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Umweltbundesamt: "Fahrverbote werden wahrscheinlich"

1. Februar 2018

Die Luft ist in Deutschland besser geworden. Trotzdem gibt es noch zu viele Stickoxide aus Diesel-PKW. "Ich sehe kaum Möglichkeiten an einigen Fahrverboten vorbeizukommen", sagt Ute Dauert vom Umweltbundesamt.

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Symbolbild Gesundheit Abgase Luft
Bild: picture alliance/WILDLIFE/C.Heumader

Deutsche Welle: Frau Dauert, Sie sind Expertin für Luftqualität beim Umweltbundesamt und haben den aktuellen Bericht zur Luftqualität 2017  für Deutschland erstellt. Was sind die Ergebnisse?

Zunächst gibt es eine gute Nachricht: Im Jahr 2017 ist die Belastung mit Stickstoffdioxid deutlich zurückgegangen. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings stellen wir auch fest, dass nach vorläufigen Zahlen an zirka 46 Prozent der verkehrsnahen Messstationen die Grenzwerte überschritten werden.

Was sind die Gründe für den Rückgang der Belastung?

Das müssen wir in den nächsten Monaten noch intensiver untersuchen. Wir gehen jetzt davon aus, dass eine Mischung von verschiedenen Effekten zu diesem Rückgang geführt hat. Es gab Software-Updates bei Diesel-PKW, Rückkäufe von Fahrzeugen und Maßnahmen auf lokaler Ebene wie Tempolimits in den Städten. Zudem wissen wir, dass es eine Verschiebung bei den Zulassungen gibt, einen Trend zu mehr Benzin-Pkw.

Ute Dauert
Ute Dauert, Expertin für Luftqualität beim UBABild: UBA

Was bedeuten diese Werte für Menschen in den belasteten Städten?

Wir gehen davon aus, dass noch immer in zirka 70 Städten die Grenzwerte überschritten werden. Das ist natürlich eine gesundheitliche Belastung für alle Bewohner und besonders für Asthmatiker. Es muss also dringend etwas getan werden, um wirklich überall die Grenzwerte einzuhalten. Auch muss man sich deutlich machen, dass diese Grenzwerte bereits seit 2010 hätten eingehalten werden müssen.

Welche Maßnahmen müssen jetzt folgen, damit die Luft ausreichend sauber ist und Menschen nicht mehr leiden?

Wir haben uns die Beschlüsse des Dieselgipfels vom Sommer 2017 angeschaut und eine Abschätzung gemacht. Wir konnten feststellen, dass Updates der Software und Rückkäufe eine Entlastung bringen, allerdings nicht in dem Maße, dass zeitnah wirklich die Grenzwerte eingehalten werden können. Das heißt: Es bedarf weiterer Maßnahmen und die sehen wir vorrangig in der Nachrüstung der Diesel-Fahrzeuge, die jetzt auf der Straße unterwegs sind.

Dieselfahrzeuge haben viel zu hohe Emissionen. Da muss man ansetzen, um das Problem flächendeckend und auch dauerhaft wirklich zu lösen. Die Grenzwerte müssen endlich eingehalten werden, damit die Menschen in den Städten richtig aufatmen können.

Das heißt Nachrüstung mit entsprechender Hardware, mit Katalysatoren, so dass die Grenzwerte auch auf der Straße eingehalten werden?

Genau. Das ist aus unserer Sicht dringend erforderlich. Die Updates der Software bringen etwas. Wenn wir uns dann aber Städte anschauen wie Stuttgart und München, wo wir einen Jahresmittelwert feststellen im Bereich von 80 Mikrogramm NO2 pro Kubikmeter Luft und die Grenze bei 40 Mikrogramm liegt, dann merkt man schon rechnerisch, dass dort mehr passieren muss.

Infografik Mehr Stickoxide als erlaubt bei PKWs
Luftverschmutzer Diesel-PKW: Die vorgeschriebenen Grenzwerte werden um ein vielfaches überschritten.

Sind Nachrüstungen beim Diesel-PKW technisch möglich?

