Aktuell: Asow-Regiment als Terrorgruppe eingestuft
2. August 2022
Das Wichtigste in Kürze:
- Asow-Regiment als Terrorgruppe eingestuft
- Selenskyj erleichtert über ersten Getreideexport seit Monaten
- Ukraine meldet Rückeroberung von Orten in Region Cherson
- Polens Präsident betrachtet Russland als Gefahr für Europa
- Kein Komplettverzicht auf Gas zur Stromerzeugung in Deutschland
Der Oberste Gerichtshof in Moskau hat das ukrainische Asow-Regiment als "terroristische Organisation" eingestuft. Sämtliche Aktivitäten seien den Regimentsmitgliedern verboten, sagte eine Richterin der russischen Nachrichtenagentur TASS. Die Entscheidung ist ab sofort rechtskräftig. Somit können Asow-Angehörige mit langen Haftstrafen belangt werden. Mitgliedern "terroristischer" Gruppen drohen bis zu zehn Jahre Gefängnis, Führungspersonen sogar 20 Jahre.
Das Asow-Regiment ist aus einem Freiwilligenbataillon hervorgegangen, das wegen früherer Verbindungen zu Rechtsextremisten umstritten ist und von Russland als "Neonazi"-Gruppe bezeichnet wird. 2014 wurden die Kämpfer formell in die ukrainische Nationalgarde integriert. Damals nahmen Asow-Mitglieder am Kampf gegen von Moskau unterstützte Separatisten im Osten der Ukraine teil.
Asow-Kämpfer sind auch momentan an der Seite ukrainischer Soldaten im Einsatz, um die russischen Invasoren zurückzudrängen. Im Mai hatten sich nach wochenlanger Belagerung des Asow-Stahlwerks in der ukrainischen Hafenstadt Mariupol viele Asow-Mitglieder ergeben. 2500 Kämpfer wurden damals von russischen Einheiten gefangengenommen.
Ukraine meldet Fortschritte bei Gegenoffensive im Süden
Die ukrainische Armee dringt offenbar weiter in die von Russland besetzte Region Cherson im Süden des Landes vor. Das ukrainische Militär habe seit Beginn der russischen Invasion vor rund fünf Monaten 53 Ortschaften in der Region zurückerobert, sagte Gouverneur Dmitri Butri im staatlichen Fernsehen. Das sind neun Ortschaften mehr, als am Montag bekannt gegeben wurde. Russland hatte in der ersten Phase des Krieges weite Teile der Südukraine erobert. Mithilfe von Langstreckenwaffen aus westlicher Produktion hat die Ukraine eine Gegenoffensive gestartet.
Unterdessen wirft die Ukraine Russland vor, einen Evakuierungsbus in der Region Cherson mit Mörsergranaten beschossen und drei Menschen getötet zu haben. Fünf weitere seien verletzt worden, erklärte Militärsprecherin Natalia Humeniuk. Das Fahrzeug sei auf dem Weg von dem russisch besetzten Dorf Starosilja zu der ukrainisch kontrollierten Stadt Krywyj Rih gewesen.
Die Region Cherson war in den ersten Tagen des am 24. Februar von Russland begonnenen Angriffskriegs weitgehend von den Invasionstruppen eingenommen worden. Die Regierung in Kiew wirft einigen lokalen Vertretern Kollaboration mit den Angreifern vor. Das Gebiet grenzt an die 2014 von Russland annektierte Halbinsel Krim an.
