Ukraine aktuell: NATO-Soldaten sollen Russland abschrecken
24. März 2022Das Wichtigste in Kürze:
- Mehr NATO-Truppen für den Osten
- G7 erhöht Druck auf Russland
- Ukrainischer Präsident ruft NATO zu mehr Unterstützung auf
- NATO-Generalsekretär Stoltenberg verlangt klare Positionierung von China
- USA und Großbritannien melden Erfolge der ukrainischen Armee
Wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine verstärkt die NATO ihre Kampfeinheiten in den östlichen Bündnisländern. Neue Einheiten sollen in die Mitgliedsländer Rumänien, Bulgarien, Ungarn und die Slowakei entsandt werden, wie aus der Abschluss-Erklärung zum Sondergipfel in Brüssel hervorgeht. Bisher gibt es solche Verbände in Polen und den drei Baltenstaaten Litauen, Lettland und Estland.
Dabei handelt es sich nach NATO-Angaben um "kampfbereite Verbände", die zur Abschreckung Russlands dienen sollen. Die multinationalen Einheiten mit Soldatinnen und Soldaten aus den Mitgliedsländern sollen "verdeutlichen, dass ein Angriff auf einen Verbündeten als Angriff auf die gesamte Allianz eingeschätzt würde", heißt es.
Selenskyj bittet NATO um mehr Militärhilfe
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bittet die NATO um mehr militärische Unterstützung. "Um unser Volk und unsere Städte zu schützen, brauchen wir Militärhilfe ohne Einschränkungen - so wie auch Russland sein gesamtes Arsenal ohne Einschränkungen gegen uns einsetzt", sagte Selenskyj in einer Video-Ansprache auf dem NATO-Gipfeltreffen zum Ukraine-Krieg in Brüssel.
Die Ukraine hat bei der NATO mindestens 200 Panzer angefordert. "Sie haben mehr als 20.000 Panzer. Die Ukraine hat um ein Prozent gebeten", sagte Selenskyj bei der Videoschalte in Brüssel. Kiew würde sie auch kaufen. "Wir haben bisher keine klare Antwort", meinte der 44-Jährige.
Stoltenberg will klares Wort von China
Die NATO fordert von China eine klare Positionierung gegen Russlands Angriff auf die Ukraine. "Wir fordern China auf, sich dem Rest der Welt anzuschließen und den russischen Einmarsch in die Ukraine klar zu verurteilen und keine politische Unterstützung zu leisten", sagte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Rande des NATO-Sondergipfels in Brüssel. Dies schließe natürlich auch ein, keinerlei materielle Unterstützung für die Invasion in die Ukraine zu leisten.
Wegen des Ukraine-Kriegs bleibt Stoltenberg ein Jahr länger im Amt als geplant. Nach Abschluss des Sondergipfels teilte er mit, die Staats- und Regierungschefs seien sich einig, dass sich der Krieg in der Ukraine nicht ausbreiten dürfe. Er bekräftigt, es werde keine NATO-Truppen in der Ukraine geben.
US-Sanktionen gegen 400 Russen und Unternehmen
Die USA verhängen wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine Sanktionen gegen mehr als 400 weitere Russen und russische Unternehmen. Wie das Weiße Haus anlässlich der Teilnahme von Präsident Joe Biden an dem Gipfeltreffen der NATO mitteilte, sollen unter anderem 48 Rüstungsunternehmen, 328 Mitglieder der Duma und auch das russische Unterhaus selbst sowie zahlreiche Bankenmanager mit Sanktionen belegt werden.
Betroffen ist unter anderem der Chef der russischen Sberbank, Herman Gref, der laut US-Angaben schon seit den 1990er Jahren ein Berater von Kreml-Chef Wladimir Putin ist. Auch Großbritannien hat Sanktionen gegen Gref verhängt.
Das Weiße Haus teilte ferner mit, dass sich die USA zur Aufnahme von bis zu 100.000 Ukraine-Flüchtlingen bereiterklärten. Die US-Regierung kündigte zudem an, mehr als eine Milliarde Dollar (910 Millionen Euro) an zusätzlichen Hilfsgeldern zur Verfügung zu stellen. Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR vom Mittwoch sind bereits mehr als 3,6 Millionen Menschen aus der Ukraine geflohen.
G7 erhöht Druck auf Russland
Die sieben wichtigsten westlichen Industrieländer (G7) drohen Russland mit weiteren Sanktionen und wollen das Land stärker international isolieren. Bundeskanzler Olaf Scholz betonte, dass der Abzug der russischen Truppen aus der Ukraine Voraussetzung sei, dass eine diplomatische Lösung gelingen kann. Zugleich warnte die Gruppe Russland vor dem Einsatz chemischer, biologischer oder nuklearer Waffen. Die westlichen Staaten wollten an diesem Donnerstag mit einer Serie von Gipfeln ihre harte Haltung gegenüber Russland unterstreichen. Auch US-Präsident Joe Biden flog dafür nach Brüssel.
