UN prangern Angriffe auf Zivilisten an
6. September 2016Mehr als 600.000 Zivilisten in belagerten Orten in Syrien sind von jeglicher humanitärer Hilfe abgeschnitten. Die UN-Ermittler kommen zu dem Schluss: Überall im Land wird die Belagerung und Aushungerung von Wohngebieten als Kriegstaktik angewendet. Bei der Vorstellung ihres Berichts in Genf hält die vom UN-Menschenrechtsrat eingesetzte Untersuchungskommission fest, dass sich sämtliche Konfliktbeteiligten der Kriegsverbrechen schuldig gemacht hätten.
"Angriffe von beiden Seiten haben unzählige Zivilisten getötet und verstümmelt, unter ihnen viele Kinder", führte Kommissionsleiter Paulo Pinheiro aus. Als Beispiele begangener Kriegsverbrechen nannte er Attacken auf medizinische Einrichtungen wie Entbindungsstationen, Kinderstationen und Notaufnahmen, die Blockade humanitärer Konvois, Verschleppungen, Folter und willkürliche Hinrichtungen.
Mutmaßliche Kriegsverbrecher aufgelistet
Fünf Listen mit mutmaßlichen Verbrechern erstellte die Kommission. Diese Listen, die beim UN-Hochkommissar für Menschenrechte lagern, sollen laut Pinheiro dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag oder einem speziellen Syrien-Tribunal übergeben werden. Namen möglicher Täter wollte die Kommission nicht nennen.
Seit 2011 sammeln die Experten im Auftrag des UN-Menschenrechtsrates Beweise für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Syrien. Ihr jüngster Lagebericht umfasst den Zeitraum von Januar bis Juli 2016. Da sie in Syrien nicht ermitteln darf, ist die Kommission auf Gespräche mit Flüchtlingen, Deserteuren und anderen Zeugen außerhalb Syriens angewiesen. Die Fachleute führten rund 4600 Interviews.
Hoffnung auf Waffenruhe schwindet
Die Ermittler machen die Truppen des Diktators Baschar al-Assad, aber auch Rebellen für die Taten verantwortlich. Zusätzlich verschlimmert werde die Lage durch die Selbstmordattentate der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS), die in den vergangenen Monaten eroberte Gebiete an andere Konfliktparteien verloren hat.
Pinheiro beklagte, es gebe "keine Anzeichen für ein Nachlassen der erbarmungslosen Angriffe auf Zivilisten und der Belagerungen, so dass die Menschen so gut wie keine Hoffnung auf Frieden mehr haben". Die Ende Februar vereinbarte Waffenruhe sei längst einem "tragischen Anstieg der Gewalt" gewichen.
uh/wl (dpa, epd)