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Ukrainische Uni im deutschen Exil

Lisa Weiß8. August 2014

Lange Jahre führte sie ein Schattendasein. Doch seit der Krise in der Ukraine bewerben sich immer mehr Studierende an der Ukrainischen Freien Universität in München. Der politische Konflikt prägt das Hochschulleben.

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Studierende der Ukrainischen Freien Universität in München sitzen im Seminar von Dozent Michael Moser (Foto: Andriy Dovganyuk/UFU)
Bild: Andriy Dovganyuk/UFU

Ein wenig unsicher steht Stephan vor seinen Kommilitonen, umklammert seine Notizen, und atmet erst erleichtert auf, als sein Dozent nickt. Das Referat zum Thema "Der Maidan und sein Einfluss auf die ukrainische Sprache" ist gut angekommen. Stephan hat seinen Vortrag auf Ukrainisch gehalten, der Unterrichtssprache in der UFU, der Ukrainischen Freien Universität.

Die Revolution vom Maidan, die Krise, die aktuelle politische Lage - all das spiegelt sich immer wieder in seinem Unterricht, sagt Dozent Michael Moser, ein gebürtiger Österreicher. Die politische Situation in der Ukraine ist für ihn ein zentrales Thema. "Da geht es für mich auch um Verantwortung, die wir als Menschen haben, die von anderen als intellektuell eingestuft werden."

Der freien Wissenschaft und Lehre verpflichtet

Die UFU ist vom Bayerischen Kultusministerium anerkannt, den Absolventen steht also der deutsche Arbeitsmarkt offen. Und viele haben gute Chancen. Sie arbeiten später zum Beispiel in Unternehmen, die Geschäftskontakte mit der Ukraine oder anderen osteuropäischen Ländern haben, und profitieren davon, dass sie beide Kulturen gut kennen. Bachelorstudiengänge werden aber an der UFU nicht angeboten. Das heißt: Jeder hier hat schon vorher einen Abschluss gemacht; die meisten hatten auch zuvor schon irgendeine Verbindung zu Deutschland, zu München.

Das Gebäude der Ukrainischen Freien Universität in München (Foto: Andriy Dovganyuk/UFU)
Das Gebäude der Ukrainischen Freien UniversitätBild: Andriy Dovganyuk/UFU

Student Taras gehört zu den wenigen Studierenden, die Deutschland vorher kaum kannten. Trotzdem hat er sich nach einem Geschichtsstudium in der Ukraine dafür entschieden, an der UFU weiter zu studieren. "In der Ukraine stand man sehr stark unter dem Einfluss eines Bildungssystems, das noch von der politischen Kultur der Sowjetunion geprägt war", erzählt er. "Ich freue mich, dass ich hier einen alternativen Zugang zu den Themen finden kann, die mich interessieren, einen Zugang, der stärker westlich geprägt ist." Ihm gefällt besonders: Jeder Dozent vertritt hier seine eigene Meinung, scheut sich nicht, politische Themen anzusprechen.

"Wir fühlen uns alle als Ukrainer"

Ein weiterer Pluspunkt für Taras: Er, der selbst aus der Westukraine kommt, hat hier Kontakt mit Studenten aus allen Landesteilen. Man ist nicht immer einer Meinung, sagt er. Sie finden unterschiedliche Gruppierungen und Parteien gut, haben unterschiedliche Vorstellungen, wie man den ukrainischen Staat im Detail verbessern könnte. Aber wirkliche Konflikte gibt es seiner Ansicht nach nicht, denn alle hier fühlen sich als Ukrainer, wollen nicht, dass das Land zerfällt. Viele haben die Protestierenden auf dem Maidan von München aus unterstützt, dann Spenden für die ukrainische Armee gesammelt.

Studierende der Ukrainischen Freien Universität München (Foto: UFU München)
An der Uni finden die Studierenden auch Kontakt zu Kommilitonen aus anderen Teilen der UkraineBild: UFU München

Taras' Kommilitonin Katarina nickt. Sie selbst kommt aus Lugansk in der Ostukraine, wo prorussische Separatisten eine eigene Volksrepublik ausgerufen haben, ihre Muttersprache ist Russisch. "Wir diskutieren hier viel, und ich merke, dass meine Meinung sich ändert", sagt Katarina. "Ich dachte zum Beispiel, dass alle Westukrainer russischsprachigen Menschen gegenüber feindlich gesinnt sind. Aber jetzt verstehe ich, dass das gar nicht stimmt". Zuhause, in der Ostukraine, sei es schwer, an unabhängige Information zu kommen, fügt sie hinzu. Oft hört man nur russische Propaganda.

600 Euro für ein Studiensemester

Katarina ist im ersten Semester an der UFU, in der Ukraine hat sie unter anderem Deutsch studiert, danach ein Freiwilliges Soziales Jahr in München gemacht. Ihr Deutsch wäre gut genug, um auch an einer deutschen Universität studieren zu können, ganz ohne Studiengebühren. Aber sie will mehr über die ukrainische Kultur, die ukrainische Geschichte erfahren - das ist ihr ein persönliches Anliegen. Deshalb studiert sie an der UFU, wo sie für jedes Semester, in dem sie Kurse besucht, 600 Euro zahlen muss. Wenn man nur noch seine Master- oder Doktorarbeit schreiben will, sind es immerhin noch 300 Euro. Katarina hat deshalb wie fast alle ihrer Kommilitonen einen Nebenjob.

Ukrainische Freie Universität in München (Foto: Andriy Dovganyuk/UFU)
Die politische Situation in der Heimat schweißt zusammenBild: Andriy Dovganyuk/UFU

Die Uni braucht die Studiengebühren, um sich finanzieren zu können. Denn vom ukrainischen Staat erhält die UFU keine Unterstützung - und auch aus Deutschland fließen seit dem Ende des Kalten Krieges keine Gelder mehr. Dass wegen der Krise in der Ukraine mehr Menschen für die Ukrainische Freie Universität spenden, hat sich nicht bewahrheitet, sagt Rektorin Yaroslava Melnyk. Dafür wollen angesichts des Konflikts immer mehr Ukrainer an der UFU studieren. Für die meisten Studierenden, die schon da sind, ist momentan klar: Wenn die Lage in der Ukraine so bleibt, werden sie nicht nach Hause zurückkehren, obwohl ein Abschluss der UFU von ukrainischen Arbeitgebern sehr geschätzt wird.