Biden appellierte an die westlichen Verbündeten, im Konflikt mit Kremlchef Wladimir Putin einen langen Atem zu beweisen. Putin dürfe nicht denken, dass die Verbündeten innerhalb von ein, zwei Monaten auseinander dividiert würden. "Das Wichtigste ist, dass wir geeint bleiben", betonte Biden. Nach seiner Überzeugung strebt Putin ein Auseinanderbrechen der NATO an. Daher sei nichts von größerer Bedeutung als die Einheit der Verbündeten in der NATO, der Europäischen Union und der G7. Biden sprach sich auch für einen Ausschluss Russlands aus dem G20-Staatenbund aus.
Ukraine meldet Zerstörung eines russischen Landungsschiffs
In der Südukraine ist es am Hafen der Stadt Berdjansk zu heftigen Explosionen gekommen. Die ukrainische Zeitung "Ukrajinska Prawda" veröffentlichte auf ihrem Online-Portal Bilder, auf denen meterhohe Flammen und eine riesige Rauchsäule zu sehen sind. Laut ukrainischer Marine soll ein russisches Landungsschiff zerstört worden sein, wie die Agentur Unian meldete. Es soll zur Schwarzmeerflotte gehört haben.
Von russischer Seite gab es zunächst keine Angaben, unabhängig überprüfen ließen sich die Berichte nicht. In sozialen Medien war zudem die Rede davon, dass ein Munitionsdepot und ein Treibstofftank in dem von russischen Kräften besetzten Hafen am Asowschen Meer zerstört worden seien. Über Opfer wurde zunächst nichts bekannt.
WHO beklagt Schäden für das ukrainische Gesundheitssystem
Die Gesundheitsorganisation der Vereinten Nationen (WHO) hat die verheerenden Folgen des seit einem Monat andauernden Krieges auf das ukrainische Gesundheitssystem angeprangert. Millionen Menschen seien von dringend benötigten Behandlungen und medizinischer Versorgung abgeschnitten, warnte die WHO in Kopenhagen, dem Sitz ihres Regionalbüros für Europa.
Seit Beginn der russischen Invasion am 24. Februar sind demnach bis zum vergangenen Dienstag 64 militärische Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen registriert worden. Dabei seien 15 Menschen getötet und 37 weitere verletzt worden. Die Angriffe seien ein Bruch des humanitären Völkerrechts, vernichteten lebenswichtige Infrastruktur und zerstörten die Hoffnung vieler kranker Menschen, sagte Jarno Habicht, WHO-Repräsentant in der Ukraine.
Russland weist US-Diplomaten aus
Russland hat mehrere US-Diplomaten in Moskau zu unerwünschten Personen erklärt. Einem Vertreter der US-Botschaft in Moskau sei am Mittwoch eine Liste mit Namen von Diplomaten übergeben worden, die das Land verlassen müssten - als Reaktion auf die Ausweisung von zwölf russischen Vertretern bei den Vereinten Nationen in New York Ende Februar. Zur Zahl der ausgewiesenen Diplomaten machte das Außenministerium in Moskau keine Angaben.
Ein Sprecher des Außenministeriums in Washington bestätigte den Erhalt der Liste. "Das ist der jüngste nicht hilfreiche und unproduktive Schritt Russlands in unserem bilateralen Verhältnis", sagte der Sprecher.
Russland scheitert mit "zynischer" Ukraine-Resolution im Sicherheitsrat
Im Weltsicherheitsrat, dem mächtigsten Gremium der Vereinten Nationen, ist Russland erwartungsgemäß mit einer eigenen humanitären Resolution zum Ukraine-Konflikt gescheitert. Moskau bekam für seine Beschlussvorlage, in der es um einen "Aufruf für Hilfe für die Zivilbevölkerung der Ukraine" ging, am Mittwoch nicht die benötigten neun Ja-Stimmen des 15-köpfigen UN-Gremiums. Nur China stimmte für den Text, die übrigen 13 Länder enthielten sich.
Da Russland der Aggressor in dem Konflikt ist, hatten vor allem westliche Staaten das Einbringen einer humanitären Resolution durch das Land als "zynisch" oder als "Beleidigung" bezeichnet, zumal in dem Entwurf mit keinem Wort Russlands Rolle als Aggressor erwähnt wurde.
Ukrainische Erfolge im Kampf gegen russische Truppen
Der ukrainischen Armee ist es nach Angaben des US-Außenministeriums gelungen, die russischen Truppen im Osten von Kiew deutlich zurückzudrängen. Die russischen Streitkräfte hätten sich dort binnen 24 Stunden mehr als 30 Kilometer weit zurückgezogen, sagte ein ranghoher Vertreter des Pentagons, der anonym bleiben wollte, am Mittwoch (Ortszeit) vor Journalisten. Sie seien dabei, sich rund 55 Kilometer östlich und nordöstlich von Kiew zu verschanzen und Verteidigungspositionen aufzubauen, fügte er hinzu.
