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Politik

Aktuell: Putin befürwortet IAEA-Besuch in Saporischschja

19. August 2022

In einem Telefonat mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat Kreml-Chef Wladimir Putin offenbar einer Inspektion des besetzten AKW zugestimmt. Man sichere die "erforderliche Mithilfe" zu, so der Kreml. Der Überblick.

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Frankreichs Präsident Macron (r.) in einer Videokonferenz mit Russlands Staatschef Putin ( Archivbild vom 26. Juni 2020)
Frankreichs Präsident Macron (r.) telefonierte erneut mit Russlands Staatschef Putin (l.) - hier ein Archivbild von Juni 2020Bild: MIKHAIL KLIMENTYEV/SPUTNIK/AFP via Getty Images

Das Wichtigste in Kürze:

  • Putin stimmt Inspektion des Kraftwerks Saporischschja zu
  • Gazprom unterbricht Gaslieferungen nach Europa
  • Energieversorger warnt vor AKW-Abkopplung vom Netz
  • MiG-31-Abfangjäger mit Luft-Boden-Raketen in Kaliningrad
  • Luftabwehr über Kertsch aktiviert


Vertreter der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) sollten die Lage im von Russland besetzten ukrainischen Atomkraftwerk Saporischschja vor Ort bewerten, hieß es nach dem Telefonat. Nach französischen Angaben soll die Anreise der Experten über die Ukraine unter Kontrolle der dortigen Regierung erfolgen. Für die Sicherheit der Experten sei eine Feuerpause erforderlich, auch wenn diese nicht einfach zu verhandeln sei. Bislang hatten sowohl Russland als auch die Ukraine gefordert, dass die internationalen Experten über das jeweils eigene Gebiet zum AKW anreisen sollten.

Trotz der Vermittlungsbemühungen unter anderem durch UN-Generalsekretär António Guterres und den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan spitzte sich zuletzt die Lage in und um das Kernkraftwerk im Süden der Ukraine weiter zu.

Russland und die Ukraine beschuldigen sich gegenseitig, dort bald einen Anschlag zu planen. Guterres hatte sich für eine Entmilitarisierung des Kraftwerks und seiner Umgebung ausgesprochen. Die Ukraine fordert den Abzug der Russen. Moskau lehnt beides ab. Russische Truppen halten das Kraftwerk mit sechs Reaktoren seit Anfang März besetzt. 

Gazprom unterbricht Gaslieferungen nach Europa

Vom 31. August bis zum 2. September werde der Pipelinebetrieb von Nord Stream 1 wegen Wartungsarbeiten unterbrochen, kündigte Russlands staatlicher Gaskonzern an. Dann werde vorübergehend kein Gas durch die Ostseepipeline fließen, so Gazprom.

Übernahmestation der Erdgaspipeline Nord Stream 1 in der Nähe von Lubmin, Deutschland
Die Erdgaspipeline Nord Stream 1, hier in der Nähe von Lubmin in Deutschland, soll laut Gazprom gewartet werdenBild: Sean Gallup/Getty Images

Am 31. August werde "die einzige Gasverdichterstation Trent 60 drei Tage lang für eine Wartung abgeschaltet", teilte das Unternehmen mit. Diese sei "immer nach 1000 Stunden Betrieb erforderlich." Auch Techniker von Siemens seien daran beteiligt, so Gazprom weiter. Danach solle der Betrieb wieder im bisherigen Umfang aufgenommen werden, falls es keine technischen Probleme gebe, erklärte Gazprom. Von Siemens Energy gab es zunächst keine Stellungnahme.

Die Ankündigung lässt in der EU die Sorge vor Versorgungsengpässen mit Gas im Winter wachsen. Russland hatte seine Gaslieferungen bereits zuvor stark gedrosselt. Der Westen wirft Moskau bei der Energieversorgung Erpressung vor.

