Rechtsruck?
10. April 2010Ungarns Rechtsextreme verkünden schon seit Wochen ihren großen Endsieg für die erste Runde der Parlamentswahlen am Sonntag (11.04.2010). Auf dem Budapester Deák-Platz hatten sich beispielsweise zehntausende Anhänger der rechtsextremen Partei Jobbik (auf Deutsch: Die Besseren) versammelt. "Wenn Politiker Straftaten begehen, werden wir das doppelte Strafmaß verhängen", rief Gábor Vona, Chef von Jobbik. "Und wenn jemand das Nationalvermögen auch nur um einen Heller schädigt, werden wir ihn lebenslänglich einsperren." Seine Anhänger jubelten. Am Ende gab es den Heils-Gruß der Bewegung: "Geb's Gott!", schrie Gábor Vona. "Schönere Zukunft!", brüllten die Versammelten zurück.
Vom Musterland zum Problemfall
Einst galt Ungarn als Musterbeispiel in Osteuropa: Wende und Wandel verliefen friedlich und demokratisch, Rechtsextreme stellten keine Gefahr dar. Doch das hat sich geändert. Die Rechten sind zu einer ernstzunehmenden politischen Kraft und Bedrohung geworden. Sie haben weite Teile der Gesellschaft mit ihrem rassistischen und chauvinistischen Diskurs und mit ihren paramilitärischen Aufmärschen hysterisiert. Längst ist aus verbaler auch tätliche Gewalt geworden: Vergangenes Jahr erschütterte eine rechtsterroristische Mordserie an Roma das ganze Land.
Dieser Aufstieg von Rechtsextremen ist im postkommunistischen Osteuropa bisher beispiellos. Er wurde möglich, weil Ungarn in politische Instabilität und in eine tiefe wirtschaftliche Krise abglitt. Zwischen den beiden großen Parteien, den bisher regierenden Sozialisten und den oppositionellen national-konservativen Jungdemokraten, herrscht seit langem verbaler Krieg, wichtige Reformvorhaben sind blockiert. Ungarn ist hochverschuldet, die Gesellschaft klagt seit Jahren über Korruption, Misswirtschaft und eine schlechte Verwaltung.
"Ungarn den Ungarn!"
Das Rezept der Rechtsextremen dagegen ist einfach. Es lautet: "Ungarn den Ungarn!". Der 32-jährige Jobbik-Parteichef Gábor Vona beschwert sich, dass in Ungarn angeblich die Ausländer das Sagen hätten. Damit müsse Schluss sein. "Wir wollen, dass das Interesse der Ungarn und der Nation der Maßstab ist, in der Wirtschaft ebenso wie in den Medien und der Kultur. Patriotische Liebe muss an allen Schauplätzen der Bewusstseinsbildung gegenwärtig sein", fordert er.
Es sind freilich nicht die Rechtsextremen der Jobbik-Partei, die solche Rhetorik in Ungarn salonfähig gemacht haben, sondern die national-konservativen Jungdemokraten. Die eigentlich christlich-konservative Volkspartei biedert sich seit Jahren rechtsaußen an. Wenn der Chef der Jungdemokraten und wahrscheinlich künftige Ministerpräsident Viktor Orbán bei seinen Auftritten gegen die Globalisierung und das internationale Kapital wettert, ähnelt das durchaus den Parolen der Rechtsextremen. "Die Menschen werden in Ungarn nur dann Arbeit haben, wenn wir ehrlich sagen: Wir schützen die ungarischen Produkte, den ungarischen Boden und die ungarischen Wasservorräte", sagte Orbán beispielsweise. Ihre populistischen Versprechen reichen von massiven Steuersenkungen bis hin zu so genannten "nationalen Beratungen", Volksabstimmungen, die vor allen wichtigen Gesetzes- und Reformvorhaben durchgeführt werden sollen.
Viele Beobachter sind sich einig, dass die Jungdemokraten das meiste kaum werden einhalten können. Sie selbst dämpften im Endspurt des Wahlkampfes bereits die Erwartungen: László Kövér, einer der führenden Politiker der Partei, sagte beispielsweise, man werde bis 2011 keine Steuern senken, weil es dafür keinen finanziellen Spielraum gebe. Umfragen zufolge wird die Partei über 60 Prozent der Stimmen erhalten.
Autor: Keno Verseck
Redaktion: Julia Kuckelkorn