Palästinenser im Haager Tribunal
7. Januar 2015UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hat das Beitrittsgesuch der Palästinenser zum Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) angenommen. Das teilte Bans Sprecher Stéphane Dujarric in New York mit. Damit könnte das in Den Haag ansässige Gericht ab dem 1. April Verfahren gegen israelische Politiker oder Soldaten aufnehmen, denen in den besetzten Palästinensergebieten Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen werden. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hatte den Antrag für eine Mitgliedschaft in der vergangenen Woche bei den UN einreichen lassen.
Die israelische Regierung blockierte daraufhin die Überweisung von einer halben Milliarde Schekel (gut hundert Millionen Euro) an Steuergeldern, die den Palästinensern zustehen. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu machte deutlich, er werde nicht zulassen, "dass Soldaten oder Offiziere der israelischen Streitkräfte vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag gezerrt werden". Das Beitrittsrecht zum IStGH hatten sich die Palästinenser erworben, als die UN-Vollversammlung ihnen im November 2012 einen aufgewerteten Beobachterstatus als Nicht-Mitgliedstaat der Vereinten Nationen zusprach.
Von Israel, USA, China und Russland nicht anerkannt
Das Haager Strafgericht ist befugt, Prozesse wegen Völkermordes, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen anzustrengen, sofern die Taten nach dem 1. Juli 2002, seinem Gründungstag, begangen wurden. Als Rechtsinstanz anerkannt wird das Gericht inzwischen von 122 Staaten - nicht aber von Israel, den USA, China und Russland. Diese vier Staaten haben die IStGH-Charta, das Römische Statut, zum Teil zwar unterschrieben, aber nie ratifiziert. Das US-Außenministerium erklärte inzwischen, weil die Palästinenser noch keinen eigenen Staat hätten, dürften sie auch nicht dem Strafgerichtshof angehören.
Ein Staat, auch ein Nichtmitglied, kann vom Weltstrafgericht nur belangt werden, wenn der UN-Sicherheitsrat diesen Antrag stellt. Einzelpersonen kann der Gerichtshof aber verfolgen, wenn ihnen Verbrechen vorgeworfen werden, die auf dem Gebiet eines Mitgliedsstaats begangen wurden, oder wenn der Beklagte Bürger eines Mitgliedslands ist.
Israelis wollen ihrerseits den Gerichtshof in Den Haag anrufen, um Palästinenser auf die Anklagebank setzen zu können. Israel wirft militanten Palästinensern vor, mit Raketenangriffen auf israelische Zivilisten Kriegsverbrechen begangen zu haben. Die israelische Organisation Schurat Hadin, die sich für Terroropfer einsetzt, will dafür auch Vertreter der gemäßigten Palästinenserführung in Ramallah zur Verantwortung ziehen.
Treffen der Arabischen Liga
Aus Enttäuschung über das Scheitern einer Nahost-Resolution im UN-Sicherheitsrat hatte Abbas in der Silvesternacht unter anderem den IStGH-Beitrittsantrag unterzeichnet. Der Resolutionsentwurf setzte Israel unter anderem eine Frist von zwölf Monaten, um ein dauerhaftes Friedensabkommen mit den Palästinensern auszuhandeln. Bis Ende 2017 sollte Israel zudem sämtliche Truppen aus dem künftigen palästinensischen Staat abgezogen haben. Angestrebt wurde die Koexistenz zweier unabhängiger demokratischer Staaten mit Jerusalem als gemeinsamer Hauptstadt. Der Entwurf forderte zudem das Ende des israelischen Siedlungsbaus und betonte den illegalen Charakter der Trennmauer.
Die Palästinenser hatten lange keine Bemühungen um einen IStGH-Beitritt unternommen, um einen Neustart der im vergangenen April gescheiterten Friedensverhandlungen mit Israel nicht zu gefährden. Abbas sagte in Bethlehem, die Palästinenser hätten sich an die Vereinten Nationen gewandt, nachdem alle anderen Versuche, zu einer Friedensregelung in der Region zu gelangen, gescheitert seien. Die Mitgliedsländer der Arabischen Liga wollen am 15. Januar zusammenkommen, um das Scheitern der Nahost-Resolution sowie mögliche Konsequenzen zu erörtern.
sti/fab (afp, dpa)