Ukraine aktuell: Selenskyj zu Gesprächen in Polen
5. April 2023Das Wichtigste in Kürze
- Duda sichert weitere MiG-29 zu, Selenskyj lädt polnische Firmen ein
- Russland will verschleppte ukrainische Kinder zurückschicken
- UNESCO sichert weitere Hilfe zu
- NATO plant mehrjähriges Unterstützungsprogramm für die Ukraine
- Ukraine warnt Landsleute in besetzten Gebieten
Polen treibt die Militärhilfe für die Ukraine voran. Acht Kampfjets vom sowjetischen Typ Mig-29 seien schon geliefert, sechs weitere Maschinen würden in Kürze übergeben, sagte Präsident Andrzej Duda bei einem Besuch des ukrainischen Staatschefs Wolodymyr Selenskyj in Warschau. Bislang war nur die Lieferung der ersten vier Maschinen an Kiew bekannt gewesen. Zugleich sicherte Duda die polnische Unterstützung für einen NATO-Beitritt der Ukraine zu.
Duda verlieh Selenskyj auch die höchste polnische Auszeichnung, den Orden des Weißen Adlers. Er erhalte den Orden für seine Verdienste um die Vertiefung der polnisch-ukrainischen Beziehungen, seinen Einsatz für die Sicherheit sowie für die Verteidigung der Menschenrechte, sagte Duda in seiner Würdigung.
Selenskyj dankte im Gegenzug Warschau ausdrücklich für die Hilfe Polens "auf dem schwierigen Weg zu unserem Sieg". Das Land hatte nach Kriegsbeginn im Februar 2022 rund 1,6 Millionen Menschen aus der Ukraine aufgenommen und macht sich immer wieder für mehr westliche Militärhilfe stark. Selenskyj erklärte, er hoffe auf offene Grenzen zwischen Polen und der Ukraine. Er lud polnische Firmen ein, bereits vor einem Ende des Krieges in der Ukraine tätig zu werden, um ihre Position im Markt zu verbessern. Der ukrainische Präsident nannte Polen in diesem Zusammenhang einen Schlüsselpartner beim Wiederaufbau des Landes.
Am Abend wollen Selenskyj und Duda im Warschauer Königsschloss mit Menschen aus der Ukraine zusammenkommen, die in Polen vor dem Krieg Zuflucht gefunden haben. Dort werden beide auch Reden halten. Polen hat nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) rund 1,6 Millionen Kriegsflüchtlinge aus der benachbarten Ukraine aufgenommen.
Putin gibt USA erneut die Schuld am Ukraine-Konflikt
Der russische Präsident Wladimir Putin hat den USA erneut die Schuld am Ukraine-Konflikt gegeben. "Die Beziehungen zwischen Russland und den USA, auf denen die globale Sicherheit und Stabilität direkt beruhen, befinden sich in einer tiefen Krise", sagte Putin bei der Akkreditierung neuer Botschafter im Kreml, darunter die neue US-Botschafterin Lynne Tracy und der neue EU-Botschafter Roland Galharague. "Letztendlich" habe die US-Außenpolitik "zur heutigen Ukraine-Krise geführt".
Putin machte auch der EU schwere Vorwürfe. "Die Europäische Union hat eine geopolitische Konfrontation mit Russland eingeleitet, eine Konfrontation mit unserem Land", sagte Putin bei der im Fernsehen übertragenen Zeremonie. Insgesamt traten 17 Botschafterinnen und Botschafter ihren Dienst in Moskau an. Putin stand in großer Entfernung zu ihnen und begründete das mit weiter geltenden Hygienebestimmungen im Zuge der Corona-Pandemie. Dabei hatte der 70-Jährige zuletzt Staatsgäste umarmt oder ihnen lange die Hand geschüttelt.