Auch in der Umgebung der umkämpften Großstädte Tschernihiw nördlich von Kiew und Charkiw im Osten der Ukraine sähen sich die russischen Angreifer heftigem Widerstand ausgesetzt und könnten keine Raumgewinne verzeichnen, so der Pentagon-Vertreter.
Nach Einschätzung britischer Geheimdienste erhöht das ukrainische Militär den Druck auf die russischen Streitkräfte nordöstlich von Kiew. Diese stünden dort bereits vor erheblichen Problemen in der Versorgung und in ihrer Kampfmoral, teilte das britische Verteidigungsministerium unter Hinweis auf Geheimdienstinformationen mit. Ukrainische Streitkräfte führten zudem erfolgreiche Gegenangriffe gegen russische Stellungen in Orten am Rande der Hauptstadt durch und hätten möglicherweise Makariw und Moschun zurückerobert.
Generalstab: Mehr russische Luftangriffe
Russland hat nach Angaben des ukrainischen Militärs seine Luftangriffe verstärkt. Binnen 24 Stunden habe man mehr als 250 Einsätze registriert, teilte der ukrainischen Generalstab mit. Am Mittwoch seien es 60 weniger gewesen. Die Hauptziele seien weiterhin Einrichtungen der militärischen und zivilen Infrastruktur in den Gebieten Kiew, Tschernihiw und Charkiw. Die Regierung in Moskau gibt dagegen an, nur militärische Ziele anzugreifen. Am Mittwoch seien zudem elf "feindliche Luftziele" getroffen worden, darunter Flugzeuge, ein Hubschrauber und Marschflugkörper, so der Generalstab.
Tausende evakuiert
In der Ukraine sind im Laufe des Mittwochs mehr als 4500 Menschen aus belagerten und umkämpften Städten evakuiert worden. Das teilte der stellvertretende Leiter des ukrainischen Präsidialamtes, Kyrylo Tymoschenko, auf dem Messengerdienst Telegram mit.
Der Großteil von ihnen, fast 3000 Menschen, habe aus der Hafenstadt Mariupol kommend mit privaten Transportmitteln die Großstadt Saporischschja erreicht. Weitere Evakuierungen habe es zudem aus dem Ort Huljajpole, dem Gebiet Luhansk und drei Dörfern im Gebiet Kiew gegeben.
Laut der ukrainischen Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk hat die Evakuierung über sieben von neun geplanten Korridoren funktioniert. Bei zwei Fluchtwegen seien Autobusse von russischen Einheiten an Kontrollpunkten aufgehalten worden, sagte sie in einer Videobotschaft am Mittwochabend. Die Angaben konnten zunächst nicht unabhängig geprüft werden.
Noch mehr britische Raketen für die Ukraine
Großbritannien will der Ukraine als Unterstützung gegen den russischen Angriffskrieg weitere Waffen liefern. Man werde 6000 zusätzliche Raketen schicken, darunter Panzerabwehrwaffen und andere Geschosse, kündigte der britische Premierminister Boris Johnson vor dem Beginn des NATO-Gipfels am Donnerstag an. Zudem werde man weitere 25 Millionen Pfund (rund 30 Millionen Euro) bereitstellen, um das ukrainische Militär zu stärken. Mit dem Geld sollen zum Beispiel ukrainische Soldaten und Piloten bezahlt werden.
Die britische Regierung investiert außerdem 4,1 zusätzliche Millionen Pfund (rund 4,9 Millionen Euro) in den Auslandssender BBC World Service - nach eigenen Angaben, um Desinformation in Russland und in der Ukraine zu bekämpfen. Dies steht geplanten Umstrukturierungen des gebührenfinanzierten Systems gegenüber, die die britische Regierung für die nächsten Jahre angekündigt hat.
Google News in Russland mit "Schwierigkeiten"
Die russische Medienaufsichtsbehörde hat den Zugang zu Google News eingeschränkt. Die Entscheidung sei auf einen Antrag der russischen Generalstaatsanwaltschaft hin erfolgt, teilte die Behörde Roskomnadsor am Mittwoch laut russischen Nachrichtenagenturen mit. Google News habe "Zugang zu zahlreichen Publikationen und Materialien geboten, die falsche Informationen" über den Verlauf von Russlands "besonderem Militäreinsatz auf ukrainischem Gebiet enthielten", hieß es in der Mitteilung.
Der US-amerikanische Internetriese bestätigte, dass in Russland "einige Nutzer" Schwierigkeiten hätten, die Google News App aufzurufen und dass dies "nicht durch technische Probleme auf unserer Seite" verursacht würde.
Seit dem Beginn des Militäreinsatzes in der Ukraine vor einem Monat haben die russischen Behörden den Zugang zu Online-Medien massiv eingeschränkt. Gesperrt wurden unter anderem die Website der BBC und der Deutschen Welle. In dieser Woche verhängte ein Gericht in Moskau ein Verbot gegen die Onlinedienste Facebook und Instagram. Auch der Zugang zu Twitter ist in Russland eingeschränkt.
uh/sti/nob/mak/cw/kle (afp, dpa, rtr, ape)
Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert.