Ukraine: Russischer Warnschuss im Schwarzen Meer
13. August 2023
Das Wichtigste in Kürze:
- Russland droht Frachter im Schwarzen Meer
- Kiew betont Bedeutung deutscher Taurus-Lieferung
- Scholz lobt Treffen in Saudi-Arabien
- Selenskyj bedankt sich für Patriot-Abschussrampen
- Netzagentur: Noch keine volle Entwarnung für Gasversorgung
Im Schwarzen Meer hat ein russisches Kriegsschiff nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau einen Warnschuss auf einen Frachter in der Nähe der ukrainischen Küste abgegeben. Die "Sukru Okan", ein Trockenfrachter unter der Flagge Palaus, habe sich im Südwesten des Schwarzen Meeres befunden, erklärte das Ministerium. Das Schiff sei auf dem Weg zum ukrainischen Hafen Ismajil gewesen.
Das russische Patrouillenschiff "Wassili Bykow" habe den Warnschuss abgegeben, nachdem der Kapitän der "Sukru Okan" nicht auf die Aufforderung reagiert habe, für eine Inspektion zu stoppen. "Um das Schiff gewaltsam anzuhalten, wurde zur Warnung das Feuer aus automatischen Waffen eröffnet", teilte das Verteidigungsministerium mit. Das russische Militär habe den Frachter mit Hilfe eines Ka-29-Hubschraubers geentert. Nach einer Inspektion durch das russische Militär sei das Schiff weitergefahren.
Der ukrainische Donau-Hafen Ismajil an der Grenze zu Rumänien ist der wichtigste Exporthafen für ukrainisches Getreide, seitdem Russland im vergangenen Monat aus dem Getreideabkommen für den Export durch das Schwarze Meer ausgestiegen ist. Seitdem hat Moskau verstärkt Häfen in der südukrainischen Region Odessa angegriffen, die für die sichere Ausfuhr ukrainischen Getreides über das Schwarze Meer von zentraler Bedeutung waren.
Kiew will deutsche Marschflugkörper
Die ukrainische Regierung hat nochmals bekräftigt, dass sie deutsche Taurus-Marschflugkörper für die Verteidigung gegen Russland brauche. Nur so könnten "mehr Leben ukrainischer Soldaten und Zivilisten gerettet und die Befreiung ihrer Gebiete" beschleunigt werden, sagte Außenminister Dmytro Kuleba der "Bild am Sonntag". Die Formel sei einfach: "Eine größere Reichweite der Raketen bedeutet eine kürzere Dauer des Krieges." Mit der Waffe könne die Ukraine "die russischen Besatzungstruppen auf ukrainischem Boden weit über die Frontlinie hinaus erreichen, ihre Logistik stören und Kommandozentralen und Munitionsdepots zerstören".
Auch in Deutschland war der Druck auf Kanzler Olaf Scholz bei diesem Thema zuletzt gestiegen. Politiker aus den Regierungsparteien und der Opposition forderten, den ukrainischen Streitkräften das für die Zerstörung von Bunkern und geschützten Gefechtsständen auf bis zu 500 Kilometer Entfernung geeignete Waffensystem zu überlassen. Befürworter sehen darin einen weiteren deutlichen Schritt, um die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine zu stärken.
Kritisch diskutiert wird, ob und wie mögliche Schläge gegen russisches Staatsgebiet verhindert werden können. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatte Anfang des Monats gesagt, der Zeitpunkt für eine Entscheidung sei noch nicht gekommen.
Kuleba versicherte, Bedenken, die Ukraine könne Taurus gegen Ziele auf russischem Boden einsetzen, seien unbegründet.
Scholz legt sich bei Taurus-Lieferung nicht fest
Bundeskanzler Olaf Scholz schließt die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine nicht aus. "Wir werden es uns weiter schwer machen", sagte Scholz im ZDF-Sommerinterview für "Berlin direkt" auf die Frage, ob er der Lieferung der Raketen mit einer Reichweite von bis zu 500 Kilometern zustimme. Jede Entscheidung werde sehr sorgfältig abgewogen. Er sei sicher, dass es die große Mehrheit der Bürger es richtig fände, dass man Entscheidungen sorgfältig abwäge und nicht jedes Mal sofort springe, wie jemand irgendwo eine Forderung erhebe.
Großbritannien und Frankreich liefern der Ukraine bereits Raketen mit größerer Reichweite, die USA aber nicht. Auf die Frage, ob die Bundesregierung einer Lieferung zustimme, wenn die Reichweite eingeschränkt werde, um Angriffe auf russisches Territorium zu vermeiden, sagte Scholz: "Wir beschäftigen uns mit all den Fragen."