Russland wirft USA direkte Kriegsbeteiligung vor
Russland wirft den USA eine direkte Verwicklung in den Konflikt in der Ukraine vor. US-Spione würden ukrainische Raketenangriffe auf russische Streitkräfte genehmigen und koordinieren, erklärte das Verteidigungsministerium in Moskau. Der stellvertretende Leiter des ukrainischen Militärgeheimdienstes, Wadim Skibizki, habe gegenüber der Zeitung "Telegraph" zugegeben, dass die US-Seite die Raketenangriffe koordiniere. "All dies beweist unbestreitbar, dass Washington entgegen den Behauptungen des Weißen Hauses und des Pentagons direkt in den Konflikt in der Ukraine verwickelt ist", so das Ministerium. Weiter warf Russland der Regierung von US-Präsident Joe Biden vor, damit für den "massenhaften Tod von Zivilisten" infolge von Raketenangriffen auf Wohngebiete und zivile Infrastruktur im Donbass und anderen Regionen vor. Welche Angriffe konkret gemeint sind, ließ Moskau offen.
Darüber hinaus gab das Verteidigungsministerium an, inzwischen insgesamt sechs von den USA gelieferte HIMARS-Raketenwerfer zerstört zu haben. Zudem seien fünf Anti-Schiffs-Raketensysteme vom Typ Harpoon sowie 33 M777-Haubitzen zerstört worden. Ukrainische Vertreter hatten zuletzt erklärt, über bis zu einem Dutzend HIMARS-Systeme zu verfügen. Diese sind präziser als russische Artillerie und haben eine größere Reichweite.
Dem russischen Verteidigungsminister Sergej Schoigu zufolge verläuft der Militäreinsatz in der Ukraine nach Plan. Die ukrainischen Streitkräfte in der östlichen Region Donezk würden zurückgedrängt. "Nachdem wir die Kontrolle über das Gebiet der Volksrepublik Luhansk übernommen haben, wird die Volksrepublik Donezk wie geplant befreit", sagte Schoigu vor führenden Generälen. Mehrere Siedlungen seien kürzlich eingenommen worden, dazu auch das größte Wärmekraftwerk in Europa.
Selenskyj: "Signal" für die Welt
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zeigt sich nach der Wiederaufnahme der Getreideexporte aus seinem Land vorsichtig optimistisch, die globale Versorgungskrise lösen und die eigene Wirtschaft ankurbeln zu können. "Der Hafen (von Odessa) hat begonnen zu arbeiten und dies ist ein positives Signal dafür, dass es eine Chance gibt, die Entwicklung der Nahrungsmittelkrise in der Welt zu stoppen", sagte Selenskyj in einer neuen Videobotschaft. Nach seinen Angaben warten 16 weitere Schiffe in den ukrainischen Häfen darauf, für den Export abgefertigt zu werden. Zugleich warnte Selenskyj vor zu großen Hoffnungen. Russland werde nicht einfach damit aufhören, die ukrainischen Exporte zu sabotieren.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock erklärte in New York, die unter Vermittlung der UN und der Türkei getroffene Vereinbarung zum Getreideexport habe gezeigt, "dass sich auch in diesen brutalen Zeiten kleine Gesten der Humanität ermöglichen lassen". Doch auch sie schränkte ein: "Wir haben auch gesehen, dass einen Tag nach Unterzeichnung des Getreide-Abkommens das russische Regime Odessa bombardiert hat. Deswegen ist in diesen Zeiten nichts gewiss." Der Ukraine-Krieg "wird eben auch als Korn-Krieg geführt".
Am Montagmorgen war das in Sierra Leone registrierte Frachtschiff "Razoni" mit 26.000 Tonnen Mais an Bord aus Odessa in Richtung Libanon ausgelaufen. Am Dienstagabend wurde es vor der türkischen Küste gesichtet. Am Mittwochmorgen wird es zur Inspektion in Istanbul erwartet.
Weiter Gefechte im Gebiet von Bachmut und Soledar
In der östlichen Region Donezk halten die Kämpfe um die Stadt Bachmut zwischen russischen und ukrainischen Truppen an. Auch in Richtung des acht Kilometer nördlich gelegenen Soledars habe es russische Vorstöße gegeben, teilte der ukrainische Generalstab mit. Angriffe an mehreren Orten südlich von Bachmut seien hingegen größtenteils abgewehrt worden, hieß es.
