Bundesregierung um Ukraine Lösung bemüht
20. Mai 2014Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat bisher versucht, mit Russland und den Konfliktparteien in der Ukraine behutsam zu verhandeln - ganz in der Tradition der von Bundeskanzler Willy Brandt in den 1970er Jahren eingeleiteten, erfolgreichen Ostpolitik. Steinmeiers Gesprächspartner hätten ihn dennoch überall hängen lassen, weil klarere Signale fehlten, kritisieren Politiker von CSU und CDU, die mit der SPD die Regierungskoalition in Berlin bilden. Der russische Präsident Wladimir Putin müsse härter angegangen werden. Das wollen etliche CDU- und CSU-Abgeordnete.
Die harschen Forderungen werden der anstehenden Wahl zum Europaparlament zugeschrieben. Doch auch der Außenminister der ukrainischen Übergangsregierung, Andreij Deschtschytsja, forderte von seinem deutschen Kollegen Frank-Walter Steinmeier, die Bundesregierung müsse gegenüber Russland stärker auftreten. Russland unterstütze immerhin die militanten Separatisten, die sich in den für unabhängig erklärten Regionen um Luhansk und Donezk mit ukrainischen Militärs bekämpften, so Deschtschytsja.
Laut eines Berichts der UNO kam es dabei zu Gewaltexzessen, Folter, Misshandlungen und Entführungen. Das hat zur Folge, dass in vielen Bezirken der Ostukraine noch gar keine Vorbereitungen zu der für Sonntag (25.05.2014) geplanten Präsidentenwahl getroffen werden konnten. Diese Wahl soll einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung der gesamten Ukraine leisten. Der Zeitdruck für Verhandlungen wächst.
Schlingerkurs und Risikovermeidung gefährlich
"Das Grundproblem ist, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre Vermittlerrolle negiert und das Risko scheut", stellt Stefan Meister fest. Der Russland-Experte des European Council on Foreign Relations in Berlin regt an, dass Angela Merkel mit Wladimir Putin nicht nur telefonieren, sondern nach Moskau reisen und direkt mit ihm persönlich verhandeln solle. Ein direktes und schnelles Handeln sei dringend geboten. "Ich habe aus diversen Gesprächen in Moskau herausgehört: Es gibt dort keine Hemmungen mehr", sagt Meister im Hinblick auf ein mögliches weiteres Vorgehen Russlands in der Ostukraine.
Zu den immer wieder angekündigten und bisher nur zaghaft umgesetzten Sanktionen gegenüber Russland bemerkt der in Moskau gut vernetzte Stefan Meister nur, dass Russland die Lage bisher sehr gut eingeschätzt habe. Deutschland und die EU würden in vielen Bereichen nicht handeln und Sanktionen eher abschwächen, so das russische Kalkül. "Russische Politik reagiert auf Stärke und nicht auf Kompromisse", bringt es Meister auf den Punkt. Letztlich gehe es vor allem um Glaubwürdigkeit, wenn man vermeiden möchte, dass die Situation in der Ukraine zu einem Flächenbrand wird. "Akzeptiert man das Zündeln an der Moldau? Akzeptiert man dann die Annektierung von Südossetien oder Abchasien offiziell und möglicherweise Zündeln in Georgien?", fragt Stefan Meister, der früher bei der Deutschen Gesellschaft für auswärtige Politik tätig war.
Unsicherheit bei Sanktionen
Ernst-Jörg Studnitz, ehemals deutscher Botschafter in Moskau, verteidigt hingegen Deutschlands bisherige Vermittlerrolle: "Ich halte das, was der deutsche Außenminister und die Kanzlerin machen, für außerordentlich klug." Es gehe nicht darum, Wladimir Putin als vermeintlichen Drahtzieher der Unruhen in der Ukraine in ein Freund-Feind-Schema zu pressen. Ein härteres Vorgehen, wie die Umsetzung wirtschaftlicher Sanktionen, würde den russischen Präsidenten weiter in die Isolation treiben."Das ist im hohen Maß gefährlich".
