Ukraine: Das Geschäft mit der Leihmutterschaft
9. September 2018Die Ukraine ist weltweit eines der führenden Länder, wenn es um Leihmutterschaften geht, stellte der ukrainische Generalstaatsanwalt Jurij Luzenko Mitte Juli fest. Doch oft verberge sich dahinter Menschen- und Organhandel. Luzenko nannte einen Fall, in dem es um eine künstliche Befruchtung an der Kiewer Klinik "BioTexCom" ging. Im Jahr 2011 hatte dort ein italienisches Ehepaar mit einer ukrainischen Leihmutter einen Vertrag geschlossen. Nach der Geburt des Jungen nahm ihn das Paar mit nach Italien. Doch dort wurden sie nicht als Eltern des Kindes anerkannt. Denn der in Italien obligatorische DNA-Test bestätigte nicht, dass der Mann der genetische Vater des Jungen ist. Letztlich wurde das Kind von einer anderen Familie in Italien adoptiert.
Der Besitzer von "BioTexCom", Albert Totschilowskij, bestätigte gegenüber der DW, dass das Genmaterial des Mannes und des Kindes tatsächlich nicht übereinstimmte. "Entweder wurden die Embryonen im Reagenzglas vertauscht oder die Katheter während des Eingriffs", so Totschilowskij. Menschliches Versagen könne nie ganz ausgeschlossen werden. Totschilowskij und der Chefarzt der Klinik wurden in der Ukraine im Juli 2018 des Menschenhandels, der Dokumentenfälschung und Steuerhinterziehung beschuldigt. Sollte bewiesen werden, dass Totschilowskij und der Chefarzt in Wirklichkeit Kinderhandel betrieben, drohen ihnen bis zu 15 Jahre Haft. Totschilowskij, der unter Hausarrest steht, findet, der Klinik sei höchstens vorzuwerfen, bei der künstlichen Befruchtung gegen Vorschriften des ukrainischen Gesundheitsministeriums verstoßen zu haben. "Dafür sind aber nur Verwaltungsstrafen vorgesehen", betonte er.
Kritik an der Staatsanwaltschaft
Walerij Sukin, Vizepräsident des "Ukrainischen Verbandes für Reproduktionsmedizin", meint, die Vorwürfe des Generalstaatsanwalts seien unbegründet. Sie würden nur den Ruf der Reproduktionsmedizin in der Ukraine schädigen. "Die Anschuldigungen müssen vom Gericht erst noch bewiesen werden", so Sukin. Ihm zufolge wurden in der Ukraine dank künstlicher Befruchtung in den letzten 18 Jahren 54.000 Kinder geboren. In den Jahren 2016 und 2017 habe es 20.000 solcher Eingriffe gegeben. "Davon waren nur 380 Fälle, also weniger als zwei Prozent, Leihmutterschaften", sagte Sukin.
Doch diese Zahlen geben der Juristin Jelena Babitsch zufolge kein vollständiges Bild ab. "Eine Leihmutterschaft kann zwar beginnen, aber es kann auch nicht zur Geburt kommen. Die Statistik erfasst den Fall, aber letztlich gibt es kein Kind, das die Ukraine verlässt", erläutert sie. Außerdem würden auch Ukrainer die Dienste von Leihmüttern nutzen. Es gebe aber nur eine Statistik. "Niemand in der Ukraine hat gesonderte Zahlen zu Ausländern", so Babitsch. Äußerungen, wonach die Ukraine weltweit ein Mekka für Leihmutterschaften sei, hätten daher keine Grundlage.
Kein Gesetz, nur Vorschriften
Laut Walerij Sukin gibt es in der Ukraine fast 50 Kliniken für künstliche Befruchtung. Ihre Arbeit würde heute nicht durch Gesetze, sondern durch zahlreiche Verwaltungsvorschriften geregelt. Doch es werde nicht überwacht, ob diese von den Kliniken auch eingehalten würden. Auch Jelena Babitsch findet, dass Leihmutterschaften rechtlich nur ungenügend geregelt sind. Beispielsweise seien die Rechte und Pflichten einer Leihmutter sowie der genetischen Eltern nicht gesetzlich festgelegt. Es gebe keinen Schutz vor Vertragsverletzungen. Auch gebe es keine Garantien für eine materielle Entschädigung der Parteien.
Der Fall an der Kiewer Klinik "BioTexCom" hat mittlerweile dazu geführt, dass fünf Gesetzentwürfe zur Reproduktionsmedizin ins ukrainische Parlament eingebracht wurden. Doch keiner von ihnen sieht die zwingende Durchführung eines DNA-Tests für die genetische Verwandtschaft zwischen einem Paar und einem Kind vor, das von einer Leihmutter ausgetragen wird. Daher schließt Babitsch nicht aus, dass auch in Zukunft in Ländern, wo ein solcher Test obligatorisch ist, Gerichte bei Paaren die Elternschaft eines in der Ukraine von einer Leihmutter geborenen Kindes nicht anerkennen werden.
Spanier, die in der Ukraine festsitzen
Solche Probleme haben nach Berichten des spanischen Senders RTVE mindestens 20 spanische Familien mit Neugeborenen in der Ukraine. Anderen Medien zufolge sollen es noch viel mehr sein. Die Spanier würden in der Ukraine festsitzen, weil das spanische Konsulat die Babys nicht als spanische Staatsbürger registrieren und ihnen die Einreise nach Spanien erlauben wolle. Die Beamten würden sich dabei auf die neuen EU-Regeln zum Schutz personenbezogener Daten berufen.
Bislang wurde die Zugehörigkeit des Kindes zu den Eltern per DNA-Test geprüft. Die Proben wurden bei Kind und Vater in der Ukraine entnommen, geprüft und zur Verifikation nach Spanien geschickt. Die neue Rechtslage, so das spanische Außenamt, rate EU-Bürgern von DNA-Tests außerhalb der EU ab. Daher würden Tests aus der Ukraine von Spanien nicht mehr anerkannt. Die in der Ukraine festsitzenden Spanier beklagen, dass Bürger anderer EU-Länder diese Probleme nicht hätten.