Den Kiewer Angaben zufolge wurden entlang der gesamten Frontlinie ukrainische Positionen in den Gebieten Charkiw, Donezk, Saporischschja, Cherson und Mykolajiw durch russische Artillerie beschossen. Die russische Luftwaffe habe zudem etwa vier Angriffe auf ukrainische Stellungen geflogen.
Duda prangert "großrussische Ideen" an
Polens Präsident Andrzej Duda betrachtet Russland als Gefahr für Europa. "Sollte die Ukraine mit ihrem heldenhaften Widerstand den imperialen Plänen Putins nicht standhalten, wären Polen und die baltischen Staaten direkt von einer weiteren Ausweitung der russischen Einflusssphäre auf Mitteleuropa bedroht", sagte Duda der "Frankfurter Allgemeine Zeitung" vom Dienstag. Duda sprach von "großrussischen Ideen, in denen es darum geht, sich andere Völker unterzuordnen". Dies seien nicht nur Ideen des russischen Präsidenten Wladimir Putin, vielmehr sei ein großer Teil der russischen Gesellschaft davon durchdrungen.
"Das Einzige, was man tun kann, ist, die eigene Sicherheit zu stärken, so der polnische Staatschef weiter. Sein Land habe der Ukraine 260 ältere T-72-Panzer geschenkt. Dadurch sei eine Lücke bei der eigenen Truppe entstanden, die durch eine beschleunigte Anschaffung neuer Panzer geschlossen werden müsse. Dabei hoffe Polen auch auf die Lieferung deutscher Leopard-Panzer. Ein sogenannter Ringtausch, mit dem polnische Lieferungen an die Ukraine durch Ersatz aus Deutschland ausgeglichen werden sollen, kam bislang allerdings nicht zustande. Mit dem bisherigen Berliner Angebot von 20 Panzern vom Typ Leopard 2 mit Lieferung ab 2023 hatte sich Polen nicht zufrieden gezeigt.
Habeck-Ministerium weist Lindner-Vorstoß zurück
Ein kompletter Verzicht auf Gas zur Stromerzeugung in Deutschland ist nach Einschätzung des Bundeswirtschaftsministeriums derzeit nicht möglich. Gas sei vor allem in Spitzenzeiten nötig, um die Stromnachfrage zu jeder Zeit decken zu können, erklärte das von den Grünen geführte Ministerium. Es reagierte damit auf eine Forderung von Bundesfinanzminister Christian Lindner. Mit Gas dürfe nicht länger Strom produziert werden, hatte der Chef der liberalen FDP kürzlich betont. Wirtschaftsminister Robert Habeck hätte die Möglichkeit, dies zu unterbinden, meinte Lindner.
14,5 Prozent der Stromerzeugung in Deutschland gehen aktuell auf den Einsatz von Gas zurück. Russland hatte zuletzt deutlich weniger davon nach Europa geliefert. Deutschland will deswegen stärker wieder auf umweltschädliche Kohlekraftwerke zurückgreifen.
Spanien will viel Energie einsparen
Die spanische Regierung hat vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs "dringende Maßnahmen" zur Einsparung und zur effizienteren Nutzung von Energie beschlossen. Alle Gebäude des öffentlichen Sektors, aber auch Kaufhäuser, Kinos, Arbeitsstätten, Hotels, Bahnhöfe und Flughäfen sollen künftig ihre Räumlichkeiten im Sommer auf nicht weniger als 27 Grad abkühlen und im Winter auf höchstens 19 Grad beheizen dürfen. Außerdem muss die Beleuchtung von nicht benutzen Büros, von Schaufenstern und Denkmälern nach 22 Uhr ausgeschaltet werden. Es handele sich um ein erstes Maßnahmenpaket, das in einer "kritischen Lage" nötig sei, erklärte die Ministerin für Ökologischen Wandel, Teresa Ribera.
jj/ehl/wa/bru (dpa, afp, rtr)
Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.