Umrisse einer Reform der Energiewende klar
1. Juni 2016Bis weit in die Nacht hinein zogen sich die Verhandlungen zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und den 16 Ministerpräsidenten. "Wir haben eine große Wegstrecke zurückgelegt", sagte die Kanzlerin danach am Mittwochmorgen. Die Gespräche zur Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) wurden dennoch ohne abschließendes Ergebnis vertagt. "Die Umrisse sind deutlich", formulierte es die Kanzlerin.
Eine Einigung gab es nur auf die Grundzüge der künftigen Förderung von Strom aus Wind, Sonne und Biomasse. Demnach stimmen die Länder dem Vorschlag der Bundesregierung zu, die deutsche Ökostromförderung mittels öffentlicher Ausschreibungen zu vergeben. Statt fester und garantierter Abnahmepreise für Ökostrom sollen sich die Produzenten künftig bei Ausschreibungen bewähren. Der günstigste Anbieter bekommt den Zuschlag. Dass die Länder diesen Vorschlag mittragen, leite einen Paradigmenwechsel für die deutsche Energiewende ein, lobte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel. "Nicht mehr der Bundestag, sondern der Markt legt dann künftig die Preise fest."
Obergrenzen für Windkraft-Ausbau an Land weiter umstritten
Weiter umstritten bleiben zwischen Bund und Ländern die Obergrenzen für den Ausbau der Windenergie an Land. Die Bundesregierung will den Ausbau ausbremsen, um parallel dazu den Ausbau von Stromnetzen vorantreiben zu können. "Es geht jetzt darum, dass die Infrastruktur zum Ausbau passt", sagte Gabriel weiter. Sein Vorschlag, diesen Windkraftausbau auf 2500 Megawatt (MW) neuer Windkraft-Leistung pro Jahr zu begrenzen, wurde von den Ländern abgelehnt. Möglicherweise soll die Obergrenze später bei rund 2800 MW neuer Kraftwerksleistung pro Jahr liegen. Offen blieb auch die Ausbaumenge für die besonders in Bayern oft betriebenen Biomasse-Kraftwerke. Beobachter sehen in diesem Punkt ein Indiz, dass das politische Klima zwischen Kanzlerin Merkel und dem bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer angespannt sein muss, wenn es keine Einigungsmöglichkeit in solchen Detailfragen geben kann.
Die Bundesländer einigten sich mit der Regierung weiterhin darauf, dass der Ausbau der Erneuerbaren bis zum Jahr 2025 auf 45 Prozent des Stromverbrauchs begrenzt wird. Dies soll verhindern, dass der Strompreis für Privatverbraucher künftig durch weiter steigende Ökostrom-Abgaben belastet wird. Die Kanzlerin zeigte sich auch hier zufrieden: "Wir bekennen uns zu den Ausbaukorridoren."
Wirtschaftsminister Gabriel führte die schwierigen Verhandlungen auf die Erfolgsgeschichte der Erneuerbaren zurück. "Von diesem Erfolg will jeder etwas haben." Rainer Haseloff, Ministerpräsident des Bundeslandes Sachsen-Anhalt, stellte aber eine Einigung in den kommenden Tagen in Aussicht. "Die Restparameter sind mathematische Übungen." Am 8. Juni soll das Gesetz bereits soweit sein, dass das Bundeskabinett darüber abstimmen kann, kündigte Gabriel an.
Opposition kämpft gegen "Abrissbirne"
Der energiepolitische Sprecher der Grünen, Oliver Krischer, sagte im DW-Interview zu diesem Zeitplan: "Ich habe den Eindruck, dass insbesondere Sigmar Gabriel als Abrissbirne der Energiewende in die Geschichte eingehen will." Aus Sicht der Grünen stimmt der Kompass der Reform auch nach diesem Treffen weiter nicht. Wind- und Solarparks produzierten den günstigsten derzeit eingespeisten Strom, so Krischer. Wenn die Stromversorgung treurer geworden sei, dann wegen Kohle- und Atomstrom, der die Netze blockiert und eine vollständige Nutzung des Grünstroms verhindert.
Bevor das Ringen um die Energiewende in die nächste Runde geht, wollen Umweltverbände, Gewerkschaften und Bauernverbände Stimmung gegen die Finalisierung der Reform machen. Unter dem Motto "Energiewende retten" gehen sie am Donnerstag auf die Straße. Hermann Falk, Geschäftsführer des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE), gibt den Ton für die Veranstaltung vor. "Es ist Paradox, dass wir Deutschen wieder einmal einen weltweiten Trend auslösen und dann, wenn sich eine entsprechende Wirtschaftsbranche positiv entwickelt, steigen wir aus und überlassen den Markt Anderen."