Aktuell: Putin kündigt Wiederaufbau im Donbass an
20. Juli 2022
Das Wichtigste in Kürze:
- Wladimir Putin kündigt einen einen Wiederaufbau der Städte im Donbass an
- EU-Kommission stellt Notfallplan zur Gasversorgung vor
- Sergej Lawrow spricht von neuen Zielen bei "militärischer Spezialoperation"
- Präsidentengattin Olena Selenska spricht vor dem US-Kongress
- Die USA wollen die Ukraine mit noch mehr Waffen versorgen
Der russische Präsident Wladimir Putin hat einen Wiederaufbau der schwer zerstörten Städte im Donbass angekündigt. Es sei viel zu tun in den "Volksrepubliken" Luhansk und Donezk. "Deshalb wird unser Land der Volksrepublik Luhansk und der Volksrepublik Donezk helfen", sagte Putin bei einer Videokonferenz mit Kindern und Jugendlichen. Russland hatte im Februar die von der Ukraine abtrünnigen Gebiete Luhansk und Donezk als unabhängige Staaten anerkannt und danach den Krieg begonnen - offiziell zu deren Schutz.
Russland hatte bereits Milliarden auf der 2014 annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim investiert, um etwa eine Brücke, einen Flughafen und eine Autobahn zu bauen. Der Wiederaufbau im Donbass dürfte um ein Vielfaches teurer werden. Es werde "Monate, Wochen und Jahre" dauern, um im Donbass wieder für Ordnung zu sorgen, meinte Putin. "Aber wir werden das auf jeden Fall tun."
Putin droht mit noch geringeren Gas-Liefermengen
Sollte Russland die in Kanada reparierte Turbine für die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 nicht zurückerhalten, könnte ab Ende Juli täglich noch weniger Gas Richtung Deutschland fließen. Das hatte Putin am Rande des Gipfeltreffens mit seinen Kollegen aus der Türkei und dem Iran in Teheran deutlich gemacht, wie die russische Nachrichtenagentur Tass meldete.
"Wir haben noch eine fertige Trasse - das ist Nord Stream 2. Die können wir in Betrieb nehmen", ergänzte der russische Staatschef demnach. Denkbar wäre, dass Moskau so die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 erzwingen will. Die Pipeline ist seit 2021 fertig gebaut. Das Genehmigungsverfahren für die Leitung wurde von Deutschland nach dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar ausgesetzt.
Die Pipeline Nord Stream 1 - die wichtigste Gasleitung von Russland nach Deutschland - wurde 2011 in Betrieb genommen. Im Juni hatte Russlands staatlicher Energieriese Gazprom die Gaslieferungen erheblich reduziert. Begründet wurde dies mit der fehlenden Turbine von Siemens Energy, was Bundeskanzler Olaf Scholz als vorgeschoben kritisierte.
Derzeit ist die mehr als 1200 Kilometer lange Pipeline wegen alljährlicher Wartungsarbeiten stillgelegt - planmäßig bis Donnerstag. Falls die reparierte Turbine nicht rechtzeitig da sei, drohe Ende Juli wegen der "notwendigen Reparatur eines weiteren Aggregats" die tägliche Durchlasskapazität der Pipeline noch weiter zu fallen, sagte der Kremlchef nun laut Tass.
EU-Kommission stellt Notfallplan zur Gasversorgung vor
Wegen eines drohenden Gaslieferstopps durch Russland hat die EU-Kommission einen Notfallplan vorgestellt. Demnach sind in den kommenden Monaten Einsparungen der einzelnen Länder von jeweils 15 Prozent vorgesehen. Von August bis März solle so viel Gas im Vergleich zum Durchschnittsverbrauch desselben Zeitraums in den Jahren 2016 bis 2021 eingespart werden, teilte die EU-Kommission mit. Die 15-prozentige Gaseinsparung sei zunächst "ein freiwilliges Ziel, im Fall eines Notstands wird es verbindlich", sagte Kommissionschefin Ursula von der Leyen.
Nach einem bisher bekannt gewordenen Entwurf sollen die Mitgliedsstaaten im Winter zudem eine reduzierte Heiztemperatur von 19 Grad Celsius in vielen Gebäuden anordnen können. Zudem soll an Privathaushalte appelliert werden, ihre Heizungen freiwillig herunterzudrehen.
Neue Russland-Sanktionen können diesen Donnerstag in Kraft treten
Die EU-Mitgliedsstaaten haben einen Einfuhrstopp von Gold und weitere Sanktionen gegen Russland beschlossen. "Das Hauptziel besteht darin, sich mit den G7-Partnern abzustimmen, die Umsetzung zu verstärken und Schlupflöcher zu schließen, wo dies notwendig ist", erklärte die tschechische Regierung, die turnusgemäß den Vorsitz im EU-Rat innehat. Die neuen Regelungen werden wirksam, sobald sie am Donnerstag im Amtsblatt der EU veröffentlicht sind.
Die EU verbietet damit die Einfuhr von Gold russischen Ursprungs, einschließlich Schmuck. Die Wirkung dieser Maßnahme ist allerdings eher symbolisch, weil die EU keine großen Mengen des Edelmetalls aus Russland importiert. Zudem will die EU ihre Sanktionen gegen die größte russische Bank verschärfen. Die Sberbank soll künftig zu denjenigen Finanzinstituten gehören, deren Gelder und wirtschaftliche Ressourcen eingefroren werden können. Der Bank dürfen auch keine Gelder oder wirtschaftlichen Ressourcen mehr zur Verfügung gestellt werden. Außerdem werden weitere Einzelpersonen und Organisationen auf die EU-Sanktionsliste gesetzt.
