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Ukraine-Krise als Chance für China-Dialog

Matthias von Hein28. März 2014

Chinas Staatschef Xi Jinping macht auf seiner Europareise Station in Berlin. Statt wie üblich um Wirtschaftsthemen geht es bei dieser Begegnung auch um die Sicherheitspolitik - wegen der Ukraine.

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Die Präsidentenpaare vor Schloss Bellevue (Foto: Reuters)
Die Präsidentenpaare vor Schloss BellevueBild: Reuters

Die deutsch-chinesischen Beziehungen ließen sich bislang vor allem als Wirtschaftsbeziehungen definieren. Der jährliche Warenaustausch zwischen beiden Seiten hat ein Volumen von rund 150 Milliarden Euro - fast ein Drittel des gesamten Handels der EU mit China. Und tatsächlich wird der chinesische Staats- und Parteichef Xi Jinping beim ersten Besuch eines chinesischen Präsidenten seit acht Jahren in Begleitung von rund 200 Wirtschaftsvertretern in Berlin einschweben.

Trotzdem werden bei diesem Staatsbesuch die Akzente anders liegen als sonst, nämlich nicht auf Wirtschaftsthemen. Fragen der Weltpolitik und der Sicherheitspolitik seien jetzt in den Fokus gerückt, erklärt Sebastian Heilmann vom Berliner Mercator-Institut für Chinastudien, Merics: "Das ist neu für die deutsch-chinesischen Beziehungen."

Der Hauptgrund für diesen Wandel ist die Krise in der Ukraine und die russische Reaktion. China ist mit dem russischen Vorgehen auf der Krim nicht einverstanden. Die Prinzipien der territorialen Integrität und der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten gehören zum Kernbestand chinesischer Außenpolitik. Und angesichts starker Autonomiebewegungen in Tibet, Xinjiang oder auf Taiwan kann die chinesische Regierung auch der Idee von Volksabstimmungen nichts abgewinnen.

Mehr Spielraum für Kooperation

Angesichts der sehr engen russisch-chinesischen Beziehungen rechnet China-Forscher Heilmann im Gespräch mit der Deutschen Welle nicht mit einem offenen Abrücken Chinas von der russischen Position, aber: "Wir haben doch Anzeichen dafür, dass es in den Beziehungen zu Russland knirscht." Die Schlussfolgerung: Es gibt mehr Spielraum für eine Kooperation mit China. Und den will die Bundesregierung ausloten und nutzen. Berlin will China für westliche Positionen gewinnen und darauf hinarbeiten, dass es mäßigend auf Russland einwirkt. Erst jüngst hatte die chinesische Regierung auf dem Nationalen Volkskongress erklärt, China wolle global mehr Verantwortung übernehmen. Auch zum Völkerrecht hatte Peking sich da noch einmal ausdrücklich bekannt.

Ein Mann posiert am mit einer Russland-Fahne an der Bucht in Sewastopol, Ukraine. (Foto: dpa)
Das russische Vorgehen auf der Krim beschäftigt auch PekingBild: picture-alliance/dpa

Heilmann sieht angesichts dieser Ausgangslage große Chancen: "China hat hinter der Bühne Möglichkeiten, zu sagen, dass Abspaltungen in Osteuropa, die Verschiebung von Territorialgrenzen nicht im Interesse Chinas liegen. Sondern dass dort Stabilität herrschen muss, dass eine gemeinsame Entwicklung der umstrittenen Gebiete angestrebt werden muss, völkerrechtlich abgesichert und mit Hilfe des IWF." Zu all diesen Zielen, so Merics-Chef Heilmann, habe China sich schon bekannt.

Strategische Partnerschaft

Vielleicht ist Deutschland tatsächlich besonders geeignet, diese Themen beim Staatsbesuch Xi Jinpings unterzubringen. Die deutsch-chinesischen Beziehungen sind außerordentlich eng, sie sind in den Rang einer strategischen Partnerschaft gehoben worden. Zu rund 70 offiziellen Dialogforen sind Delegationen beider Seiten beständig unterwegs. Hinzu kommen die jährlichen Regierungskonsultationen, bei denen bilaterale Abkommen gleich dutzendfach unterzeichnet werden.

Präsident Xi Jinping bei Francois Hollande in Paris (Foto: Reuters)
Der Berlin-Besuch Xis schließt sich an seinen Frankreich-Besuch an, wo es unter anderem um Automobilkooperation gingBild: Reuters

Deutschland genießt in China einen ausgezeichneten Ruf als verlässlicher Partner und gilt überdies als Tor zu Europa, das durch den geplanten Besuch Xi Jinpings bei den EU-Institutionen in der kommenden Woche als Partner ebenfalls aufgewertet wird.

Da es sich um einen Staatbesuch handelt, hat Xi zunächst den deutschen Präsidenten Joachim Gauck getroffen (siehe Bild oben). Da Xi aber in seiner Doppelfunktion als Parteichef auch der wichtigste Politikgestalter Chinas ist, ist auch ausgiebig Zeit mit Kanzlerin Merkel eingeplant. Am zweiten Tag seines Staatsbesuchs wird Xi in Nordrhein-Westfalen auch mit Vizekanzler und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel zusammen treffen.

Thema Menschenrechte

Nur wenige Tage nach Xi Jinpings Besuch wird in Berlin die bislang größte Ausstellung des chinesischen Künstlers Ai Weiwei eröffnet werden. Vermutlich ohne Ai Weiwei selbst, wie Nora Sausmikat von der Kölner Stiftung Asienhaus im Gespräch mit der DW kritisiert: "Weil ihm immer noch nicht sein Pass ausgehändigt wurde, den man ihm abnahm, als er vor drei Jahren verhaftet wurde."

Ai Weiwei (Foto: dpa)
Der regimekritische Künstler Ai Weiwei erhält eine Ausstellung in Berlin nach dem Besuch Xi JinpingsBild: picture-alliance/dpa

Die Stiftung Asienhaus fordert deshalb von Angela Merkel, dass sie sich bei Xi Jinping für die Reisefreiheit von Ai Weiwei einsetzt. Überhaupt beobachtet die Stiftung Asienhaus seit dem Amtsantritt des chinesischen Staats- und Parteichefs vor gut einem Jahr ein deutliches Anziehen der Zensur und verschärftes Vorgehen gegen Aktivisten der Zivilgesellschaft. Auch hier erwartet Sausmikat ein eindringliches Eintreten der Kanzlerin für die Rede- und Meinungsfreiheit.

Im Falle von Ai Weiwei immerhin scheint Bewegung auf chinesischer Seite möglich, analysiert China-Forscher Heilmann: Die harte Linie gegen den Künstler sei von der Vorgängerregierung beschlossen worden. Für die jetzige Administration gebe es daher Spielraum, zumal keine Gerichtsurteile gegen Ai vorliegen.