Gegenwärtig ist die Pipeline Nord Stream 1 mit einem Gasfluss von 33 Millionen Kubikmetern pro Tag nur zu 20 Prozent ausgelastet. Zur Begründung hatte Gazprom ebenfalls notwendige Wartungsarbeiten genannt.

Die Ukraine sorgt sich um ihre Stromversorgung

Der staatliche Energieversorger der Ukraine, Energoatom, fürchtet, dass Russland das größte Atomkraftwerk des Landes vom nationalen Stromnetz trennen will. Es gebe entsprechende Hinweise auf Vorbereitungen durch russische Truppen.

Nachtbild des beleuchteten Atomkraftwerks in Saporischschja
Ohne den Strom aus Saporischschja könnten vor allem dem Süden der Ukraine schwere Zeiten bevorstehenBild: Smoliyenko Dmytro/Ukrinform/ABACA/picture alliance

"Das russische Militär sucht derzeit Treibstofflieferanten für Dieselgeneratoren", teilte Energoatom mit. Mit den Dieselgeneratoren sollten die Kühlsysteme für die hochradioaktiven Kernbrennstoffe nach dem Herunterfahren der Atommeiler am Laufen gehalten werden. Das Unternehmen bekräftigte den Vorwurf, Russland bereite eine "Provokation großen Ausmaßes" vor. Umgekehrt hatte die Regierung in Moskau der Ukraine genau denselben Vorwurf vorgehalten.

Ein Ausfall der Stromlieferungen aus der riesigen Anlage - Saporischschja ist das größte Atomkraftwerk Europas - würde vor allem den Süden der Ukraine treffen. Das Land bereitet sich angesichts von Krieg und Verknappung der Energieversorgung auf den schwierigsten Winter seit Erklärung der Unabhängigkeit vor.

Russland stationiert Hyperschallraketen in Kaliningrad

Russland hat nach eigenen Angaben Kampfflugzeuge mit den neuen Hyperschallraketen Kinschal (Dolch) in seine Ostsee-Exklave Kaliningrad verlegt. Drei Abfangjäger vom Typ MiG-31 mit den Luft-Boden-Raketen seien als "zusätzliche Maßnahme zur strategischen Abschreckung" auf dem Luftwaffenstützpunkt Tschkalowsk stationiert worden, teilte das russische Verteidigungsministerium in Moskau der Agentur Interfax mit.

Russiche Hyperschallrakete "Kinzhal"
Ein MiG-31 Abfangjäger mit einer Kinschal-RaketeBild: Alexander Zemlianichenko/AP/picture alliance

Kaliningrad liegt zwischen den EU-Ländern Polen und Litauen rund 500 Kilometer von Berlin, aber mehr als 1000 Kilometer von Moskau entfernt. Die hochmodernen Marschflugkörper Kinschal fliegen nach russischen Angaben bis zu zehnmal schneller als der Schall, sind dabei trotzdem lenkbar und haben eine Reichweite von 2000 Kilometern. Sie können konventionell oder nuklear bestückt werden. Im März hatte Russland nach eigenen Angaben eine Kinschal-Rakete gegen ein militärisches Ziel in der Westukraine abgeschossen.

Der litauische Verteidigungsminister Arvydas Anusauskas reagierte gelassen auf die Ankündigung. Die Stationierung von Kinschal-Raketen ändere nichts an der regionalen Sicherheitslage und stelle keine weitere Bedrohung dar, sagte er der Agentur BNS. "Die nominelle Bedrohung, die Russland für seine Nachbarn darstellt, ist immer da, aber das Bedrohungsniveau ist dadurch nicht größer geworden." 

Drohnen über Kertsch abgeschossen?

Über der Stadt Kertsch auf der Krim ist die russische Luftabwehr aktiviert worden. Das teilte ein Berater der Führung der 2014 von Russland annektierten Halbinsel mit. "Es besteht keine Gefahr für die Stadt und die Brücke", schrieb Berater Oleg Krjutschkow auf Telegram. Angeblich wurde eine Drohne abgeschossen.

