Ban besorgt über Irak
12. Juni 2014Die Terroristen müssten daran gehindert werden, "den Weg zur Demokratie im Irak zunichte zu machen", erklärte Bans Sprecher in New York. Zugleich mahnte er aber an, beim Kampf gegen "Terrorismus und Gewalt" internationales Recht und die Menschenrechte zu beachten. Die Weltgemeinschaft müsse sich zusammenschließen und Solidarität mit dem Irak zeigen, der vor einer ernsten Herausforderung stehe.
Neue Krise im Irak
Die Kämpfer der radikalen Dschihadistengruppe Islamischer Staat im Irak und Syrien (ISIS) haben den Irak mit der Erstürmung großer Landesteile in eine schwere Krise gestürzt. Der Vormarsch löste international Entsetzen und Besorgnis aus. Laut Staatsfernsehen verbuchten die Regierungstruppen bei einer Gegenoffensive Erfolge. ISIS-Kämpfer hatten am Dienstag zunächst die nordirakische Millionenmetropole Mossul nahezu kampflos eingenommen. Im Verlauf des Mittwochs drangen die ISIS-Truppen bis Samara vor, rund 130 Kilometer nördlich von Bagdad. Auf dem Weg wurden die Regionen Ninive, Anbar und Salah ad-Din erobert. Widersprüchliche Angaben gab es am Mittwochabend zu Baidschi und Tikrit.
Das Staatsfernsehen berichtete von der Rückeroberung der strategisch wichtigen Städte durch Regierungstruppen. In anderen Medien hatte es zuvor geheißen, die Orte seien von den Aufständischen besetzt worden. In Mossul flohen rund 500.000 Menschen vor den Extremisten. Sie hätten ihre Wohnhäuser aus Angst vor gewalttätigen Übergriffen verlassen, teilte die Internationale Organisation für Migration (IOM) in Genf mit. Durch Kämpfe habe es unter der Zivilbevölkerung "eine hohe Zahl von Opfern" gegeben.
Machtlos gegen Terroristen?
Die ISIS ist eine der radikalsten islamistischen Gruppen im Nahen Osten. Als "Islamischer Staat im Irak und Syrien" kämpft die Gruppe für einen sunnitischen Großstaat zwischen Mittelmeer und Euphrat. Der irakische Ministerpräsident Nuri al-Maliki nannte Berichte über das Vordringen der Gruppe "Verschwörungen und Falschmeldungen". Die Armee sorge für eine Stabilisierung der Region. Al-Maliki regte zudem die Bildung einer neuen Brigade aus Soldaten und Zivilisten an, die die Terroristen zurückschlagen soll, wie die Nachrichtenseite "Al-Sumaria News" den Ministerpräsidenten zitierte.
Auch die unabhängigen kurdischen Truppen im Norden des Landes, die "Peschmerga", forderte Al-Maliki auf, bei der Gegenwehr zu helfen. In Mossul stürmten die Rebellen das türkische Konsulat und nahmen zahlreiche Geiseln. Der türkische Außenminister Ahmed Davutoglu warnte die Extremisten davor, ihren Gefangenen etwas anzutun. Niemand solle die Stärke der Türkei auf die Probe stellen, sagte Davutoglu.
UN-Generalsekretär Ban forderte die sofortige Freilassung der Geiseln. Eine solche Attacke könne unter keinen Umständen gerechtfertigt werden, sagte er. Die US-Regierung kündigte zusätzliche militärische Unterstützung für den Irak an.
Notstand ausrufen?
Am Donnerstag soll das irakische Parlament über die Forderung Al-Malikis beraten, den Notstand zu verhängen. Damit hätte der umstrittene schiitische Regierungschef mehr Befugnisse, um in den Konflikt mit den sunnitischen Aufständischen einzugreifen. Viele Sunniten fühlen sich benachteiligt durch die schiitisch dominierte Regierung. Schon nach dem Abzug der Amerikaner im Dezember 2011 hatte eine Welle der Gewalt zwischen Schiiten und Sunniten den Irak erschüttert.
Die Terrorgruppe ISIS macht sich diesen Machtkampf zunutze. In einem im Internet kursierenden Propagandamagazin verbreitete die ISIS Bilder von exekutierten irakischen Soldaten und ihren Eroberungszügen. "Al-Malikis tyrannische Stärke ist unserer Frömmigkeit nicht gewachsen", steht in dem Magazin.
Das Auswärtige Amt hat Deutsche zur sofortigen Ausreise aus den Provinzen Ninive, Anbar und Salah ad-Din aufgefordert. Wie das Ministerium am Donnerstag auf seiner Internetseite mitteilte, sei dort "mit bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den Terroristen, den irakischen Sicherheitskräften und Milizen sowie mit schweren Anschlägen zu rechnen." Auch in zwei Provinzen im Nordosten sie die Lage "äußerst besorgniserregend". Im gesamten Land bestehe ein hohes Risiko von Entführungen, schrieb das AA weiter.
nis/haz (dpa, afp, rtr)