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Eine Wette um Leben und Tod

6. Dezember 2010

Die ZDF-Show "Wetten dass …?" wurde abgebrochen, weil ein Wettkandidat verunglückte. Es war der schwerste Unfall in der 29-jährigen Geschichte der erfolgreichsten deutschen TV-Show. Das ganze Land redet darüber.

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Moderator Thomas Gottschalk während der ZDF-Show "Wetten, dass..?" nach einer Unterbrechung zum Publikum (Foto: DPA)
Bild: picture-alliance/dpa

Dass die Verantwortlichen vor und hinter der Kamera nach dem Unfall spontan beschlossen hatten, die Show zu beenden, findet allgemein Zustimmung. Das Marktforschungsinstitut YouGov veröffentlichte am Montag (06.12.2010) eine repräsentative Umfrage, der zufolge 92 Prozent der Befragten sagten, es sei richtig gewesen, die Sendung sofort abzubrechen. Nur jeder 20. hielt diese Entscheidung für nicht richtig.

Die "Westdeutsche Zeitung" stellte fest: "Das Entsetzen wurde zur besten Fernsehzeit in Millionen Wohnzimmer ausgestrahlt. Großeltern, Eltern und Kinder wurden Zeugen, wie Kandidat Samuel wie ein Stein vom Himmel stürzte und regungslos liegenblieb. Dass die verunglückte 'Wetten, dass..?'-Show nicht fortgesetzt wurde, war eine unumgängliche Entscheidung."

Die "Frankfurter Rundschau" formuliert es so: "Es gibt kein gefahrenloses Kokettieren mit den Extremen. Wenn das große Theater der Illusionen misslingt, ist Abbruch und Vorhang die einzige Lösung."

Wie konnte das passieren?

Der Verwaltungsratsorsitzende des ZDF, Kurt Beck (Foto: AP) Forto: AP
Kurt Beck, der Vorsitzende des Verwaltungsrates des ZDFBild: AP

Seit dem Unglück wird die Frage diskutiert, warum eine so gefährliche Wette in der Familienshow am Samstagabend überhaupt ausgespielt werden konnte. Der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Kurt Beck, ist der Vorsitzende des Verwaltungsrates des ZDF. Der Zeitung "Die Welt" sagte der Politiker: "Natürlich müssen wir über die Themen sprechen: Wann werden die Grenzen des Verantwortbaren überschritten? Wie viel Risiko darf man eingehen? Und natürlich müssen wir auch über die Themen Nervenkitzel, Waghalsigkeit und Quote reden."

In der YouGov-Umfrage war auch die Frage gestellt worden, ob ein Zusammenhang zwischen der Präsentation einer so gefährlichen Wette und dem Quotenkampf zwischen den öffentlich-rechtlichen Sendern auf der einen und den privaten Sendern auf der anderen Seite gesehen werde. 30 Prozent antworteten mit "Ja" - zwei Drittel der Befragten vermuten einen solchen Zusammenhang nicht.

Die Rolle des öffentlich-rechtlichen Fernsehens

Wettkandidat Samuel Koch wird bei der ZDF-Sendung "Wetten, dass..?" notärztlich versorgt, waehrend im Vordergrund die Moderatoren Thomas Gottschalk und Michelle Hunziker stehen (Foto: dpa)
Der verunglückte Wettkandidat wird notärztlich versorgtBild: picture-alliance/dpa

Dass Voyeurismus und Sensationsgier der Zuschauer auch in einer familientauglichen Samstagabendshow wie "Wetten dass?" befriedigt werden sollen, steht für viele Beobachter jedoch außer Frage. Der "Kurier" aus Wien kommentiert: "Der Unfall markiert den tragischen Höhepunkte des Quotenkampfs, der seit Jahren zwischen den Sendern tobt. Wer ist grauslicher? Schriller? Spektakulärer? Thomas Gottschalk, nicht bereit, das junge Publikum den Privatsendern zu überlassen, stieg in die Schlacht voll ein."

Die "Braunschweiger Zeitung" geht sogar einen Schritt weiter und stellt gleich das gesamte öffentlich-rechtliche Mediensystem in Frage: "Wenn die Öffentlich-Rechtlichen so besinnungslos nach der Quote gieren wie alle anderen Sender auch, wozu brauchen wir dann noch ein gebührenfinanziertes Fernsehen?"

Das Ende der Show?

Die "Stuttgarter Nachrichten" vermuten ebenfalls den Kampf um eine hohe Einschaltquote als Grund für die waghalsige Wette. Die Zeitung sieht durch den Unfall das Ende der erfolgreichsten Fernsehshow Europas eingeläutet: "Die Quote ist an allem schuld. Doch die Kritiker machen es sich zu einfach. Es gibt zwei Möglichkeiten, auf veränderte Zuschauererwartungen zu reagieren: Man peppt das Programm auf, oder man bietet dem Zuschauer etwas Neues. Fürs ZDF wäre jetzt der Zeitpunkt, 'Wetten, dass..?' sterben zu lassen."

Show-Gastgeber Thomas Gottschalk (Foto: dpa)
Sein Verhalten wird nicht kritisiert, doch seine Zukunft ist ungewiss: Show-Gastgeber Thomas GottschalkBild: picture-alliance/dpa

In der repräsentativen Umfrage des YouGov-Instituts wurde auch die Frage nach der Zukunft von "Wetten, dass …?" gestellt. Dort meinten lediglich 16 Prozent der Befragten, das ZDF solle die Show einstellen. Mehr als 75 Prozent sprachen sich dafür aus, die Sendung weiterhin auszustrahlen.

Beim Fernsehsender selbst wird indes über mögliche Konsequenzen aus dem Unfall nachgedacht. Programmdirektor Thomas Bellut sagte am Tag nach dem Unfall: "Klar ist natürlich, dass wir bei 'Wetten, dass..?' nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Wir müssen und werden bei der Auswahl der Wetten die Lehren aus dem Unfall ziehen."

Autor: Dirk Kaufmann

Redaktion: Kay-Alexander Scholz