"Viktor Orbán duldet keine kritischen Stimmen"
16. März 2021DW: Herr Arató, im Februar verlor Klubrádió seine Budapester UKW-Sendefrequenz 92,9 und kann seitdem nur noch via Internet empfangen werden. In der vergangenen Woche nun hat der ungarische Medienrat Ihre Bewerbung für eine neue Frequenz abgelehnt. Wie kommentieren Sie diese Entscheidung?
András Arató: Das war schändlich, niederträchtig und feige. Es ist keine rechtliche, sondern eine politische Entscheidung, denn diese Ordnung und ihr Führer, Viktor Orbán, dulden keine kritischen Stimmen.
Was beanstandet der Medienrat?
Unsere 350-seitige Bewerbung wurde wegen einem formalen und einigen inhaltlichen Fehlern abgelehnt. Der formale Fehler bestand darin, dass wir im Sendeschema für eine Sendung, die wiederholt wird, kein gesondertes Blatt ausgefüllt, sondern nur angegeben haben, dass sie wiederholt wird. Inhaltlich war ein Fehler, dass wir eine bestimmte Sendung an einer Stelle in der Bewerbung mit 50 Minuten, an einer anderen Stelle aus Versehen mit 45 Minuten angegeben hatten.
Außerdem behauptet der Medienrat, Klubrádió arbeite seit Jahren mit finanziellem Verlust und sei daher nicht in der Lage, dauerhaft einen Radiosender zu betreiben...
Das ist eine bösartige Lüge. Klubrádió sendet seit zwanzig Jahren und bezahlt die Löhne seiner Angestellten und alle sonstigen Rechnungen. Es kann gar keine Rede davon sein, dass wir nicht in der Lage sind, langfristig einen Radiosender zu betreiben. Zum Verlust muss ich sagen, dass er eigentlich nur buchhalterisch ist. Vor zehn Jahren habe ich eine schwierige finanzielle Phase mit einem Privatkredit an Klubrádió überbrückt. Formal schuldet mir der Sender also Geld. Aber seit 2015/16 ist die finanzielle Unterstützung durch unsere Hörerinnen und Hörer so stark gewachsen, dass wir in der Praxis ohne Verlust arbeiten.
Sie werden die Entscheidung des Medienrates gerichtlich anfechten. Welche Erfolgsaussichten hat das?
Ich glaube, die Erfolgsaussichten sind sehr gering, denn die ungarischen Verwaltungsgerichte stehen seit Jahren unter zunehmendem politischen Einfluss. Als der Medienrat im September vergangenen Jahres entschieden hat, unsere bis Februar laufende Sendelizenz nicht zu verlängern, haben wir dagegen vor dem Budapester Verwaltungsgericht geklagt. Unsere Klage wurde abgewiesen, die Urteilsbegründung dauerte nicht einmal eine Minute und das Gericht ging in keiner Weise auf unsere Argumente ein. Vor demselben Gericht klagen wir jetzt gegen die Ablehnung der Bewerbung.
Klubrádió steht seit zehn Jahren unter Beschuss. Werbeeinnahmen wurden Ihnen gezielt weggenommen, Sie verloren Ihre Sendefrequenzen außerhalb von Budapest, jahrelang steckten Sie in Prozessen mit dem Medienrat fest, jetzt der Entzug der Sendefrequenz für die Hauptstadt. Es scheint, als solle ein Exempel statuiert werden. Warum ausgerechnet an Ihnen?
Ich kann nicht ausschließen, dass Orbáns Ordnung eine gewisse Ambition hegt, uns kaputtzumachen, weil wir trotz aller Maßnahmen schon so lange überleben. Aber ich weiß es nicht. Ich denke, wir ragen jetzt einfach deshalb heraus, weil es kaum noch unabhängige Medien in Ungarn gibt. Allerdings besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen uns und anderen unabhängigen privaten Medien: Viele von ihnen wurden von Orbán-nahen Geschäftsleuten aufgekauft und Orbán konnte behaupten, er habe damit nichts zu tun. In unserem Fall aber ist es eine staatliche, ausschließlich mit Orbáns Leuten besetzte Medienbehörde, die gegen uns vorgeht.
Vor wenigen Tagen debattierte das Europaparlament über die Situation der Medien in Polen, Ungarn und Slowenien. Auch der Fall Klubrádió kam zur Sprache. Wie bewerten Sie die Reaktionen der EU?
Ich freue mich, dass es diese Debatte gab, aber insgesamt muss ich sagen, dass die EU das Wesen dieser populistischen Ordnungen zu spät erkennt. Als Orbán 2010 an die Macht kam, hätte der EU binnen ein, zwei Jahren klar sein müssen, dass diese Ordnung nicht mit europäischen Werten vereinbar ist. Sie hätte schon damals etwas unternehmen müssen, statt diese Ordnung mit großer Kompromissbereitschaft immer weiter funktionieren zu lassen.
Was kann die EU jetzt tun?
Sie kann das Thema Klubrádio auf der Tagesordnung halten und der Orbán-Regierung immer wieder Unannehmlichkeiten bereiten. Aber das allgemeine Problem ist ein anderes. Wir sind in der historisch einmaligen und absurden Situation, dass Orbáns sogenannter Freiheitskampf gegen Brüssel ausgerechnet mit Milliarden aus Brüssel finanziert wird. Eine Lösung wäre, die ungarische Regierung als Schnittstelle für die Verteilung der EU-Fördergelder so weit wie möglich auszuschalten und die Gelder direkt zu verteilen, etwa an Lokalverwaltungen, so dass Orbán und sein Umfeld nicht mehr profitieren können.
Seitdem Ihre UKW-Frequenz im Februar nicht verlängert wurde, senden Sie nur noch via Internet. Wie erfolgreich ist das?
Früher hatten wir im Schnitt 150.000 bis 200.000 Hörer täglich. Unsere Internet-Hörerschaft ist schwer zu messen, aber ich denke, sie liegt nicht unter 100.000. Geholfen hat dabei auch eine private Facebook-Initiative mit inzwischen mehr als 6000 Mitgliedern, die beispielsweise älteren Hörern dabei hilft, auf Internet-Empfang umzustellen, oder alte Smartphones sammelt und sie an Hörer verteilt. Wir bekommen auch Zuschriften von Hörern aus der Provinz, die sagen, sie seien durch das jetzige Vorgehen des Medienrates gegen Klubrádió auf uns aufmerksam geworden und würden uns jetzt regelmäßig via Internet hören.
Wie sehen Sie allgemein die Zukunft der unabhängigen privaten Medien in Ungarn?
Im nächsten Jahr stehen in Ungarn Parlamentswahlen an. Wenn es gelingt, Orbán abzulösen, dann haben unabhängige Medien eine Zukunft. Ansonsten nicht. Denn in dieser halbdiktatorischen Ordnung gibt es für nichts Unabhängiges Platz.
András Arató, Jahrgang 1953, ist Bauingenieur, Unternehmer, Fotograf und Buchautor. Im Jahr 2001 wurde er Mehrheitseigentümer des zwei Jahre zuvor gegründeten Senders Klubrádió. Seitdem hat sich die Budapester Station als eine der wichtigsten politisch-kulturellen Radiosender Ungarns etabliert. Sein Slogan lautet: "Fakten, Meinungen", seine bekannteste und populärste Sendung ist das Nachmittagsmagazin "Wir besprechen es...", in dem Experten und Hörer über politische und soziale Themen diskutieren.