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Ja zur EU-Reform, aber Digitalsteuer strittig

Barbara Wesel
28. April 2018

Sollen digital operierende Unternehmen europaweit eine Steuer zahlen? Hier sind sich die EU-Finanzminister nicht einig. Dafür wollen Berlin und Paris bei der Euro-Reform an einem Strang ziehen. Barbara Wesel aus Sofia.

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Bild: picture-alliance/NurPhoto/J. Arriens

Olaf Scholz und Bruno Le Maire tun auf ihrer gemeinsamen Pressekonferenz in Sofia ihr Mögliches, um freundschaftliche Verbundenheit zu demonstrieren: "wie Bruno so richtig sagt" und "wie Olaf ja bereits erwähnte". Die Finanzminister Deutschlands und Frankreichs wollen den Eindruck zerstreuen, Berlin wolle alle französischen Vorschläge für eine Reform der Eurozone ausbremsen und habe keine Lust mehr, sich am Projekt von Präsident Emmanuel Macron zu beteiligen.

Weit gefehlt, betont Olaf Scholz: "Es ist sehr wichtig, dass Macron die Initiative ergriffen hat. Es gibt Gemeinsamkeiten." Und man werde Lösungen finden. Sei es bei der Fortentwicklung des Rettungsschirms ESM zu einer Art Europäischem Währungsfonds oder bei der gemeinsamen Letztabsicherung des Banken-Abwicklungsfonds – es werde Erfolge geben. Aber Scholz bleibt alle Einzelheiten schuldig: "Wir denken nach", heißt seine hanseatisch knappe Antwort auf bohrende Fragen.

Bulgarien Informelles Treffen der EU-Finanzminister in Sofia | PK Bruno Le Maire und  Olaf Scholz
Finanzminister Le Maire und Scholz: "Es gibt Gemeinsamkeiten" bei der EU-ReformBild: Getty Images/AFP/STR

Berlin und Paris demonstrieren Verbundenheit

Dein Kollege Bruno Le Maire betont, er sei keinesfalls verärgert oder frustriert von Berlin: "Wir bewegen uns in die gleiche Richtung, für eine stärker integrierte Eurozone. Wir teilen diesen Ehrgeiz. Und wir werden Kompromisse finden über den richtigen Weg." Auch der Franzose widerspricht bei skeptischen Fragen und verneint, dass die gemeinsamen Projekte schon vorbei sein könnten, bevor sie überhaupt begonnen haben.

Olaf Scholz wiederum verspricht noch einmal ausdrücklich, die Regierungen würden bis Juni einen Fahrplan vorlegen. Man arbeite "sehr hart" daran.

Position im Handelsstreit mit den USA

Auch das Thema US-Strafzölle kommt auf. Es gehört im Prinzip nicht zu den Aufgaben der Finanzminister. Olaf Scholz überlässt da der Bundeskanzlerin die Wortführerschaft.

Sein französischer Kollege Bruno Le Maire aber geht noch einmal für die EU auf die Barrikade :"Es gibt keinen Grund, dass die EU solche US-Zölle zahlen muss. Wir sind nicht verantwortlich für Überkapazitäten auf dem Stahlmarkt und wollen nicht zum Kollateralschaden eines Handelsstreits zwischen den USA und China werden. Wir werden nicht unter Druck verhandeln und warten darauf, dass die EU eine dauerhafte Ausnahme erhält." Erst danach sei man bereit, über Ungleichgewichte beim Handel zu reden. Le Maire bleibt ganz auf der europäischen Linie.

US-Präsident Trump unterschreibt Strafzölle umringt von Stahlarbeitern
Reizthema Strafzölle: Bei Trumps Vorstoß fordern die Europäer AusnahmenBild: Reuters/Leah Millis

Digitalsteuer - ja, aber wie?

Zum ersten Mal haben die EU-Finanzminister in Sofia den Plan erörtert, eine Digitalsteuer für im Internet operierende Unternehmen zu erheben. Auf dem Tisch liegt ein Vorschlag der EU-Kommission, wonach pauschal 3% vom Umsatz dieser Digitalunternehmen erhoben werden sollen. Brüssel erhofft sich davon jährliche Einnahmen von rund 5 Milliarden Euro.

Die Steuer soll alle digitalen Unternehmen treffen, die in Europa Geschäfte machen, aber keine versteuerbaren Firmensitze betreiben oder sie in Billigsteuerstandorte verlegen wie Irland oder Luxemburg. Von dort sowie aus Malta und den Niederlanden kam denn auch der größte Widerstand: "Wir müssen das mit den USA diskutieren", forderte der luxemburgische Finanzminister Pierre Gramegna. Das wäre der sicherste Weg, die Idee zu töten.

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International operierende Digital-Riesen besteuern - nur wie?Bild: picture alliance/dpa/AP Photo/L. Schulze/M. Lennihan/M.-J. Sanchez/L. Schulze

Unwillige Steueroasen

Außerdem will die Kommission in Brüssel die Körperschaftssteuer auf digital arbeitende Unternehmen anpassen. Sie sollen auch in Ländern, wo sie keine physischen Niederlassungen haben, zur Steuer veranlagt werden können, wenn sie dort mehr als 100.000 digitale Nutzer haben oder mehr als 7 Millionen Euro erwirtschaften.

Entscheidungen in Steuerfragen sind in der EU die schwierigsten aller Themen, weil sie einstimmig getroffen werden müssen und nationale Interessen immer überwiegen. In der Regel sind solche Projekte deshalb zum Scheitern verurteilt. 

Moralisch-politisches Problem

Hinter der Digitalsteuer allerdings steht mehr politischer Druck als hinter anderen Vorhaben. "Wir müssen unsere Interessen verteidigen", sagt der Franzose Bruno Le Maire. Es dürfe nicht sein, dass kleine und mittlere Unternehmen eine hohe Steuerlast tragen müssten, während die Digitalriesen das vermieden. "Ich glaube, die Zeit für Entscheidungen ist gekommen", so Le Maire. Er fordert eine schnelle Lösung bis Ende dieses Jahres und lobt ausdrücklich den Kommissionsvorschlag als fair und effizient.

Olaf Scholz ist im Prinzip einverstanden. "Es gibt eine große öffentliche Debatte um die Digitalsteuer", sagt er. Es sei eine "moralische Frage", wenn die größten Unternehmen nicht für das Gemeinwohl zahlen müssten. "Das können wir nicht akzeptieren."

Bulgarien Treffen EU-Finanzminister in Sofia | Olaf Scholz, Deutschland
Die deutsche Steuersystematik bringt Finanzminister Scholz ins GrübelnBild: Reuters/O. Popov

Einfach zu erzielender politischer Sieg?

Wie allerdings eine solche Steuer aussehen könnte - darauf hat Olaf Scholz noch keine Antwort. Berlin ist nicht zufrieden damit, den Umsatz als Bemessungsgrundlage heranzuziehen, weil das der deutschen Steuersystematik widerspricht. Da es bei Digitalunternehmen in der Regel aber unmöglich ist, eine Steuer an der Produktion oder an physischen Herstellungsorten zu bemessen, hat das Bundesfinanzministerium ein Problem.

Allerdings könnte ein Digitalsteuer zu den Maßnahmen gehören, die dem Gerechtigkeitsgefühl der Bürger in Europa entgegenkommt. Es wäre im Grunde ein relativ einfach zu erzielender politischer Sieg. Sofern die zahlreichen Hindernisse ausgeräumt, Kompromisslösungen gefunden und ausnahmsweise schneller gearbeitet werden könnte als sonst in der Runde der Finanzminister üblich.