Russland - Ukraine | Brücke zwischen der Krim und Russland
Könnte die Brücke, die die Krim mit dem russischen Festland verbindet, unter Beschuss geraten?Bild: Sergei Malgavko/TASS/dpa/picture alliance

In sozialen Netzwerken berichten Bewohner von Kertsch, dass sie zwei Explosionen gehört hätten. In der Hafenstadt beginnt die 18 Kilometer lange Brücke zwischen der Krim und dem russischen Festland. Die Ukraine sieht das 2018 eröffnete Bauwerk als legitimes militärisches Ziel an. Russland hat für den Fall eines Angriffs auf die Eisenbahn- und Straßenbrücke mit massiver Vergeltung gedroht. Der Verkehr auf der Brücke laufe normal, teilte die zuständige Straßenverwaltung mit.

Kampf um Charkiw für Russland strategisch wichtig

Die russischen Angriffe auf die Stadt Charkiw und ihre Umgebung dienen nach Ansicht britischer Militärexperten dem Ziel, Kräfte der Verteidiger zu binden und sie von Gegenangriffen abzuhalten. Das geht aus dem neuesten Lagebericht des Geheimdienstes hervor, der in Auszügen vom Verteidigungsministerium in London veröffentlicht wurde. Mit den intensiven Gefechten an der Front im Nordosten des Landes solle verhindert werden, dass die Ukraine mehr Truppen zu Gegenangriffen in anderen Regionen abziehen kann.

Da die Front derzeit nur etwa 15 Kilometer von Charkiw entfernt sei, liege die Stadt bereits in Reichweite vieler russischer Waffensysteme. "Mehrfachraketenwerfer und allgemein unpräzise Waffen haben in großen Teilen der Stadt Zerstörung angerichtet", so die britischen Experten. Bei zwei russischen Angriffen am Mittwoch und Donnerstag wurden den örtlichen Behörden zufolge mindestens 21 Menschen getötet und viele weitere Menschen verletzt. Russland bestreit, Zivilisten ins Visier zu nehmen.  

Estland schickt mehr Waffen in die Ukraine - Deutschland nicht

Estland will der Ukraine weitere Waffen liefern, darunter Mörser und Panzerabwehrwaffen. Auch will das baltische EU- und NATO-Land die Initiative Großbritanniens zur Ausbildung ukrainischer Soldaten unterstützen. Estland wolle zudem mit Deutschland ein weiteres Feldlazarett in die Ukraine schicken, heißt es in Tallin. Das kleine Land hat nach eigenen Angaben seit dem russischen Angriff Militärhilfe im Wert von 250 Millionen Euro an die Ukraine geleistet. Von großen europäischen Ländern wie Deutschland, Frankreich oder Italien wurden im Juli keine nennenswerten Militär- oder Finanzhilfen mehr angekündigt. 

Die Bundesregierung blockiert sogar nach Recherchen der Zeitung "Die Welt" seit Monaten alle Bitten der Ukraine um weitere Waffenlieferungen. Im Bundesverteidigungsministerium sowie im Kanzleramt von Olaf Scholz seien entsprechende Anfragen durch ukrainische Diplomaten offensichtlich auf Eis gelegt worden, heißt es.

Indonesien bestätigt Putins Besuch beim G20-Gipfel

Russlands Präsident Wladimir Putin wird im November am G20-Gipfel auf Bali teilnehmen. Das bestätigte der indonesische Präsident Joko Widodo der Nachrichtenagentur Bloomberg. Der Kreml hatte die persönliche Teilnahme des russischen Staatschefs bislang offen gelassen. Indonesien hält momentan den Vorsitz der Gruppe der 20 größten Industrie- und Schwellenländer und sah sich dem Druck westlicher Staaten ausgesetzt, seine Einladung an Putin wieder zurückzuziehen. Mehrere Länder haben ihre Teilnahme infrage gestellt, sollte der russische Präsident persönlich erscheinen.

cw/hf/rb/djo/haz/mak (dpa, rtr, afp)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.