"Sanktionen vermittelten doch nur das Gefühl irgendetwas zu tun", sagt von Studnitz, der bezweifelt, dass diese Sanktionen etwas bewirken würden. Der ehemalige Botschafter weist auf die Situation Putins hin. Demütigungen des Westens hätten Spuren hinterlassen. Gleichzeitig habe die Annektierung der Krim für Putin hohe Zustimmung in der russischen Bevölkerung gebracht. Zuvor protestierten viele Bürger gegen Putin. Wenn man den Herrn im Kreml also weiter in die Enge treibe, böte dies nur weitere Gelegenheit für den russischen Präsidenten, Härte zu zeigen, die ihm zur Stabilisierung der Situation im eigenen Land dient. Diese Bedenken werden vom ehemaligen Außenminister Hans-Dietrich Genscher sowie vielen Politik-Experten geteilt.
Empfehlungen von Experten
Die schwierige Aufgabe, die sich für deutsche Vermittler stellt: Die richtige Balance zu finden, zwischen einer klaren politischen Grenze, die nicht überschritten werden darf und einer einfühlsamen, diplomatischen Hilfe für alle Beteiligten des Konflikts. Die starke wirtschaftliche Verflechtung Deutschlands mit Russland als auch mit der Ukraine verpflichtet ebenso wie das politische Interesse an einem stabilen Frieden in Europa.
"Die Neutralität der Ukraine ist ganz wichtig", betont Christian Hacke. Der Politikwissenschaftler an der Universität Bonn sieht die einzig denkbare Lösung in einer Ukraine, die weder Mitglied der EU noch der Nato ist. Damit befindet sich Hacke in bester Gesellschaft. Auch der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt spricht sich gegen jeden Versuch der EU aus, die Ukraine auf die "westliche Seite" zu ziehen. Er bezeichnete dies sogar als Größenwahn von EU-Bürokraten.
Karl-Georg Wellmann, Ukraine-Beauftragter der CDU/CSU-Fraktion und Vorsitzender der deutsch-ukrainischen Parlamentariergruppe weist auf die besorgniserregenden sozialen Konflikte in der Ukraine hin, befeuert unter anderem durch unregelmäßige Lohn- und Rentenzahlungen. Verhandelt werden müsste daher über mehr Rechte für die Regionen, mehr Entscheidungsmöglichkeiten und mehr Geld. "Es ist unsere Aufgabe, dass die Ukraine auf die Beine kommt und Jobs entstehen", so der CDU-Politiker.
Stefan Meister vom European Council on Foreign Relations spricht sich dafür aus, auf jeden Fall mit den Menschen in den für unabhängig erklärten Regionen im Osten der Ukraine zu sprechen. Sie müssten unbedingt eingebunden werden.
Hoffnungsschimmer "Runder Tisch"
Einige wenige Vertreter aus den Unruhezonen der Ostukraine waren denn auch beim zweiten Treffen des so genannten "runden Tisches" in Charkiw dabei. Die selbst ernannten Führer der sich abspaltenden Regionen waren allerdings nicht anwesend. Sie werden vom Regierungschef in Kiew, Arsenij Jazenjuk, als Gesprächspartner abgelehnt. Er nennt sie "Terroristen".
Dennoch glaubt Alexander Trunk, Direktor des Instituts für Osteuroparecht der Universität Kiel, an den Erfolg von "Runden Tischen". Zusammenkünfte von Konfliktparteien hätten bereits in der Vergangenheit etliche Revolutionen in Osteuropa zu einem friedlichen Ende gebracht - auch in der ehemaligen DDR.
Vor zwanzig Jahren habe deshalb das Bundesjustizministerium die Deutsche Stiftung für internationale rechtliche Zusammenarbeit gegründet, um Staaten beim Um- und Aufbau juristisch zu beraten. "40 bis 50 Prozent der deutschen Anregungen sind bisher übernommen worden", schätzt Trunk.
An die Erfolgsbilanz möchte auch der deutsche Vermittler Wolfgang Ischinger anknüpfen. Im Auftrag der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OSZE) leitet der in Europa hochgeschätzte Diplomat den Runden Tisch zur Lösung des Ukraine-Konfliktes. Der soll zum dritten Mal am Mittwoch (21.05.2014) in Tscherkassy tagen.