Und noch ein Nachspiel für Griechenland
25. Juni 2015Er habe so eine Ahnung, sagte Ratspräsident Donald Tusk vor dem Treffen der EU-Regierungschefs, dass das griechische Drama nicht enden werde wie bei Sophokles, sondern dass es ein glückliches Ende gebe. Dabei liegen Tragödie und Komödie in diesem Stück nah beieinander: Am Ende einer Reihe von Chaostagen in dieser Woche lagen den Finanzministern vor dem entscheidenden Gipfeltreffen schließlich zwei Papiere vor. Trotz stundenlanger Gespräche gestern, in der Nacht und am Vormittag zwischen Alexis Tsipras und den Vertretern der Gläubiger konnte man sich nicht einigen.
Die Euro-Gruppe hat zum einen also einen korrigierten Vorschlag auf dem Tisch, der vor allem mit Hilfe des Internationalen Währungsfonds (IWF) zustande kam. Darin sind zwar von den Griechen geplante Steuererhöhungen abgemildert, weil sie das Wachstum behindern, aber bei Renten und Mehrwertsteuer wurden noch einmal ein paar Zugeständnisse an Wünsche aus Athen gemacht. Auf der anderen Seite liegt das Papier der Griechen selbst, das den Ökonomen zu wachstumsfeindlich ist, weil es weniger spart und hauptsächlich auf Steuererhöhungen setzt. Darunter seien auch einige Luftbuchungen, so die Experten. Steuereinnahmen, die wünschenswert, aber im griechischen System kaum umsetzbar seien.
Die Regierungschefs waschen ihre Hände in Unschuld
Die Bundeskanzlerin erteilte dann der griechischen Hoffnung auf eine Lösung heute Nacht im Kreise der Regierungschefs erneut eine Absage: "Der Rat wird sich nicht in die Verhandlungen einmischen", die Institutionen der Gläubiger müssten weiter arbeiten. Nüchtern fügte sie ihre Beobachtung hinzu, dass es wohl nicht den erforderlichen Fortschritt gebe und man an manchen Stellen sogar zurückfalle. Wer Zweckoptimismus sucht, ist bei Angela Merkel falsch.
Da liegt sie ganz auf einer Linie mit ihrem Finanzminister. Der sagte, die Verhandlungen liefen inzwischen im Rückwärtsgang. Der französische Präsident gab sich in seinem Kommentar zwar weniger deutlich, ist aber ebenso wenig bereit, den Knoten persönlich durchzuschlagen: "Eine Einigung ist möglich und notwendig", beschwor François Hollande, aber die Verhandlungsteams müssten jetzt ihre Arbeit machen. Weder Paris noch Berlin scheinen bereit, mit einer sogenannten "politischen Lösung" den Griechen weiter entgegenzukommen, um die Krise zu beenden.
Guter Rat kommt heute zu spät
Im Nachbargebäude, wo seit dem Mittag die Finanzminister tagten, war nach zwei Stunden einmal mehr die Luft raus. Die Euro-Gruppe ging in eine Pause, Griechenland solle einen neuen Vorschlag vorlegen, war zu hören. Unterdessen erklärte der irische Premier Enda Kenny, dass man zwar Sympathie für die griechische Lage empfinde, die Vorschläge zur Überwindung der Probleme aber wirtschaftlich sinnvoll sein müssten.
In Irland habe man während der eigenen Schuldenkrise keine Steuern erhöht, sondern andere Maßnahmen eingeleitet. "Es ist schwierig, einen positiven Effekt durch steigende Steuern und Abgaben zu sehen", sagte der Ire. Außerdem glaubt er nicht, dass die griechische Krise bei diesem Gipfel gelöst werden könne.
Vielleicht - so Kritiker der griechischen Reformpläne - hätte sich Alexis Tsipras rechtzeitig bei Kenny Rat holen sollen. Irland hatte nach der Krise entschlossen die Staatsausgaben beschnitten, Reformen umgesetzt und war schon nach wenigen Jahren zum Wirtschaftswachstum zurückgekehrt. Wobei die Ausgangspositionen der beiden Länder nur schwer vergleichbar sind.
Der griechische Premier jedenfalls schaffte es trotz der verfahrenen Situation, einmal mehr Zuversicht zu verströmen: Er glaube an einen Deal, denn "Europa habe eine Geschichte voller Streitigkeiten, Verhandlungen und Kompromisse". Tsipras ist allerdings noch nicht so lange dabei und weiß daher nicht, dass es aus Sicht vieler noch nie so frustrierend, langwierig und nervenaufreibend war wie im Fall seines Landes.
Gespräche gehen erneut in die Verlängerung
Die Pause nebenan bei der Euro-Gruppe verwandelte sich schnell in eine erneute Vertagung ohne Datum. Der finnische Finanzminister Alexander Stubb, wegen seiner Offenheit bester Freund der Journalisten, twitterte: "Das ist es für heute. Die Institutionen und Griechenland werden weiter arbeiten. Die Euro-Gruppe wird später wiederkommen, aber nicht heute". Hatte nicht der irische Premier schon ein langes Wochenende vorhergesagt? Und tatsächlich: Am späten Abend hieß es dann aus Diplomatenkreisen etwas konkreter, die Euro-Finanzminister wollten am Samstag erneut über die griechische Schuldenkrise beraten.
Gut, dass kaum jemand in Brüssel andere Pläne gemacht hatte. Die Verhandlungen mit Griechenland erfordern inzwischen die Geduld buddhistischer Mönche, das sagen nicht nur die direkt Beteiligten. Für Ratspräsident Donald Tusk gilt der Leitsatz: "Man darf nicht nervös werden". Von Fristen, die am 30. Juni ablaufen, spricht inzwischen niemand mehr.