Hitzige Debatten
8. Dezember 2008Vielleicht lässt es sich am Wetter festmachen: Vor einem Jahr schwitzten die Delegationen bei 35 Grad und mehr unter der Sonne Balis. Nach zwei Wochen und einer dramatischen letzten Verhandlungsnacht kamen sie zu einem Ergebnis: In einer Bali-Roadmap wurde der Fahrplan festgelegt hin zu einem neuen Klima-Deal, den die Abgesandten aus aller Welt Ende 2009 in Kopenhagen unterschreiben sollen. Dieser Vertrag soll dem Kyoto-Protokoll nachfolgen, das 2012 ausläuft. Ziel ist eine deutliche Reduzierung der Treibhausgase, um die Folgen des Klimawandels noch beherrschen zu können. Was passiert, wenn dies nicht gelingt, ist hinlänglich bekannt; der Weltklimarat hat das alles in seinem Bericht festgehalten.
Sorgenfalten der Umweltschützer
Hier in Posen schwitzt niemand. Das mag am Wetter liegen – es ist trüb und kalt. Im Konferenzzentrum auf dem Messegelände der Halbmillionenstadt im Herzen Polens geht es gemächlich zu. Das könnte daran liegen, dass am Montag verhandlungsfrei war wegen des islamischen Opferfestes. Aber die aufmerksamen Beobachter der Szenerie – Umweltschützer von Greenpeace, WWF und Germanwatch, die seit einer Woche die Verhandlungen verfolgen - haben tiefe Sorgenfalten im Gesicht. Zwar liegt ein erster Entwurf auf dem Tisch, der zeigt, wie so ein Abkommen aussehen könnte, aber die 80 Seiten sind mehr Wunschliste als realistisches Programm.
Die Positionen liegen oft weit auseinander. Denn schließlich geht es hier auch und vor allem um Gerechtigkeit. Gegenüber denen, die für den Klimawandel nichts können, aber am meisten darunter leiden werden. Und es geht um Vertrauen, denn die Schwellenländer wollen von den Industriestaaten klare Vorleistungen sehen. Da hake es am meisten, sagt Christoph Bals von der Organisation Germanwatch: "Wir sind nicht mit der richtigen Geschwindigkeit nach Kopenhagen unterwegs. Wir haben hier gesehen, dass die zentralen Verhandlungen ins Stocken geraten sind." Ein großes Problem sei, dass die Industrieländer beim Technologietransfer nichts auf den Tisch gelegt hätten. Aber die Schwellenländer hätten erneut ganz deutlich gemacht: Ihr könnt von uns nur ernsthaften Klimaschutz erwarten, wenn wir Zugang zu den Technologien haben, mit dem wir den Klimaschutz machen sollen. "Das hat die Verhandlungen hier enorm gestört", so Bals.
"Im Auge des Sturms"
Schon im Vorfeld waren die Erwartungen gedämpft worden – es könne schließlich nicht immer so dramatisch zugehen wie vor einem Jahr in Bali, hieß es beim Klimasekretariat der Vereinten Nationen. In der Tat: Es ist ein hoch kompliziertes Vertragswerk, "das komplizierteste globale Abkommen aller Zeiten" – so beschreibt es der oberste UN-Klimaschützer, Yvo de Boer. Hier in Posen gab er sich gegenüber DW-WORLD.DE, betont zurückhaltend: "Wir sind im Auge eines Sturms. Also jetzt ist alles ruhig und es ist schwer zu sagen, in welche Richtung es gehen wird", so der Diplomat. Aber die Atmosphäre hier sei jedenfalls gut. "Man will arbeiten, man will vorankommen. Wir werden am Freitag etwas in der Hand haben."
Allerdings hofft de Boer auch auf ein Signal aus Brüssel. Dort, beim EU-Gipfel, geht es ab Donnerstag auch um das Klimapaket der Europäischen Union. Die Angst geht um, dass aus dem ehrgeizigen Paket vom Frühjahr 2007 nur noch ein Päckchen übrig bleibt.
Vorreiter Europa ?
Das wäre ein verheerendes Signal für die Verhandlungen hier in Posen. Die Europäer seien derzeit drauf und dran, ihre Rolle als Vorreiter in Sachen Klimaschutz zu verspielen, heißt es unisono bei den hier versammelten Nicht-Regierungsorganisationen. Um noch einmal Druck zu machen, wollen Umweltschützer am Dienstag während der deutsch-polnischen Regierungsgespräche in Warschau die Bundeskanzlerin an die gegebenen Versprechen erinnern. Jüngste Äußerungen von Angela Merkel, sie werde sich beim EU-Gipfel gegen Klimaschutz-Beschlüsse sperren, die Arbeitsplätze in Deutschland gefährden, sorgten in den Fluren des Konferenzzentrums für Aufregung. In der deutschen Delegation hier in Posen sieht man die Sache gelassener. Man habe eine durchaus konstruktive erste Woche hinter sich, sagt Chef-Unterhändlerin Nicole Wilke.
"Wir sind on track"
Man sei auf jeden Fall auf dem richtigen Weg nach Kopenhagen. Man habe festgelegt, so die Abteilungsleiterin aus dem deutschen Umweltministerium gegenüber DW-WORLD.DE, dass diese Konferenz einen wichtigen Zwischenschritt darstellen wird. Da gehe es nicht um inhaltliche Festlegungen als vielmehr darum, wie man den Prozess für das zweite Jahr der Verhandlungen gestaltet. "Das war so verabredet. Insofern läuft das hier sehr nach Plan. Das kann man natürlich beklagen und kann sich wünschen, dass alles viel schneller geht. Aber es ist alles auf dem richtigen Weg – wir sind on track."
Auf dem Weg nach Posen sind auch die Umweltminister aus 150 Ländern. Sie wollen hier ab Donnerstag ins Geschehen eingreifen. Vielleicht können sie dann noch für etwas mehr Schwung sorgen. Die Entscheidung darüber, ob die Konferenz von Posen ein Erfolg wird, die fällt allerdings in Brüssel auf dem Gipfeltreffen der Europäischen Union.