Lob für Treffen in Saudi-Arabien
Der Bundeskanzler nahm im Interview auch Stellung zu dem Ukraine-Treffen in Saudi-Arabien vom vergangenen Wochenende. Dieses sei "sehr wichtig" gewesen. Dies sei allerdings "wirklich erst der Anfang, leider".
Trotzdem seien die Gespräche auf Ebene außenpolitischer Berater etwas ganz Besonderes. Es hätten mehr Länder teilgenommen, darunter auch China, sagte der Kanzler mit Blick auf ein ähnliches Treffen in Kopenhagen im Juni. "Deshalb macht es Sinn, dass wir diese Gespräche fortsetzen, weil sie ganz konkret den Druck darauf erhöhen, dass Russland einsieht, dass es einen falschen Weg eingeschlagen hat und Truppen zurückziehen muss, und ein Frieden möglich wird".
Selenskyj dankt Deutschland
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat der Bundesregierung für die beiden weiteren Abschussrampen des Flugabwehrsystems Patriot gedankt. "Das ist sehr wichtig", sagte Selenskyj in seiner abendlichen Ansprache. "Danke! Danke, Deutschland. Danke an die Menschen", sagte Selenskyj - und fügte an Bundeskanzler Olaf Scholz gerichtet hinzu: "Danke dir, Olaf!"
Die Lieferung der neuen Patriot-Systeme durch Deutschland war vor wenigen Tagen bekannt geworden. Für die Ukraine sind die in den USA produzierten Patriots besonders wertvoll, weil sie nach Angaben aus Kiew schon mehrmals auch russische Hyperschallraketen abgefangen haben.
Jede Stärkung der ukrainischen Luftverteidigung bedeute die Rettung Tausender Menschenleben, betonte Selenskyj. Die jüngste Lieferung Deutschlands umfasste auch zehn weitere Mehrzweck-Kettenfahrzeuge Bandvagn 206, sechs Schwerlastsattelzüge sowie etwa 6000 Schuss Nebelmunition für Artilleriegeschütze mit Kaliber 155 Millimeter. Weiter stellte Deutschland Maschinengewehre, Schießbrillen, Ferngläser und Material zum Minenräumen zur Verfügung.
Neben Hilfe bei der Luftabwehr sei Unterstützung bei der Minenräumung derzeit besonders wichtig, sagte Selenskyj. Aufgrund von Minen und nicht explodierter Munition seien derzeit rund 174.000 Quadratkilometer des ukrainischen Staatsgebietes für Menschen gefährlich.
Großbritannien: Wagner-Truppe muss Kosten sparen
Nach dem kurzen Aufstand gegen die russische Militärführung befindet sich die Söldnertruppe Wagner nach britischen Geheimdienstinformationen finanziell unter Druck. Die Wagner-Gruppe stehe wahrscheinlich vor einer Verkleinerung und Umstrukturierung, um in erster Linie Gehaltskosten zu sparen, teilte das britische Verteidigungsministerium in seinem täglichen Geheimdienst-Update auf der Online-Plattform X, die früher Twitter hieß, mit.
Seit dem Aufstand im Juni sei der russische Staat gegen andere Geschäftsinteressen von Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin vorgegangen, berichtete das Ministerium. "Es besteht eine realistische Möglichkeit, dass der Kreml die Gruppe nicht mehr finanziert", hieß es.
Das britische Verteidigungsministerium veröffentlicht seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine täglich Updates zum Kriegsverlauf, die sich auf Geheimdienstinformationen berufen.
Noch keine volle Entwarnung für Gasversorgung im Winter
Trotz gut gefüllter Gasspeicher sieht die Bundesnetzagentur Restrisiken für die Energieversorgung im kommenden Winter. Zwar gebe es nach dem Ausfall des russischen Gases stabile andere Bezugsquellen. "Für eine vollständige Entwarnung wäre es trotzdem verfrüht", sagte Behördenpräsident Klaus Müller der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Zu den Restrisiken zähle ein sehr kalter Winter in Europa. Zudem könnte Russlands Präsident Wladimir Putin den Gashahn für Südosteuropa zudrehen. Ferner blieben Anschläge auf Pipelines als Horrorszenario.
Die deutschen Gasspeicher sind derzeit zu rund 90 Prozent gefüllt - und damit deutlich voller als im Sommer des vergangenen Jahres. Außerdem hätten Industrie und Haushalt ihren Verbrauch gedrosselt, und es müsse weniger Gas an andere Länder durchgeleitet werden, sagte Müller. Gleichwohl werde er "abermals zum Sparen und achtsamen Umgang mit Gas aufrufen, wenn die Heizsaison naht".
se/ack/pg/fab/haz/qu (rtr, dpa, afp)
Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen