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Politik

Aktuell: Wieder Angriffe nahe AKW Saporischschja

3. September 2022

Die Lage am größten Atomkraftwerk Europas bleibt gespannt. Die G7-Länder wollen mit einem Öl-Preisdeckel Druck auf Moskau aufbauen. Die Ukraine benennt einen neuen Botschafter für Berlin. Ein Überblick.

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Atomkraftwerk Saporischschja in der Ukraine
Das Atomkraftwerk Saporischschja in der Ukraine (Archivbild)Bild: Alexander Ermochenko/REUTERS

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Wieder Angriffe nahe AKW Saporischschja
  • Preis für Öl aus Russland soll gedeckelt werden
  • Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 bleibt leer
  • IAEA-Chef Grossi zieht erstes Fazit 
  • Neuer ukrainischer Botschafter für Berlin benannt

 

Rund um das von Russland besetzte Atomkraftwerk Saporischschja in der Südukraine bleibt die Lage weiter unübersichtlich. Das Verteidigungsministerium in Moskau beschuldigte die ukrainische Armee, trotz der Anwesenheit internationaler Atomexperten das AKW zurückerobern zu wollen. An der Aktion seien 250 Soldaten und "ausländische Söldner" beteiligt gewesen. Die russische Armee will den Angriff abgewehrt und mehr als 40 feindliche Kräfte getötet haben. Der russischen Nachrichtenagentur Interfax zufolge wurde bei dem Beschuss eine Stromleitung beschädigt. Deshalb sei die Stromversorgung in das nicht von Russland besetzte Gebiet unterbrochen worden.

Das ukrainische Militär erklärte hingegen, Russland habe in der Nacht zu Samstag Angriffe in Richtung Saporischschja verübt. Einzelheiten wurden in dem Armeebericht nicht genannt. Zuvor hatte der ukrainische Generalstab bestätigt, "dass unsere Truppen im Bereich der Ortschaften Cherson und Enerhodar drei Artilleriesysteme des Gegners mit präzisen Schlägen vernichtet haben". Die Angaben der Kriegsparteien lassen sich nicht unabhängig prüfen.

IAEA-Chef zieht erste Bilanz

Seit Donnerstag hält sich in dem AKW eine Expertengruppe der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) auf, um die Anlage auf mögliche Schäden hin zu untersuchen. IAEA-Chef Rafael Grossi zog am Freitagabend nach seiner Rückkehr nach Wien ein teils positives Fazit. Zwar seien Schäden durch mehrfachen Beschuss des Kraftwerks offenkundig und inakzeptabel, aber wichtige Sicherheitselemente wie die Stromversorgung des Werks funktionierten. Grossi erwartet eine genaue Analyse der Sicherheit des AKW durch seine am Ort verbliebenen Experten im Laufe der nächsten Woche. 

Er habe nicht den Eindruck, dass die russischen Besatzer etwas vor der IAEA-Mission verborgen hätten, sagte Grossi weiter. Der IAEA-Chef wörtlich: "Wir haben alles gesehen, was ich sehen wollte." Er betonte, dass er die Mission seiner Behörde als permanent ansehe. Russland beteuerte, auf dem AKW-Gelände keine schweren Waffen zu lagern.

Noch während die Mitarbeiter der IAEA am AKW Saporischschja auf der Suche nach möglichen Schäden durch den wochenlangen Beschuss waren, äußerte der Kraftwerksbetreiber Enerhoatom Zweifel am Erfolg der Mission. "Die Besatzer lügen, verfälschen Tatsachen und Beweise", schrieb Enerhoatom im Hinblick auf Russland. Der Delegation sei der Zutritt ins Krisenzentrum der Anlage verwehrt worden. Dort sei derzeit russisches Militärpersonal stationiert. Russland wolle, dass keine Fakten über das AKW bekannt würden.

Das AKW ist mit seinen sechs Blöcken und einer Nettoleistung von 5700 Megawatt das größte Atomkraftwerk Europas. Vor der Ende Februar gestarteten russischen Invasion arbeiteten mehr als 10.000 Menschen in der Anlage.

Erdogan will AKW-Streit schlichten

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bietet sein Land als Vermittler im Streit um das AKW an. Das teilt das Präsidialbüro in Ankara nach einem Telefonat Erdogans mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin mit. 

Die Türkei könne in der Angelegenheit vermitteln, wie sie es zuletzt beim Getreideabkommen getan habe, hieß es weiter. Im Juli hatten die Vereinten Nationen und die Türkei ein Vereinbarung ausgehandelt, die es der Ukraine ermöglichte, die vielerorts dringend benötigten Getreideexporte von den Häfen am Schwarzen Meer wieder aufzunehmen.

Russland Ukraine-Krieg | G7 wollen Preisdeckel für russisches Öl durchsetzen
Tanks von Transneft, einem staatlichen russischen Öl-Konzern (Archivbild)Bild: Igor Russak/dpa/picture alliance

G7 wollen Preisdeckel für russisches Öl

Im Kampf gegen steigende Energiekosten wollen die G7-Staaten einen Preisdeckel auf russisches Öl durchsetzen, wie die Finanzminister der führenden Industrienationen des Westens in einer gemeinsamen Erklärung mitteilten. Darin fordern sie alle Länder, die russisches Öl importieren, auf, sich dieser Maßnahme anzuschließen. "Wir streben eine breite Koalition an, um die Effektivität zu maximieren", heißt es in dem Papier.

