UN-Experte: "Rekord-Zunahme beim Opiumanbau"
16. Februar 2014DW: Die USA und Europa fürchten sich vor einer wahren Heroin-Flut auf ihre Märkte - wo kommt die Droge her?
Yuri Fedotov: Es gibt verschiedene Quellen für das Heroin. In Europa kommt es meist aus Afghanistan, das fast 80 Prozent des Opiums und Heroins weltweit herstellt. Die vergangenen Berichte des UNDCP zeigen, dass wir hier eine beispiellose Zunahme sowohl beim Anbau als auch in der Produktion verzeichnen. Insgesamt wird auf rund 200.000 Hektar Schlafmohn gesät. Eine solch große Anbau-Fläche hat es noch nie gegeben - selbst nicht in den Produktionsjahren 2007 und 2009, die die bisherigen Höhepunkte markieren.
Hersteller und Händler scheinen sich sicher zu sein, dass es für ihr Heroin auch entsprechende Nachfrage geben wird. Ziel ist vor allem Europa, aber auch Afrika. Dort wurde laut unserem jüngsten Bericht neben Kokain auch immer mehr Heroin sicher gestellt, das die transatlantische Route von Südamerika nach Europa durch Westafrika nehmen sollte. Kleinere Mengen Heroin könnten auch die Vereinigten Staaten erreichen, aber wir glauben nicht, dass dies der Hauptweg in die USA ist.
Der Heroin-Konsum in den USA hat sich in den vergangenen Jahren um 80 Prozent gesteigert. Angesichts all der Mühe, die in die Drogenkontrolle gesteckt wurde - bedeutet das nicht, dass die Politik an dieser Stelle versagt hat?
In den Vereinigten Staaten hat es in den vergangenen Jahrzehnten einen enormen Rückgang beim Kokain-Konsum gegeben. Es gibt also Ergebnisse. Auf der anderen Seite gibt es natürlich den besorgniserregenden Trend hin zu Heroin und verschreibungspflichtigen Opioiden. Es müssen also weitere Anstrengungen unternommen werden, um dieses Phänomen zu verstehen und geeignete Maßnahmen ergreifen.
Afghanistan ist die Hauptquelle für die Mohnernte, die schließlich zu Heroin verarbeitet wird. Was bedeutet der Abzug internationaler Truppen für die Heroin-Märkte in Westeuropa?
Die ganze Situation ist wegen des politischen Übergangs kompliziert. Die Drogenproblematik sollte auf jeden Fall weiter beobachtet werden - sie betrifft nicht nur die Gesundheit der Konsumenten weltweit, sondern auch im Land selbst: Afghanistan hat die weltweit höchste Suchtrate für Opium und Heroin. Hinzu kommt, dass der Drogenanbau auch viele weitere Probleme schafft, wie etwa Korruption oder Instabilität.
Glauben Sie denn, dass sich die Produktion noch weiter erhöhen könnte?
Wenn die internationale Gemeinschaft das Drogen-Problem nicht ernst nimmt und Afghanistan in dieser Übergangszeit nicht unterstützt, könnte es passieren.
Das selbst erklärte Ziel der UN ist es, den Bauern in Afghanistan oder auch anderswo Alternativen zum Drogenanbau zu bieten. Diese Politik wird bereits seit einiger Zeit verfolgt - funktioniert sie denn?
Für eine erfolgreiche alternative Entwicklung brauchen wir zwei Dinge: Erstens politisches Engagement der Regierung und der internationalen Gemeinschaft und zweitens eine ausreichende Finanzierung. Die Finanzierung darf sich nicht nur auf die Verteilung von Saatgut und Dünger beschränken, sondern muss die gesamte Infrastruktur einschließlich der Vermarktung alternativer Produkte einschließen. In Ländern wie Kolumbien und Thailand hat es bereits funktioniert.
Es gibt auch in Afghanistan ein paar Programme in dieser Richtung, doch bislang sind sie nur der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein. Ich habe in Afghanistan einige Schlafmohn-Bauern getroffen, die sogar bereit wären, zu wechseln. Aber das Problem ist die mangelnde Infrastruktur, es gibt keine Straßen, Brücken oder Marktplätze für den Vertrieb. Das erschwert die Entwicklung alternativer Kulturpflanzen.
Yuri Fedotov ist der Leiter des UN-Büros für Drogen- und Kriminalitätsbekämpfung (UNDCP). Er ist ehemaliger Vize-Außenminister der Russischen Föderation und ehemaliger russischer Botschafter in Großbritannien.