Hendricks geht mit Autoindustrie ins Gericht
27. Juli 2017Bundesumweltministerin Barbara Hendricks ist ungewöhnlich hart mit der deutschen Autobranche und der Beziehung zwischen Politik und Herstellern ins Gericht gegangen. Die Vorwürfe zu möglichen illegalen Kartellabsprachen hätten weiteres Vertrauen zerstört, sagte die SPD-Politikerin in Wolfsburg nach einem Gespräch mit VW-Konzernchef Matthias Müller. Es gebe "offenbar hier oder da Missstände im Management" der Autobauer.
Die Nähe zwischen Politik und Industrie sei "zu groß" gewesen, sagte Hendricks weiter. Dies habe dazu geführt, dass die Autobranche sich zu sicher gefühlt habe. "Es ist wohl so, dass der Staat es in der Vergangenheit zu häufig an Distanz zur Automobilindustrie hat mangeln lassen." Daher sei der Staat nun auch mit in der Verantwortung, verloren gegangenes Vertrauen wieder herzustellen.
"Beim Dieselskandal wurde Ingenieurskunst falsch mobilisiert"
Die Autoindustrie wiederum habe sich in der Vergangenheit immer wieder gegen strengere Umweltstandards gewehrt und vor einem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit gewarnt. "In der Realität ist sie dann aber nie eingetreten", sei es beim Rußpartikelfilter oder beim Katalysator. Die Ingenieure hätten immer wieder Lösungen gefunden. "Beim Dieselskandal wurde diese Ingenieurskunst sozusagen falsch mobilisiert, um es mal vorsichtig auszudrücken", so Hendricks weiter.
Als Konsequenz aus dem Skandal forderte die Ministerin, die Zuständigkeiten für die Zulassung von Fahrzeugen und die Kontrolle der Emissionsvorschriften zu trennen. "Ich halte es für erforderlich, dass wir eine Kontrollbehörde in einem anderen Ressort zusätzlich ansiedeln müssen." Dafür käme etwa das Umwelt- und Verbraucherschutzministerium in Frage.
Fahrverbote weiter nicht ausgeschlossen
Hendricks hält auch - trotz geplanter Nachbesserungen bei der Abgasreinigung von Diesel-Autos - Fahrverbote weiter für möglich. Wenn die Grenzwerte für Stickoxide überschritten würden, seien sie als letztes Mittel notwendig. Mit Verbesserungen der Software der Autos könne man nur Teilverbesserungen erreichen, so die Sozialdemokratin. Ihr im Frühjahr formuliertes Ziel, den Stickoxid-Ausstoß der Diesel-Flotten insgesamt um mindestens die Hälfte zu senken, sei weiter "anzustreben".
VW-Chef Müller kündigte seinerseits bei dem Treffen an, dass sein Konzern beim Dieselgipfel in der kommenden Woche die Nachrüstung von insgesamt vier Millionen Fahrzeugen anbieten werde, um dadurch Emissionen deutlich zu reduzieren. Konzernkreisen zufolge sind darin die bereits bestehenden Rückrufe mit eingerechnet. So hat die VW-Tochter Audi bereits die Umrüstung von bis zu 850.000 Fahrzeugen angekündigt. Man brauche auch in Zukunft saubere und effiziente Verbrennungsmotoren, damit die Mobilität bezahlbar sei, sagte Müller. Er hoffe, dass der Dieselgipfel am 2. August zur Versachlichung der Debatte beitragen werde.
sti/rb (dpa, rtr)