Im Kern will man Russland dazu zwingen, Öl künftig für einen deutlich niedrigeren Preis an große Abnehmer wie zum Beispiel Indien zu verkaufen. Dies soll die Ölmärkte entspannen und die Auswirkungen des Krieges auf die Energiepreise abfedern. Zugleich würde Russland seine Kriegskasse nicht weiter in dem Tempo wie bisher füllen können.

Lob von Staatschef Selenskyj

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj begrüßte die geplanten neuen Energiesanktionen des Westens gegen russisches Öl als ein Zeichen der Unterstützung für sein vom Krieg gezeichnetes Land. Solche Strafmaßnahmen seien "längst überfällig", sagte der Staatschef in Kiew.

Ukraine | Wolodymyr Selenskyj
Weitere Sanktionen gegen Russland seien längst überfällig, betont Präsident SelenskyjBild: Sarsenov Daniiar/Ukraine Preside/Planet Pix/ZUMA/picture alliance

Selenskyj ergänzte: "Die Sanktionen werden nicht nur den Fluss der Petro-Dollars und Gas-Euros nach Moskau begrenzen, sondern auch Gerechtigkeit wiederherstellen für alle Europäer, die von Russland erpresst werden mit einer künstlich heraufbeschworenen Preiskrise auf dem Energiemarkt."

Es fließt kein Gas durch Nord Stream 1 

Durch die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 wird - anders als angekündigt - weiter kein Gas fließen, wie der russische Staatskonzern Gazprom mitteilte. Grund sei ein Ölaustritt in einer Kompressorstation.

Siemens Energy teilte zu den von Gazprom gemeldeten Defekten mit: "Als Hersteller der Turbinen können wir lediglich feststellen, dass ein derartiger Befund keinen technischen Grund für eine Einstellung des Betriebs darstellt." Leckagen beeinträchtigten im Normalfall den Betrieb einer Turbine nicht. Siemens Energy sei aktuell nicht mit Wartungsarbeiten beauftragt. "Unabhängig davon haben wir bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass in der Verdichterstation Portowaja genügend weitere Turbinen für einen Betrieb von Nord Stream 1 zur Verfügung stehen", so das Unternehmen.

Karte Infografik Nord Stream 1 und 2 EN
Kein Gastransport durch Nord Stream 1: Eigentlich sollte das Gas ab diesem Samstag wieder fließen

Eigentlich sollte der Gastransport nach einer dreitägigen Wartungspause an diesem Samstag wieder aufgenommen werden. Russland hatte den Betrieb der Pipeline schon zum zweiten Mal für Reparaturarbeiten gestoppt. Im Juni waren die Gaslieferungen über die Ostsee-Pipeline auf 40 Prozent und im Juli auf 20 Prozent der Kapazität verringert worden. Russland begründete diese Schritte mit Wartungsproblemen und Sanktionen, die der Westen gegen das Land wegen des Einmarschs in die Ukraine verhängt hat.

Versorgungssicherheit "gewährleistet"

Eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums versicherte in Reaktion auf die Gazprom-Mitteilung, die Versorgungssicherheit in Deutschland sei "gewährleistet". Wegen der "Unzuverlässigkeit Russlands" habe die Bundesregierung die Maßnahmen zur Stärkung der Unabhängigkeit von russischen Energieimporten "unbeirrt und konsequent" fortgesetzt: "Dadurch sind wir jetzt wesentlich besser gerüstet als noch vor einigen Monaten." 

Die deutschen Gasspeicher seien derzeit zu 84,3 Prozent gefüllt, teilte die Ministeriumssprecherin mit. Das Oktober-Speicherziel von 85 Prozent dürfte daher nach ihren Worten schon früher erreicht werden.

Auch aus Sicht der Bundesnetzagentur ist die Versorgungssicherheit nicht gefährdet. Die Bonner Behörde erklärte zudem, die von Gazprom gemeldeten Mängel seien nach ihrer Einschätzung kein Grund für die Einstellung des Betriebes der Verdichterstation für die Pipeline Nord Stream 1.

Oleksij Makejew soll neuer Botschafter in Berlin werden

Nach der Abberufung des umstrittenen Botschafters Andrij Melnyk steht nun fest, wer die Ukraine künftig in Deutschland vertreten soll: Die Regierung in Kiew habe ein sogenanntes Agrémentersuchen für Oleksij Makejew gestellt, teilte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes mit. Dieses Agrément sei bereits durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erteilt worden. Nach Informationen der Zeitung "Die Welt" soll der 46-jährige Diplomat, der fließend deutsch spreche, am 15. Oktober sein Amt antreten.

Oleksij Makejew
Oleksij Makejew wird neuer ukrainischer Botschafter in Berlin (Archivbild) Bild: Soeren Stache/dpa/picture alliance

Makejew studierte der Zeitung zufolge internationale Beziehungen an der staatlichen Universität in Kiew und trat schon mit 21 Jahren in den diplomatischen Dienst ein. Er sei auch bereits als Diplomat in Berlin tätig gewesen. 2014 wurde er laut der "Welt" zum Leiter der politischen Abteilung des Kiewer Außenministeriums berufen. Seit zwei Jahren sei er Sonderbeauftragter der ukrainischen Regierung für internationale Sanktionspolitik.

jj/nob/se/gri/haz/wa (dpa, rtr, afp)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.