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Was wusste die Regierung vom VW-Skandal?

Andreas Becker29. September 2015

Die Bundesregierung behauptet, sie habe erst durch den VW-Skandal von Manipulation von Abgaswerten erfahren. Das stimmt nicht, sagt eine Umweltorganisation.

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Deutsche Umwelthilfe protestiert vor der IAA gegen Luftverschmutzung
Bild: Maximilian Geiß / DUH

Manipulierte Abgaswerte, nicht eingehaltene Grenzwerte für Stickoxide bei Dieselfahrzeugen, nicht umgesetzte EU-Richtlinien zur Luftqualität - die Themen, die mit dem Skandal bei Volkswagen in die Schlagzeilen geraten sind, beschäftigen die Deutsche Umwelthilfe (DUH) schon seit Jahren.

Die Bundesregierung behauptet dagegen, davon nichts gewusst zu haben. Noch am Montag (28.09.2015) ließ Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) durch seinen Sprecher mitteilen, sein Ministerium habe "von den Vorwürfen und den in Rede stehenden Manipulationen am vorvergangenen Wochenende erfahren. Davor hatten wir keine Kenntnisse darüber, dass diese Systeme eingesetzt werden".

Die Deutsche Umwelthilfe meint dagegen belegen zu können, dass das nicht stimmt. Sie veröffentlichte am Dienstag ihre "Chronologie des Kniefalls der Bundesregierung vor den Autokonzernen". Schon vor acht Jahren, zur Eröffnung der Internationalen Automobilausstellung (IAA) im September 2007 in Frankfurt, warnte die DUH davor, dass die Abgaswerte in der Praxis weit über den Testwerten im Labor liegen. Sie erklärte außerdem, dass Autohersteller ihre Werte durch Abschalteinrichtungen manipulieren und nannte das eine "systematische Verbrauchertäuschung".

Bundesregierung seit 2007 informiert?

Jürgen Resch Bundesgeschäftsführer Deutschen Umwelthilfe
Jürgen Resch sieht eine "systematische Verbrauchertäuschung".Bild: picture-alliance/ZB

Die DUH forderte Bundesregierung und Kraftfahrtbundesamt schon damals auf, alle Prüfberichte offenzulegen und die Abgaswerte besser zu kontrollieren. Auch nach 2007 wies die DUH immer wieder auf die Problematik hin und forderte Regierung und Behörden zum Einschreiten auf, sagt DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch.

"Wir haben uns mehrmals an das Verkehrsministerium gewandt. Vor vier Jahren haben wir bereits stark erhöhte Stickstoffdioxid-Messwerte bei Volkswagen Passat mit Abgasnorm Euro 6 festgestellt - also genau das, was Volkswagen jetzt das Genick bricht", sagt Resch im DW-Gespräch. "Die Reaktion der Behörden war gleich Null."

Seit dem Bekanntwerden des VW-Skandals ist das natürlich anders. Verkehrsminister Dobrindt sagte am Freitag (25.09.2015) im Parlament, er habe "strenge Nachprüfungen" bei Volkswagen und anderen Herstellern durch unabhängige Gutachter angewiesen, sowohl auf dem Prüfstand als auch unter realen Verkehrsbedingungen.

Viel Zeit verloren

"Wir erleben jetzt das, was wir uns acht Jahre gewünscht haben", sagt Resch von der Deutschen Umwelthilfe. Doch er wundert sich, warum soviel Zeit verstreichen musste. "Acht Jahre lang hat der jeweilige Verkehrsminister erklärt, dass das Kontrollieren nicht möglich ist. Innerhalb von wenigen Tagen ist es erfreulicherweise doch möglich."

Die Bundesregierung hat sich zum Vorwurf der Umwelthilfe, sie habe vom Betrug bei Abgaswerten gewusst, aber nichts dagegen unternommen, bisher nicht konkret geäußert. Eine entsprechende Anfrage der DW beantwortete das Verkehrsministerium nur mit Verweis auf bereits publizierte Statements: "Dem Bundesverkehrsministerium lagen keinerlei Erkenntnisse über den illegalen Einsatz von Abschalteinrichtungen vor." Über die Manipulationen bei VW habe man erst "durch die öffentlichen Medienberichte Kenntnis erhalten".

Wie sensibel Verkehrsminister Dobrindt allerdings auf solche Vorwürfe reagiert, zeigte er bereits am vergangenen Freitag im Parlament. Dort hatte der Grünen-Abgeordnete Oliver Krischer gesagt, die Regierung habe von den Abgas-Manipulationen gewusst und sie hingenommen. Darauf der Verkehrsminister: "Ihre Verdächtigungen sind falsch. Ihr Verhalten ist unanständig, und Ihr Auftritt hier war ein Minusrekord auf der Skala, lieber Herr Krischer."

"Auto-Lobby sitzt am Kabinettstisch"

DUH-Geschäftsführer Resch wundert es nicht, dass bei der Bundesregierung die Nerven blank liegen. "Die Autoindustrie beeinflusst nicht nur die Gesetzgebung, sondern sie schreibt sie sich gleich selbst." Das belegen laut Resch interne Akten der Bundesregierung zu einem Gesetz, dass Angaben zum Energieverbrauch von Autos regelt. Das Recht auf Einsicht in diese Unterlagen hatte sich die DUH vor dem Europäischen Gerichtshof erstritten.

Auch die verzögerte Umsetzung der EU-Richtlinie 2008/50/EG über saubere Luft, wegen der die EU-Kommission im Juni ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet hat, passt aus Reschs Sicht ins Bild. "Matthias Wissmann (der Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA) - Anm. d. Red.) sitzt eigentlich de-facto als Verkehrsminister mit am Kabinettstisch und entscheidet, wie sich die Bundesregierung in Automobilfragen in Brüssel verhält", so Resch.

Deutsche Umwelthilfe protestiert vor der IAA gegen Luftverschmutzung, Foto: Maximilian Geiß / DUH
Deutsche Umwelthilfe protestiert vor der IAA gegen LuftverschmutzungBild: Maximilian Geiß / DUH

Die Deutsche Umwelthilfe fordert daher "die Teilauflösung des Kraftfahrtbundesamtes (KBA)". Die Behörde ist dem Verkehrsministerium unterstellt und auch für die Betriebsgenehmigung für Autos zuständig. Stattdessen solle zur Einhaltung der Abgas- und Verbrauchswerte in Deutschland eine "unabhängige Überwachungsbehörde nach dem Vorbild der Umweltkontrollbehörde EPA in den USA" geschaffen werden, so die DUH.

Eine Anfrage der DW ließ das Kraftfahrtbundesamt unbeantwortet. Auch das Presseamt der Bundesregierung reagierte nicht auf die schriftliche Bitte um Stellungnahme.