Nach den Gedenkveranstaltungen am ersten Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine haben die Feministin Alice Schwarzer und die Politikerin Sahra Wagenknecht (Die Linke) zu einer Großkundgebung am Brandenburger Tor in Berlin aufgerufen. Sie stand unter dem Motto "Aufstand für Frieden" und schließt an eine gemeinsame Initiative Wagenknechts und Schwarzers an. Die beiden Frauen fordern die Bundesregierung dazu auf, statt auf Waffenlieferungen auf Friedensverhandlungen zu setzen.
Zwischen Brandenburger Tor und Siegessäule versammelten sich laut Polizei etwa 13.000 Menschen. Die Veranstalter sprachen von 50.000 Teilnehmern. Einem Polizeisprecher zufolge verlief die zweistündige Kundgebung ruhig: Bis auf kleinere Wortgefechte kam es demnach zu keinen größeren Vorkommnissen. Auch in anderen Städten wie Bonn, Köln und Mainz waren Demonstrationen für Frieden und gegen Waffenlieferungen geplant.
Kritiker halten Verhandlungen mit Russland derzeit für unmöglich
Wagenknecht und Schwarzer hatten ein "Manifest für Frieden" veröffentlicht, über das seit rund zwei Wochen kontrovers diskutiert wird. In dem Papier, das auf der Plattform "change.org" bereits mehr als 600.000 Mitunterzeichner fand, warnen sie vor einer Eskalation des Ukraine-Kriegs, fordern Kompromisse "auf beiden Seiten" und fordern Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dazu auf, "die Eskalation der Waffenlieferungen zu stoppen" und sich "an die Spitze einer starken Allianz für einen Waffenstillstand und für Friedensverhandlungen" zu setzen.
Kritiker werfen Schwarzer und Wagenknecht vor, ihr Manifest sei "naiv". Auch Scholz hatte gesagt, er teile die Überzeugung darin nicht. Man müsse verstehen, "dass der russische Präsident gegenwärtig nur eine Form von Verhandlungen akzeptiert, nämlich dass irgendjemand bedingungslos kapituliert und er alle seine Ziele durchsetzt", sagte der Kanzler kürzlich im Zweiten Deutschen Fernsehen.
wa/bru/sti/se/qu/uh (dpa, afp, rtr)
Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.