Russland will verschleppte Kinder zurückschicken
Die russische Kinderrechtsbeauftragte Maria Lwowa-Belowa hat sich bereit erklärt, aus der Ukraine verschleppte Kinder zurück in ihre Heimat zu schicken, wenn deren Eltern darum bitten. "Schreiben Sie mir, um ihr Kind wiederzufinden", sagte Lwowa-Belowa bei einer Pressekonferenz. Sie lehnte es erneut ab, eine vollständige Liste mit Namen der weggebrachten Kindern zu veröffentlichen.
Nach Angaben der ukrainischen Regierung wurden bis Februar dieses Jahres mehr als 16.000 Kinder aus der Ukraine nach Russland oder in russisch kontrollierte Gebiete überstellt. Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) hatte wegen der Verschleppung der Kinder Mitte März Haftbefehle gegen Russlands Präsident Wladimir Putin und Lwowa-Belowa erlassen.
Habeck für Sanktionen gegen russisches Uran
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck will sich für Sanktionen gegen Länder einsetzen, die Uran aus Russland beziehen. Bei seinen Gesprächen zu diesem Thema in der Ukraine sei es vor allem um "die Lieferung von Uran für Atombrennstäbe nach Europa aus Russland" gegangen, sagte der Vizekanzler auf der Rückfahrt von seinem zweitägigen Besuch in Kiew. Er sei gefragt worden, warum der Bezug von russischem Uran noch immer nicht sanktioniert werde. "Und ich finde, darauf gibt es keine gute Antwort." Irgendwann müsse das aber passieren, "auch wenn das für die Länder, die Atomkraftwerke mit russischem Uran noch bestücken, eine Umstellung bedeutet. Aber die erscheint mir zumutbar, dafür werde ich mich also einsetzen".
UNESCO sichert Ukraine weitere Unterstützung zu
Die UN-Kulturorganisation UNESCO hat der Ukraine weitere Unterstützung zugesichert. "Seit den ersten Tagen des Krieges stand die UNESCO an der Seite des ukrainischen Volkes, um dabei zu helfen, die Kultur, das Kulturerbe, die Bildung und die Sicherheit von Journalisten zu schützen", sagte Generalsekretärin Audrey Azoulay bei einer zweitägigen Ukraine-Reise in Kiew. Über einen Notfallplan von gut 27 Millionen Euro seien Material zum Schutz von Denkmälern und Kunstwerken sowie 50.000 Computer zur Ermöglichung von Distanzunterricht geliefert worden. Auch sei Schutzausrüstung für Journalisten zur Verfügung gestellt worden.
"Diese Unterstützung wird 2023 fortgesetzt und verstärkt", sagte Azoulay. In den nächsten Wochen werde die UNESCO über neun Millionen Euro für den Bildungsbereich mobilisieren. Damit solle vor allem die psychosoziale Unterstützung für Schülerinnen und Schüler in den Schulen verstärkt werden. Nach Angaben der UNESCO bat Selenskyj die UN-Organisation um Unterstützung bei der Ausarbeitung eines Plans zur Sanierung des Kultursektors.
NATO will Ukraine langfristig helfen
Die NATO entwickelt ein neues Unterstützungsprogramm für die von Russland angegriffene Ukraine. Die geplante mehrjährige Initiative solle dazu beitragen, Abschreckung und Verteidigung zu gewährleisten, sagte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg nach Beratungen bei einem Außenministertreffen in Brüssel.
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur aus Bündniskreisen ist im Gespräch, das Unterstützungsprogramm auf zehn Jahre anzulegen und jährlich mit etwa 500 Millionen Euro auszustatten. Mit dem Geld könnten laut Diplomaten auch zusätzliche Übungen, Digitalisierungsprogramme und institutionelle Reformen unterstützt werden.