Neue Ziele bei Russlands "militärischer Spezialoperation"
Die geographischen Ziele des von Russland als "militärischen Sondereinsatz" bezeichneten Krieges in der Ukraine sind nach den Worten von Außenminister Sergej Lawrow nicht mehr auf den Donbass begrenzt. Sie beträfen bereits eine Reihe anderer Gebiete, sagt er der russischen Nachrichtenagentur RIA zufolge und drohte mit einer weiteren Ausweitung. "Der Prozess geht weiter und setzt sich konsequent und beharrlich fort." Wenn der Westen Langstreckenwaffen an die Führung in Kiew liefere, dann würden die geographischen Ziele in der Ukraine noch mehr ausgeweitet werden.
Friedensverhandlungen erteilte er eine Absage. Eine Wiederaufnahme von Gesprächen mit der Ukraine ergebe im Moment keinen Sinn, sagt Lawrow laut RIA.
Ukrainische Präsidentengattin in den USA
Die ukrainische Präsidentengattin Olena Selenska hat in Washington vor Kongressabgeordneten und Senatoren im Kapitol gesprochen. In ihrer Rede bat sie die USA eindringlich um mehr Waffen, speziell um Luftabwehrsysteme. Selenska warf Russland vor, einen "Terrorkrieg" gegen ihr Land zu führen. Bei ihrem Vortrag, bei dem sie unter anderem Bilder getöteter ukrainischer Kinder zeigte, dankte sie den USA für deren Unterstützung. "Während Russland tötet, rettet Amerika", sagte die Ehefrau des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. "Aber leider ist der Krieg nicht vorbei, der Terror geht weiter." Sie sehe sich daher dazu gezwungen, um Waffen zu bitten.
Zuvor war Selenska von US-Präsident Joe Biden und dessen Ehefrau Jill im Weißen Haus in Washington empfangen worden.
USA kündigen weitere Waffenlieferungen an
Die US-Regierung will der von Russland angegriffenen Ukraine weitere Waffen liefern. In den kommenden Tagen werde die Regierung das nächste Waffen- und Ausrüstungspaket des Präsidenten für die Ukraine bekanntgeben, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats im Weißen Haus, John Kirby.
Das Paket werde weitere Raketenwerfer vom Typ HIMARS (High Mobility Artillery Rocket System) enthalten - diese hätten die Ukrainer bereits sehr effektiv eingesetzt. Zudem würden zusätzliche Patronen für Mehrfachraketenwerfer und Artilleriemunition geliefert. Die USA sind seit dem russischen Einmarsch im Februar der mit Abstand wichtigste Waffenlieferant der Ukraine.
Russland auf Schwarzer Liste
Die USA setzen Russland auf eine Schwarze Liste mit Ländern, die in Menschenhandel und Zwangsarbeit verwickelt sind. Die Liste ist Teil eines Berichts des US-Außenministeriums. Der Regierung in Moskau wird darin auch vorgeworfen, Kindersoldaten zu rekrutieren und Kinder nach Russland zu verschleppen. Millionen von Ukrainern seien wegen des russischen Angriffs auf der Flucht, weshalb sie anfällig für Ausbeutung seien, heißt es in dem Bericht weiter.
Syrien bricht diplomatische Beziehungen zur Ukraine ab
Das mit Russland verbündete Syrien hat die Aufkündigung seiner diplomatischen Beziehungen zur Ukraine bekanntgegeben. Damaskus habe dies "entsprechend dem Prinzip der Gegenseitigkeit und als Reaktion auf die Entscheidung der ukrainischen Regierung" beschlossen, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Sana unter Berufung auf das Außenministerium. Kiew hatte seine Beziehungen zu Syrien Ende Juni aufgekündigt.
Zuvor hatte die Regierung von Machthaber Baschar al-Assad als erster Staat der Welt nach Russland die von pro-russischen Separatisten kontrollierten Volksrepubliken Donezk und Luhansk im Osten der Ukraine offiziell anerkannt.
Dnepr-Brücke in Cherson nach ukrainischem Beschuss stark beschädigt
Die strategisch wichtige Antonowskij-Brücke über den Dnepr im russisch besetzten Cherson ist durch ukrainische Angriffe so stark beschädigt worden, dass sie für den Verkehr gesperrt werden musste. Dies teilte der Vizechef der Besatzungsverwaltung, Kirill Stremoussow, der russischen staatlichen Nachrichtenagentur Ria Nowosti mit. Auf die einzige Straßenbrücke über den Fluss Dnepr habe es acht Treffer gegeben.
Der ukrainische Generalstab berichtete seinerseits von russischem Beschuss und Angriffen in zahlreichen Gebieten. Die russischen Truppen bereiteten eine Offensive auf Bachmut vor. Es gebe in Richtung der in der Region Donezk gelegenen Stadt Kämpfe mit dem Ziel, die Bedingungen für diese Offensive und die Übernahme des Kraftwerks Wuglegirsk zu schaffen. "Es mangelt den feindlichen Einheiten an Munition, Nahrung und Wasser", fügte der Generalstab hinzu, nannte aber keine Details.
qu/rb/sti/fab/se/ehl (AFP, AP, dpa, epd, KNA, Reuters)
Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.