Ich bin keine technische Expertin aber meine Kollegen empfehlen das. Deshalb gehe ich davon aus, dass es technisch möglich ist.

Wenn mit einer entsprechenden Nachrüstung alle Fahrzeuge die vorgeschriebenen Grenzwerte auf der Straße auch einhalten würden, wäre dann das Problem gelöst und wir hätten saubere Luft, weniger Kranke, weniger Arztkosten und weniger Todesfälle?

Man kann davon ausgehen, dass dann die Grenzwerte in den Städten auch eingehalten werden. Aber wir sollten nicht nur an die Stickoxide denken. Wir müssen auch die anderen Schadstoffe aus dem Verkehr im Blick haben.

Wir haben zum Beispiel das Problem von Feinstaub, der durch den Abrieb von Reifen und Bremsen entsteht. Auch das muss man betrachten und in einem Gesamtpaket die Mobilität in den Städten neu überdenken. Wir müssen Konzepte für den Nahverkehr stärken und so für Entlastung sorgen.

Infografik Todesfälle durch Stickoxide aus Dieselautos DEU
Die Menschen in Europa sind am stärksten von Stickoxiden aus von Diesel-PKW betroffen.

Welche Empfehlung geben Sie jetzt der Politik?

Unsere Empfehlung ist Nachrüstung von Dieselfahrzeugen mit entsprechenden Katalysatoren. In den Städten müssen die Verantwortlichen überlegen, auch Busse und Taxen nachzurüsten oder Fahrzeuge mit alternativen Antrieben anzuschaffen.

Auch kann jeder Bürger etwas tun: Beim Neukauf zum Beispiel ein möglichst sparsames, kleineres Auto kaufen, ein Auto mit Hybridantrieb, mit Gas, Benzin oder wirklich saubere Diesel.

Das alles zusammen wird dann hoffentlich dazu beitragen, dass wir in den Städten auch die Grenzwerte einhalten und damit auch die Gesundheit der Menschen entsprechend schützen können.

Viele Autobesitzer fühlen sich betrogen. Sie wussten nicht, dass ihre Dieselautos so dreckig sind und werden bisher von der Politik und der Autoindustrie alleine gelassen. Was wäre die Lösung?

Das ist ein Dilemma für die Autofahrer. Wir können das allerdings auch nicht lösen. Ich sehe da ganz deutlich die Autohersteller in der Pflicht, die betroffenen Menschen aufzufangen.

EU-Kommission Luftverschmutzung Demo Greenpeace
Demonstration für saubere Luft vor der EU-Kommission in Brüssel Bild: picture alliance/dpa/E. Metz

Wie schätzen Sie die Entwicklung in den nächsten Monaten ein?

Wir schauen mit Spannung auf den 22. Februar. Das Gericht in Leipzig wird dann darüber entscheiden ob Fahrverbote eine angemessene Maßnahme sind, um möglichst schnell die Grenzwerte einzuhalten. Auch die Europäische Kommission hat ja jetzt noch mal auf die Dringlichkeit hingewiesen.

So wie ich die Situation und die Daten zur Luftqualität einschätze sehe ich in Anbetracht der Höhe der Werte in einigen Städten kaum Möglichkeiten an Fahrverboten komplett vorbeizukommen. Hilfreich wäre für die Städte eine entsprechende Kennzeichnung, um gezielt nur ältere Dieselfahrzeuge auszuschließen und nur moderne weiter in die Städte einfahren zu lassen.

Ute Dauert ist Expertin zur Beurteilung von Luftqualität im Umweltbundesamt (UBA). Die Diplom Meteorologin ist Autorin des aktuellen Berichts zur Luftqualität 2017 in Deutschland.

Das Interview führte Gero Rueter

Infografik Stickoxidausstoß von Euro 6 Diesel-PKW
Nicht alle Dieselfahrzeuge verpessten die Luft: Aktuelle Testliste von der Deutschen Umwelthilfe
Rueter Gero Kommentarbild App
Gero Rueter Redakteur in der Umweltredaktion