Zur aktuellen Situation in der Ukraine sagte Stoltenberg, Russland habe seinen Kurs nicht geändert. Putin denke offensichtlich, dass er die westliche Unterstützung für die Ukraine aussitzen könne. Das Treffen in Brüssel habe das anhaltende Engagement des Bündnisses für das Land allerdings noch einmal unterstrichen. "Die NATO steht solange wie nötig an der Seite der Ukraine", sagte der Norweger und lud den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zum nächsten Gipfeltreffen des Militärbündnisses im Juli in Vilnius ein.
Selenskyj gratuliert Finnland
Selenskyj seinerseits hat Finnland zur Aufnahme in die NATO gratuliert. In seiner allabendlichen Videoansprache nannte er den Schritt "ein historisches Ereignis für unsere Region". Er beglückwünsche "das gesamte finnische Volk und den Präsidenten (Sauli Niinistö, Anm. d. Red.) persönlich." Die NATO-Mitgliedschaft sei eine "zuverlässige Sicherheitsgarantie".
Finnland und Schweden hatten sich vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine entschlossen, ihre traditionelle Bündnisfreiheit aufzugeben und der NATO beizutreten. Finnland erhielt nach langem Hin und Her die nötige Zustimmung aller 30 NATO-Staaten und wurde an diesem Dienstag das 31. NATO-Mitglied, während Schweden noch auf das Ja der Türkei und Ungarns wartet. Finnland hat eine 1340 Kilometer lange Grenze zu Russland und gilt als militärisch starker Partner.
Russisches Säbelrasseln nach NATO-Erweiterung
Als Reaktion auf den NATO-Beitritt des Nachbarn Finnland bereitet Russland entsprechende Gegenmaßnahmen vor. Das sagte Vizeaußenminister Sergej Gruschko nach Angaben der Staatsagentur Tass.
Er verwies darauf, dass jeder "verantwortungsbewusste Generalstab" die Möglichkeiten zur Umsetzung verschiedener Szenarien habe. "Dazu gehören Szenarien, die den Einsatz von Kampftruppen oder das Auftauchen von ausländischer Ausrüstung auf dem Territorium des Landes (Finnland) beinhalten", sagte er.
Russland beruft französischen Diplomaten ein
Russlands Außenministerium hat eigenen Angaben zufolge einen diplomatischen Vertreter Frankreichs in Moskau wegen "falscher Veröffentlichungen" der französischen Botschaft über mutmaßlich von der russischen Armee begangene Gräueltaten einberufen. Demnach veröffentlichte die Botschaft in Onlinediensten Stellungnahmen unter anderem zu den Massakern in der ukrainischen Stadt Butscha, die russischen Soldaten angelastet werden. "Es ist grundsätzlich inakzeptabel, falsche Anschuldigungen gegen unser Militär zu machen", erklärte das russische Außenministerium.
Die Ukraine beging am Sonntag den Jahrestag der Entdeckung des Massakers. Staatsanwälte in Kiew werfen russischen Streitkräften vor, um Butscha herum 1400 Zivilisten getötet zu haben. Moskau weist jegliche Verantwortung zurück und hat den Vorfall mehrfach als von der Ukraine "inszeniert" bezeichnet.
Ukrainische Vizeregierungschefin warnt Landsleute
Iryna Wereschtschuk hat Ukrainer in russisch besetzten Gebieten indirekt angesichts der bevorstehenden Offensive der eigenen Truppen zur Flucht aufgefordert. "Ich rate den Ukrainern in den vorübergehend besetzten Gebieten, entweder in Drittländer zu gehen oder sich vorzubereiten", schrieb die Vizeregierungschefin am Dienstag ohne weitere Details auf Telegram.
"Sie wissen, was zu tun ist, passen Sie auf sich und Ihre Kinder auf." "Die Beamten der Besatzer haben noch etwas Zeit, von dort wegzukommen", fuhr Wereschtschuk fort. Einige von ihnen seien bereits dabei, ihre Sachen zu packen. "Es wäre schön, wenn sie ihre Kollaborateure mitnehmen würden."
sti/kle/cwo/se/mak/wa (dpa, rtr, afp)
Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.