UN-Reform: Angst vor Dreiklassengesellschaft
20. August 2004Als Angebot war das eigentlich nicht gedacht: Im März 2004 verkündete Kanzler Schröder, Deutschland sei bereit, in der UN "mehr Verantwortung zu übernehmen". Es war vielmehr einer von vielen ambitioniert-hoffnungsvollen Anläufen seit der Wiedervereinigung, endlich einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat zu ergattern.
Chance für Deutschland?
Als Generalsekretär Kofi Annan schließlich die Reform der Organisation zu seinem persönlichen Top-Projekt erklärte, schien die große Stunde Deutschlands gekommen. Und die Chancen standen durchaus nicht schlecht: Deutschland ist immerhin der drittgrößte Beitragszahler und der zweitgrößte Truppensteller für militärische Aktionen mit UN-Mandat.
Doch nun drohen die hehren Ziele der Bundesregierung erneut wirkungslos zu verpuffen: Seit Beginn der Woche tagt ein Beratergremium der UN im kalifornischen Palo Alto, das bis Ende August einen Reformentwurf vorlegen soll. Und der soll nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" voraussichtlich gar keine neuen festen Mitglieder vorsehen.
Reformieren, damit sich nichts ändert?
Statt dessen favorisiere das Konzept ein "Drei-Ebenen-Modell": Die fünf ständigen UN-Mitglieder blieben demnach in ihrer Vormachtstellung unangetastet. Länder, wie eben Deutschland oder auch Japan, die seit Jahren um den Aufstieg in den Olymp der internationalen Staatengemeinschaft buhlen, würden für fünf Jahre in eine zweite Ebene gewählt. Der große Rest der Mitgliedsstaaten könnte sich wie bisher um die zweijährige Amtszeit in der dritten Liga rangeln.
Reine Makulatur
Berthold Meyer von der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung kritisiert das Konzept als "Augenwischerei", denn "an der Sonderstellung der Vetomächte wird nicht gekratzt." Manuel Fröhlich von der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen bezeichnet es als "Minimallösung", weil es auf möglichst geringen Widerstand gestrickt sei. Er gibt aber auch zu bedenken: "Letztlich wird es die meisten Mitglieder verprellen; die ambitionierten Staaten, die nicht zu ständigen Mitgliedern aufsteigen und die restlichen, die auch noch in die dritte Liga zurück gestuft werden." Auch rechnet er damit, dass die Auseinandersetzungen zwischen den klassischen Konkurrenten - etwa Italien und Deutschland - dadurch nicht beendet würden.
Wo bleiben die südlichen Staaten?
Ferner erinnert Fröhlich an die eigentliche Intention der Reform, die Legitimität von Entscheidungen durch mehr geografische Ausgeglichenheit im Sicherheitsrat zu erhöhen. Das "Drei-Ebenen-Konzept" würde die südliche Hemisphäre auf die hinteren Ränge verweisen, das Anliegen Annans, den mächtigen Rat der Staatenwelt repäsentativer zu gestalten, wäre verfehlt.
Alternativ favorisiert Meyer für den Fall eines blockierten Sicherheitsrates mehr Kompetenzen für die Generalversammlung oder einen gemeinsamen EU-Sitz im Kreis der ständigen Mitglieder. Das Problem: "Großbritannien und Frankreich werden ihre Plätze nicht aufgeben." Fröhlich hingegen hält eine Erweiterung der der Runde auf zehn für eine weitere Option: Zugunsten von Deutschland, Japan und Vertretern aus Südasien, Afrika und Lateinamerika, auch wenn es dann zu Rangeleien um die Vertretung der Kontinente käme.
Ferner müsse auch das Veto überdacht werden: "Vielleicht könnte man eine Begründungspflicht einführen oder eine Blockierung nur durch zwei Staaten erlauben. Dann hätte man die Brücke zwischen Effektivität bei der Konsensfindung und der Forderung nach mehr Legitimität geschlagen."
Schröder bleibt hartnäckig
Derweil hat der Kanzler ungeachtet der Spekulationen um das Konzept und der Eifersüchteleien aus Italien seine UN- Ambitionen bekräftigt. Und am Mittwoch (19.8.) sprach er Klartext: Deutschland habe "den Anspruch auf einen Sitz", so Schröder.