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Ungarn demonstriert Härte

22. September 2015

Ungarn schottet sich mit immer drastischeren Mitteln gegen Flüchtlinge ab - kurz vor dem neuen Krisentreffen der EU-Innenminister. Der Ton zwischen den betroffenen Ländern wird rauer.

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ungarische Soldaten bauen eine Grenzsicherungsanlage zwischen Ungarn und Kroatien. (Foto: Jeff J Mitchell/Getty Images)
Ungarische Soldaten richten einen Zaun an der Grenze zu Kroatien aufBild: Getty Images/J. Mitchell

Vor dem Sondertreffen der EU-Innenminister hat Ungarn seiner Armee den Einsatz von nicht-tödlichen Waffen gegen Flüchtlinge an der Grenze erlaubt. Das Parlament in Budapest stimmte für erweiterte Befugnisse für Polizei und Armee, darunter den Einsatz von Gummigeschossen, Leuchtraketen oder Tränengas. Das neue Gesetzespaket wurde im ungarischen Parlament mit einer Zweidrittelmehrheit angenommen.

Die Armee soll demnach wie die Polizei an der Grenze patrouillieren und dort ebenfalls nicht-tödliche Waffen einsetzen dürfen. Auch soll sie die Papiere von Flüchtlingen überprüfen und diese festnehmen können. Darüber hinaus darf die Polizei nach der Ausrufung des "Notstands wegen massiver Einwanderung" Wohnungen durchsuchen, in denen sie illegale Einwanderer vermutet.

Notstand ausgerufen

Die Regierung hatte in sechs Bezirken entlang der Grenze zu Serbien, Kroatien, Slowenien und Österreich den Notstand wegen der Flüchtlingskrise ausgerufen. Bereits vor einer Woche waren schärfere Gesetze in Kraft getreten, die unter anderem mehrjährige Haftstrafen im Falle einer illegalen Einreise vorsehen. Ungarns rechtspopulistischer Ministerpräsident Viktor Orban warnte im Parlament vor einer angeblichen Bedrohung Europas durch die Flüchtlinge: "Sie überrennen uns. Sie klopfen nicht nur an die Tür, sie schlagen die Tür ein", sagte er. "Unsere Grenzen sind in Gefahr, Ungarn und ganz Europa sind in Gefahr."

Ungarn liegt auf der Flüchtlingsroute von Griechenland nach Mittel- und Nordeuropa und hat in diesem Jahr bislang 225.000 Flüchtlinge registriert. Die Regierung riegelte inzwischen die Grenze zu Serbien mit einem Zaun und Stacheldraht vollständig ab. Der rigide Kurs in Budapest stößt bei EU-Partnern auf scharfe Kritik.

Viele Flüchtlinge stehen an der Grenze zu Kroatien und wollen nach Ungarn einreisen. (Foto: Jeff J Mitchell/Getty Images)
Flüchtlinge warten an der kroatisch-ungarischen GrenzeBild: Getty Images/J. Mitchell

EU-Staaten könnten sich freikaufen

Die EU-Innenminister wollen an diesem Dienstag bei einem erneuten Sondertreffen versuchen, eine gemeinsame Haltung zur von der EU-Kommission gewünschten Verteilung von 120.000 Flüchtlingen in Europa zu finden. Vor allem die Osteuropäer lehnen verpflichtende Quoten dazu ab. Nach Angaben aus EU-Kreisen in Brüssel ziehen die Minister nun einen abgeschwächten Verteilungsplan in Erwägung, der keine verpflichtenden Quoten vorsehen und Ungarn ganz ausklammern würde. In einem Beschlusspapier, das der Deutschen-Presse-Agentur vorliegt, heißt es, dass Länder, die keine Flüchtlinge per Quote aufnehmen wollen, zumindest einen finanziellen Beitrag leisten müssten. Für jeden Flüchtling, dessen Aufnahme sie verweigern, sollen sie demnach 6500 Euro zahlen.

Die Außenminister Tschechiens, Ungarns, Polens, der Slowakei und Lettlands suchten bereits am Montag in Prag zusammen mit der luxemburgischen Ratspräsidentschaft nach einer Lösung. Polen erklärte sich unter Bedingungen bereit, freiwillig mehr Flüchtlinge aufzunehmen, als in den EU-Quoten vorgesehen. Allerdings müsse die EU dafür ihre Asyl- und Einwanderungspolitik reformieren, schrieb Außenminister Grzegorz Schetyna in der Zeitung "Gazeta Wyborcza". So müssten die Grenzen "dicht" gemacht und "Flüchtlinge von Wirtschaftsmigranten" getrennt werden.

Der tschechische Außenminister Lubomir Zaoralek, dessen Land verpflichtende Quoten entschieden ablehnt, sagte: "Es darf keine Einigung um jeden Preis geben." Die EU-Kommission will Flüchtlinge aus Italien, Griechenland und Ungarn notumsiedeln. Das Innenministerium in Prag zweifelte in einem neuen Papier an, dass die "unfreiwillige Umsiedlung" der Schutzsuchenden mit der EU-Grundrechtecharta vereinbar ist.

Kroatien stößt an Belastungsgrenze

Angesichts der dramatischen Flüchtlingssituation entlang der Balkanroute verschärft sich der Ton zwischen den betroffenen EU-Staaten. So warf Kroatien Griechenland vor, auf Kosten anderer EU-Länder die vielfach aus Syrien und anderen Krisenländern stammenden Flüchtlinge weiterzuschicken. "Es ist absolut unannehmbar, dass Griechenland seine Flüchtlingslager leert und die Menschen über Mazedonien und Serbien nach Kroatien schickt", erklärte Innenminister Ranko Ostojic.

Auch Serbien und Kroatien sind in neuen Streit geraten. Sollten die von Kroatien am vergangenen Freitag geschlossenen sieben Grenzübergänge nicht umgehend geöffnet werden, "werden wir Gegenmaßnahmen ergreifen, denn wir müssen unser Land schützen", drohte der serbische Regierungschef Aleksandar Vucic in Belgrad. Zuvor hatte Kroatiens Innenminister Ranko Ostojic Serbien aufgefordert, keine Flüchtlinge mehr an die kroatische Grenze zu transportieren: "Sie lenken alle Flüchtlinge auf Kroatien, und das wollen wir ändern". Erst dann würden die Grenzübergänge wieder geöffnet. Vucic ließ offen, welche Gegenmaßnahmen sein Land ergreifen könnte. Seine Regierung hatte in den vergangenen Tagen beklagt, die Wirtschaft erleide wegen des erschwerten Ex- und Imports sowie des eingeschränkten Transitverkehrs Schäden in Millionenhöhe.

Unterdessen hielt der Zug der Flüchtlinge gen Europa weiter an. In der Türkei machten sich rund 700 syrischen Flüchtlinge zu Fuß entlang einer Autobahn auf den Weg Richtung Europa. Sie wurden aber von der Polizei gestoppt und mit Bussen nach Istanbul zurückgebracht.

pab/jj (afp, dpa, rtr)

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