Ukrainischer Außenminister zu Gast bei EU und NATO
2. Februar 2006"Dies war nicht nur das Treffen zwischen einem Minister und der Kommissarin, sondern das Treffen zwischen wirklichen Freunden." Mit diesen Worten sang der ukrainische Außenminister das hohe Lied der Freundschaft. Doch hinter den Kulissen gab es Dissonanzen. Denn Borys Tarasjuk hatte im Europäischen Parlament erneut verlangt, nach 2008 müsse die EU mit seinem Land über einen Beitritt verhandeln.
EU will sich nicht festlegen
Kurz nach der orange Revolution vor gut einem Jahr hatte Präsident Wiktor Juschtschenko die Mitgliedschaft in der EU als Ziel seiner Außenpolitik festgelegt. Doch die Europäer zögern, die Freundschaft hat Grenzen. Erst einmal wird ein Aktionsplan abgearbeitet, der die Ukraine näher an die europäischen Institutionen heranführt.
Die Reform-Schritte gehen zügig voran, bestätigte die EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner, deshalb wolle man noch in diesem Jahr, nach den Parlamentswahlen am 26. März, mit den Verhandlungen über ein Assoziationsabkommen beginnen. Ferrero-Waldner sagte: "Wir werden in Zukunft einen erweiterten Vertrag haben, der zum Beispiel eine Freihandelszone einschließt. Aber die Nachbarschaftspolitik zielt nicht auf volle Mitgliedschaft ab. Für die weitere Zukunft können wir uns nicht für immer festlegen. Das ist unsere Position."
Kommt der visafreie Reiseverkehr?
Da er einsah, dass er keine weiteren Zusagen von den erweiterungsmüden Europäern bekommen kann, gab sich Borys Tarasjuk versöhnlich: "Ich möchte sagen, dass wir mit der erreichen Zusammenarbeit im Jahr 2005 vollauf zufrieden sind", sagte der ukrainische Außenminister.
Immerhin werden Verhandlungen über Reise-Erleichterungen und ein Rücknahme-Abkommen für illegale Flüchtlinge wohl im März abgeschlossen werden. Das ist Voraussetzung für ein Ende der Visum-Pflicht für Ukrainer, die in die EU einreisen wollen. Dazu sagte Borys Tarasjuk: "Der visafreie Reise-Verkehr bleibt das Ziel für die Ukraine und die EU. Darüber sind sich die Delegationen einig, aber das braucht noch viel Zeit und große Anstrengungen."
Sorge um russisch-ukrainische Beziehungen
Mit Sorge verfolgt die EU-Kommission die jüngsten Spannungen zwischen Russland und der Ukraine. Nach der Krise um Gas-Preise Anfang des Jahres hat Russland jetzt den Import von Geflügel und Milch-Produkten gestoppt - angeblich aus hygienischen Gründen. Das Import-Verbot betrifft auch EU-Güter, die durch die Ukraine transportiert werden. EU-Kommissarin Benita Ferrero-Waldner zeigte sich besorgt und appellierte an Russland: "Wir ermuntern die betroffenen Behörden, sich zusammen zu tun und zu versuchen einen Ausweg aus der Sackgasse zu finden, genauso wie man den Streit um Gas-Lieferungen gelöst hat."
Sorge macht der EU auch die Sicherheit der Gas-Lieferungen nach Europa, die durch die Ukraine geleitet werden, besonders nachdem die ukrainischen Gas-Versorger eingeräumt haben, dass sie während der momentanen Kälte-Welle aus den Transit-Leitungen mehr Gas entnommen haben, als ihnen zustand. Die EU hofft nun auf eine stabile Regierung in der Ukraine nach den Wahlen im März, mit der den Verhandlungen neuer Schwung gegeben werden kann.
Bernd Riegert, Brüssel
DW-RADIO, 1.2. 2006, Fokus Ost-Südost