Aktuell: Tote bei Angriff auf Saporischschja
9. Oktober 2022
Das Wichtigste in Kürze:
- Zahlreiche Tote bei Angriff auf Saporischschja
- Selenskyj-Appell an russische Soldaten
- Ukrainische Soldaten sollen in der EU geschult werden
- Außenpolitiker Röttgen stemmt sich gegen Einschüchterungsversuche
Die Stadt Saporischschja in der südlichen Ukraine ist in der Nacht zum Sonntag von russischen Raketen getroffen worden. Es gebe zwölf Tote und 49 Verletzte, darunter sechs Kinder, die im Krankenhaus
behandelt werden müssten, teilte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in Kiew mit. Er veröffentlichte dazu im Nachrichtendienst Telegram Bilder schwer zerstörter Hochhäuser. Der Sekretär der Stadtverwaltung, Anatoli Kurtev, hatte zunächst von 17 Todesopfern gesprochen.
Die Stadt Saporischschja wird anders als große Teile des gleichnamigen Gebiets nicht von russischen Truppen kontrolliert. Sie war bereits mehrfach Ziel von Angriffen. Nach ukrainischen Militärangaben sollen die russischen Truppen mindestens zwölf Raketen auf die Wohngebäude abgefeuert haben. Von unabhängiger Seite lassen sich die Angaben nicht überprüfen.
In der Region liegt auch das von Russland besetzte Atomkraftwerk Saporischschja . Per Dekret stellte Kremlchef Wladimir Putin das AKW am Mittwoch unter russische Verwaltung.
Das Atomkraftwerk ist der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) zufolge wieder an das externe Stromnetz angeschlossen. Die am Samstag beschädigte Verbindung sei wieder hergestellt, teilt IAEA-Chef Rafael Grossi auf Twitter mit. Das sei nur vorübergehend eine Erleichterung in einer ansonsten unhaltbaren Situation. Nach dem Ausfall der Stromleitung durch Beschuss wurde das AKW über seine Notfall-Dieselgeneratoren versorgt.
Biden und Scholz verurteilen Russlands Annexionen
Nundeskanzler Olaf Scholz und US-Präsident Joe Biden haben die völkerrechtswidrigen russischen Annexionen von Gebieten in der Ukraine erneut verurteilt. Scholz und Biden hätten in ihrem Telefonat am Sonntag zudem die "jüngsten nuklearen Drohgebärden Moskaus als unverantwortlich" kritisiert und seien sich einig gewesen, dass der Einsatz solcher Waffen "außerordentlich gravierende Konsequenzen für Russland" haben würde, teilte der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Hebestreit, mit.
Vom Weißen Haus hieß es zu dem Gespräch, Biden und Scholz hätten betont, sich weiterhin dafür einsetzen zu wollen, dass Russland für sein "brutales Vorgehen" zur Verantwortung gezogen werde und dass die Ukraine Sicherheits- und Wirtschaftshilfe bekomme. Nach Angaben der Bundesregierung ging es in dem Gespräch vordergründig um die anstehenden Termine im G7- und G20-Format, bei denen es auch um den russischen Überfall auf die Ukraine und dessen Auswirkungen gehen werde.
Selenskyj verspricht Kriegsgefangenen eine gute Behandlung
In seiner täglichen Videoansprache hat sich der Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, diesmal an die russischen Soldaten an der Front gewandt - mit einem Appell, sich zu ergeben. Jeder Besatzer können einen Weg finden, sich in ukrainische Gefangenschaft zu begeben, so Selenskyj. "Wir garantieren die Sicherheit aller russischen Soldaten, die freiwillig ihre Waffen niederlegen und sich ergeben. Die Ukraine hält sich immer an alle internationalen Normen, an alle Konventionen", fügte er hinzu.
Noch trifft die ukrainische Armee im Osten des Landes allerdings auf teils heftige Gegenwehr: Die Truppen sind in der Nähe der strategisch wichtigen Stadt Bachmut in harte Kämpfe verwickelt. "Wir halten unsere Stellungen im Donbass, insbesondere in Richtung Bachmut, wo es jetzt sehr, sehr schwierig ist", sagte Selenskyj. Russlands Streitkräfte haben bereits mehrfach versucht, die Stadt einzunehmen.
