UN: Keine Bestätigung für Giftgaseinsatz
10. April 2018In den vergangenen Tagen sind in der Rebellenregion um Duma in Ost-Ghuta Menschen mit Atembeschwerden behandelt worden, wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bestätigte. Ob ihre gesundheitlichen Probleme durch chemische Waffen ausgelöst wurden, könnten die Mitarbeiter vor Ort aber nicht beurteilen, sagte WHO-Sprecherin Fadela Chaib in Genf. Auch Mitarbeiter des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) und das UN-Nothilfebüro (Ocha) haben keine eigenen Erkenntnisse zu einem möglichen Giftgaseinsatz. Ocha-Sprecher Jens Laerke erklärte, die UN-Mitarbeiter seien selbst nicht in der betroffenen Region. Ost-Ghuta, das an die syrische Hauptstadt Damaskus grenzt, sei nach wie vor belagert, UN-Mitarbeiter hätten außer bei den selten erlaubten Konvois mit Hilfslieferungen keinen Zugang.
Die syrischen "Weißhelme" und andere Helfer hatten von einem mutmaßlichen Giftgasangriff in der Nacht zum Sonntag berichtet. Mehr als 150 Menschen sollen dabei getötet worden sein, hunderte verletzt.
Russland ruft Chemiewaffenexperten zu Untersuchungen in Duma auf
Die USA machen die Regierung des syrischen Machthabers Baschar al-Assad für den Angriff verantwortlich. Die Führung in Damaskus bestreitet dies vehement. Der Kreml als Verbündeter Assads erklärte, Rebellen hätten den Angriff lediglich inszeniert.
Russlands Außenminister Sergej Lawrow bekräftigte die Forderung nach Ermittlungen zu den Chemiewaffenvorwürfen. Russland wolle im UN-Sicherheitsrat einen Resolutionsentwurf einbringen, auf dessen Grundlage Experten der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) den Fall untersuchen sollen, sagte er in Moskau. Bislang habe man noch keine Antwort der OPCW auf eine Einladung nach Duma erhalten. Russland, das die Assad-Streitkräfte auch militärisch unterstützt, wies darauf hin, man werde es nicht tolerieren, wenn russische Soldaten auf syrischem Boden gefährdet seien.
US-Präsident Donald Trump hatte zuvor mit einem Militärschlag gedroht. In einem Telefonat stimmte er sich abermals mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron ab. Beide Staatsmänner hätten nochmals ihren Wunsch nach einer entschlossenen Reaktion der internationalen Gemeinschaft bekräftigt, teilte der Élyséepalast in der Nacht zum Dienstag mit. Macron hatte den tödlichen Einsatz von Chemiewaffen mehrfach als "rote Linie" bezeichnet und mit "gezielten Schlägen" gedroht, falls Beweise für einen solchen Fall vorliegen sollten.
Große Sorge vor Flächenbrand
Vor einer internationalen militärischen Konfrontation als Folge des Syrien-Konflikts warnte der UN-Sondergesandte Staffan de Mistura. Eine Eskalation der Spannungen zwischen den Großmächten USA und Russland könnte verheerend sein, mahnte er vor dem UN-Sicherheitsrat.
Syriens Streitkräfte in voller Alarmbereitschaft
Die syrische Armee und ihre Verbündeten im Land wurden in der Nacht zum Dienstag in volle Alarmbereitschaft versetzt. Mehrere Stützpunkte in verschiedenen Landesteilen seien zudem angesichts möglicher Angriffe vorsorglich geräumt worden, berichtete die in London ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Sie bezieht ihre Informationen von Aktivisten vor Ort.
Unterdessen geht der Abzug der islamistischen Rebellen aus dem letzten von ihnen kontrollierten Gebiet in der umkämpften syrischen Region Ost-Ghuta weiter. Innerhalb von 24 Stunden hätten mehr als 3600 Kämpfer und Familienangehörige die Stadt Duma verlassen, teilte das russische Verteidigungsministerium mit. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte erklärte, mehr als 65 Busse seien im Norden Syriens eingetroffen. Die Kämpfer der Miliz Dschaisch al-Islam und ihre Angehörigen sollen dort in der von protürkischen Rebellen kontrollierten Stadt Dscharablus Unterschlupf finden. Die Evakuierung Dumas war unter Beteiligung Russlands ausgehandelt worden.
se/qu (dpa, epd, rtr, afp)