UN-Generalsekretär gesucht: Schuften für den Weltfrieden
In New York leben, keine Steuern zahlen und für den Weltfrieden arbeiten? Klingt nach einem Traumjob. Die Bewerbungsgespräche für den höchsten Posten bei den UN vor der Vollversammlung laufen. Frauen bevorzugt.
Die Umstrittene: Irina Bokova
Eine aussichtsreiche Anwärterin ist die Bulgarin Irina Bokova, seit 2009 Generaldirektorin der UN-Kulturorganisation UNESCO. Aus der kommunistischen Elite stammend, studierte Bokova in Moskau am Staatlichen Institut für Internationale Beziehungen, wo auch Russlands Außenminister Lawrow studierte. Die Beziehung nach Moskau könnte ihr helfen. Russland setzt sich für einen UN-Chef aus Osteuropa ein.
Lebenslauf mit "kleinem" Makel
In dem mit Amtsantritt veröffentlichten Lebenslauf bezeichnete sich Bokova als Ex-Außenministerin Bulgariens. Doch das war sie nie. Ihr Büro nannte den falschen Titel einen "Lapsus". Bis zur Bewerbung als UN-Chefin war dies niemandem aufgefallen. Trotz des Schummlers hat sie Chancen. Ihr Vorteil: Erstmals ist in der 70-jährigen Geschichte der UN an der Spitze explizit eine Frau gewünscht.
Die Aussichtsreichste: Helen Clark
Bokovas stärkste Konkurrentin ist die Chefin des UN-Entwicklungsprogramms (UNDP), Helen Clark. Sie bewarb sich als letzte Kandidatin. Doch allein wegen des Frauenbonus' will sie nicht gewählt werden. "Ich möchte, dass Frauen eine faire Chance haben, jede Führungsposition zu erklimmen", sagt sie. Führungserfahrung hat Clark als frühere Premierministerin Neuseelands von 1999 bis 2008 gesammelt.
Harte Führung, klare Linie
Clark, die ihre Partei mit eiserner Hand regierte, war unbestritten die fähigste Politikerin Neuseelands der vergangenen Jahrzehnte. Mit ihrer tiefen Stimme, ihrem Sarkasmus und Wissen machte sie Zwischenrufer nieder. Das meiste Lob von ihren Landsleuten bekam sie, als sie Friedenstruppen nach Afghanistan und Somalia schickte, anstatt sich am Irak-Krieg zu beteiligen.
Die Geradlinige: Vesna Pusic
Kroatien nominierte seine ehemalige Außenministerin Vesna Pusic. Seit 2000 ist sie Mitglied des kroatischen Parlaments und kandidierte 2009 erfolglos für das Präsidentschaftsamt. Die Soziologin gründete Ende der 1970-er Jahre die erste feministische Gruppe im damaligen Jugoslawien und gehörte 1990 zu den Gründungsmitgliedern der linksliberalen Kroatischen Volkspartei.
Die Ambitionierte: Natalia Gherman
Natalia Gherman, Ex-Außenministerin und ehemalige Vizepräsidentin Moldaus, ist weniger bekannt als ihre Konkurrentinnen. Auch sie war in einigen UN-Einrichtungen tätig. In ihrem Motivationsschreiben heißt es: "Ob es um den Kampf gegen Hunger und Krieg geht, um den Schutz der Rechte für alle oder um die Rettung unseres Planeten - eine effektive UN war nie so wichtig und nie so gefragt wie heute."
Der Mahner: António Guterres
António Guterres war bis Ende 2015 UN-Flüchtlingskommissar und hatte Mammut-Aufgaben vor sich. Doch sein Amt beendete er mit einem traurigen Rekord: Erstmals waren weltweit über 60 Millionen Menschen auf der Flucht. Als Präsident des Europäischen Rats Anfang 2000 war er einer der beiden Vorsitzenden des ersten EU-Afrika-Gipfels. Guterres war von 1996 bis 2002 Ministerpräsident in Portugal.
Der Sanfte: Srgjan Kerim
Der mazedonische Ex-Außenminister Srgjan Kerim arbeitete als Botschafter unter anderem in Deutschland. Von 2007 bis 2008 war er Präsident der UN-Generalversammlung. In seinem Bewerbungsschreiben betont er, es sei wichtig, die Souveränität des Individuums zu stärken. Dafür müsse die Menschenwürde in den Fokus gerückt werden. Seine Leidenschaft gilt Gedichten und der Fotografie.
Der Ökonom: Igor Luksic
Er ist der jüngste Kandidat: Igor Luksic. Mit noch nicht mal 40 Jahren hat er eine steile Karriere hingelegt. 2004 war er bereits Finanzminister. Einige Jahre später Ministerpräsident von Montenegro (2010-2012). Er gehört zu dem pro-westlich und pro-NATO Flügel seines Landes. Wirtschaft ist sein Herzblutthema. Als Ausgleich publizierte er Gedichts- und Prosabände wie "Das Buch der Angst".
Der Erfahrene: Danilo Türk
Sloweniens Ex-Staatschef Danilo Türk (2007 - 2012) hat wohl mehr Zeit seiner politischen Karriere in New York verbracht als in seinem Heimatland. Von 1992 bis 2000 war er Botschafter Sloweniens bei den UN. Anschließend wurde er von UN-Generalsekretär Kofi Annan als dessen politischer Assistent berufen. Der Jurist gilt als Aktivist für Menschenrechte - besonders in Konflikten.
Wunsch nach mehr Transparenz
Ende des Jahres scheidet der Südkoreaner Ban Ki Moon nach zwei Amtszeiten von insgesamt zehn Jahren aus. Jetzt beginnt das Auswahlverfahren für die Nachfolge. Von Dienstag bis Donnerstag stellen sich die Kandidaten der UN-Vollversammlung vor. Die wünscht sich explizit eine Frau. Kandidaten aus Osteuropa scheinen gute Chancen zu haben. Vetomacht Russland macht sich für einen Osteuropäer stark.
Der "weltliche Papst"
Der Generalsekretär der Weltorganisation führt einen Apparat mit insgesamt 44.000 Mitarbeitern, reist in Krisengebiete und kommt mit Spitzenpolitikern zusammen. Trotzdem hat er kaum politischen Einfluss und könnte eher als "weltlicher Papst" bezeichnet werden. Die Macht der UN hat der Sicherheitsrat inne - besonders die fünf Vetomächte China, Frankreich, Großbritannien, Russland, USA.
Der Joker: Angela Merkel
Ein Gastkommentar eines ehemaligen Pressereferenten des UN-Generalsekretärs in der New York Times lobt Kanzlerin Angela Merkel als perfekte Nachfolge. Sie sei eine Frau, stamme aus dem ehemaligen Ost-Block, verstehe Russland und könne daher zwischen Russland und den USA vermitteln. Merkel schweigt zu den Gerüchten. Internationale UN-Experten sind sich einig: Merkel wäre die perfekte Kandidatin.
In New York leben, keine Steuern zahlen und für den Weltfrieden arbeiten? Klingt nach einem Traumjob. Zu dem Anforderungsprofil gehören diplomatisches Verhandlungsgeschickt, Bereitschaft zu Reisen ins Ausland und Wochenendarbeit sowie Kenntnisse über aktuelle Ereignisse in der Weltpolitik sind Pflicht. Erfahrungen mit Krisenmanagement und Mitarbeiterführung sind von Vorteil. Die Bewerbungsgespräche für den höchsten Posten vor den 193 Mitgliedern der UN-Vollversammlung laufen. Frauen werden bevorzugt.