Auf die Explosion auf der Krim-Brücke ging der ukrainische Präsident nicht ein. Er sagte lediglich, das Wetter auf der Halbinsel Krim sei bewölkt. Die Zukunft der Ukraine sei sonnig. Für die Ukrainer werde es eine Zukunft ohne Besetzer gehen - im gesamten Gebiet, vor allem auf der Krim. Die für Russland strategisch wichtige Auto- und Eisenbahnbrücke zwischen der Krim und dem russischen Festland war nach einer Explosion Samstagfrüh teilweise eingestürzt. Unbekannte hatten dort offenbar einen Lastwagen gesprengt, ein vorbeifahrender Güterzug mit Tankwaggons ging dadurch in Flammen auf.
Ukrainische Soldaten sollen in EU geschult werden
Die Europäische Union will einem Medienbericht zufolge im kommenden Winter bis zu 15.000 Ukrainer in EU-Staaten ausbilden. Die beiden Einsatz-Hauptquartiere sollen in Deutschland und Polen sein, wie die "Welt am Sonntag" unter Berufung auf hochrangige EU-Diplomaten und entsprechende Beschlüsse berichtet. Das Mandat für die Ausbildungsmission soll zunächst für zwei Jahre gelten.
In Polen wird demnach ein multinationales Trainingskommando auf operativer Ebene errichtet. Dabei sollen ukrainische Soldaten etwa in der Abwehr chemischer, biologischer und nuklearer Waffen, im Sanitätswesen und im Umgang mit Cyberangriffen ausgebildet werden. Auch die Ausbildung in militärischer Logistik, in der Instandsetzung von Waffen, im Häuserkampf und in Fragen der Luftverteidigung sowie des Artillerieeinsatzes gehörten dazu.
In dem zweiten Trainingskommando werde Deutschland in größerem Umfang spezielle Ausbildungseinheiten anbieten, beispielsweise Minenräumung oder Taktikschulungen, heißt es weiter. Es soll aber auch Lehrgänge in anderen EU-Ländern geben. Der "Welt am Sonntag" zufolge soll die neue Ausbildungsmission am 17. Oktober von den EU-Außenministern bei ihrem Treffen in Luxemburg beschlossen werden.
Die Ausbildungsmission soll die bisherigen Trainingseinheiten der einzelnen EU-Staaten für ukrainische Soldaten ergänzen. Das Ziel sei, die Ukraine in die Lage zu versetzen, "Kampfoperationen zur Verteidigung der territorialen Integrität und Souveränität eigenständig durchzuführen", berichtet die Zeitung. Künftig könne die Zahl der Auszubildenden noch weit über 15.000 Menschen erhöht werden.
Wie die "Welt am Sonntag" weiter schreibt, will die EU auch die Militärhilfe für die Ukraine in den kommenden Monaten deutlich ausbauen. Der bisherige Finanztopf, die sogenannte Europäische Friedensfazilität (EFF), soll bis 2027 von derzeit 5,7 Milliarden auf zehn bis zwölf Milliarden Euro aufgestockt werden.
Außenpolitiker Röttgen stemmt sich gegen Einschüchterungsversuche
Der CDU-Außenpolitiker und Bundestagsabgeordnete Norbert Röttgen hat davor gewarnt, sich von den Atomdrohungen des russischen Präsidenten Wladimir Putin einschüchtern zu lassen. "Wenn wir uns von Putin einmal erpressen lassen, dann sind wir dauerhaft geliefert", sagte er der Funke Mediengruppe. Die glaubhafte Abschreckung gegenüber Putins Drohungen bleibe entscheidend dafür, eine weitere Eskalation zu verhindern. Dafür seien die USA "ebenso unverzichtbar wie vorbereitet".
Röttgen rief dazu auf, "einen kühlen Kopf zu bewahren und sich strikt an die Fakten zu halten". Dazu zähle, dass Putin den Krieg weiterführen wolle. "Als Teil dieses Krieges versucht er, uns Angst zu machen." Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hatte Russlands Staatschef mehrfach indirekt mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht.
uh/se/AR (ap, ebu, afp, rtr, dpa)
Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.