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Ungesühnte Gräueltaten

Klaudia Prevezanos14. Oktober 2002

Die Verbrechen der kambodschanischen Roten Khmer sind bis heute ungesühnt. Nachdem Verhandlungen über ein UNO-Sondergericht gescheitert sind, gibt es nun neue Hoffnung für die Opfer.

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Die Gedenkstätte Killing Fields vor den Toren Phnom PenhsBild: AP

Eine Gartenhacke, ein Holzbesenstiel und eine alte Autobatterie liegen auf dem verrosteten Bettgestell der Gefängniszelle. Mit einfachen Werkzeugen haben die Soldaten der kambodschanischen Roten Khmer im ehemaligen Sicherheitsgefängnis S-21 von Phnom Penh ihre Opfer gequält. Zwölf bis 17.000 Menschen wurden in der ehemaligen Schule zwischen 1975 und 1978 gefangen gehalten. Die meisten wurden auf den Killing Fields – den Todesfeldern vor den Toren Phnom Penhs – getötet.

In den vier Jahren nach Machtübernahme der Rote-Khmer-Truppen unter ihrem Führer Pol Pot am 17. April 1975 fallen dem grausamen Regime bis zu zwei Millionen Menschen zum Opfer – bei einer Bevölkerung von rund 7,3 Millionen Menschen. Erst der Einmarsch vietnamesischer Streitkräfte Anfang 1979 beendet die blutige Herrschaft.

Lebenslanger Hausarrest

Pol Pot, der so genannte Bruder Nummer eins, flüchtet mit einem Teil seiner Anhänger in den Dschungel. Erst 1997 halten ehemalige Gefolgsleute einen Schauprozess gegen ihn ab. Wegen der Ermordung eines Rote-Khmer-Anführers wird er zu lebenslangem Hausarrest verurteilt. Als er im April 1998 stirbt, leben seine Mittäter weiterhin unbehelligt. "Viele niedrigrangige Rote Khmer sitzen heute noch überall in der Verwaltung", sagt Susanne Feske, Politikprofessorin für Südostasien an der Universität Münster, im Gespräch mit DW-WORLD.

Jahrelang verhandelt die kambodschanische Regierung mit den Vereinten Nationen (UNO) über die Einrichtung eines Sondergerichts. Hier sollen die rund 30 noch lebenden Führer der Roten Khmer wegen Völkermordes und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt werden. Doch Ende Februar 2002 scheitern die Bemühungen: Die kambodschanische Regierung lehnt ein international besetztes Tribunal ab. Stattdessen beharrt Premierminister Samdech Hun Sen auf einem kambodschanischen Gericht, an dem ausländische Richter teilhaben können. Entscheidungsgrundlage soll allein kambodschanisches Recht sein. Die UNO sieht die Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Objektivität des Gerichts nicht garantiert und beendet die Verhandlungen.

Kambodschaner wollen Gerechtigkeit

Für viele Überlebende und deren Angehörige ein schwerer Schlag, beispielsweise für Youk Chhang, Direktor des Dokumentationszentrums von Kambodscha. Seine Schwester wurde 1977 von einem Soldaten der Roten Khmer getötet, weil sie Reis gestohlen haben sollte. Da sie ihre Unschuld beteuerte, schnitt er ihr zur Kontrolle den Leib auf. Nach all den Jahren wollen die Kambodschaner endlich Gerechtigkeit, schreibt Chhang in der New York Times. "Es ist zudem fast pervers, dass viele Opfer heute in Armut leben, während Anführer der Roten Khmer straffrei und wohlhabend sind", sagt Kambodscha-Kennerin Feske. So haben ehemalige Spitzenfunktionäre wie Ieng Sary, Khieu Samphan oder Ta Mok sich rechtzeitig Schürflizenzen für das kambodschanische Edelsteingebiet Pailin gesichert.

Im Land zweifeln zahlreiche Kritiker an Premierminister Hun Sens Willen zur Verfolgung der Schuldigen. Der Politiker war selbst Mitglied der Roten Khmer - nach seinen Angaben aber nur als einfacher Soldaten, der dann vor den eigenen Truppen nach Vietnam geflohen ist. "Die Unterscheidung von Tätern und Opfern ist hier nicht einfach", sagt Südostasien-Expertin Feske. So wurden in Kambodscha auch Soldaten zwangsrekrutiert. Darum sollen vor Hun Sens Sondergericht auch nur Regimeführer angeklagt werden. "Ein großer Teil der Roten-Khmer-Mitglieder waren zudem junge Männer und Frauen von 15 oder 16 Jahren. Fast Kindersoldaten. Kann man die heute überhaupt für ihre Taten verantwortlich machen?", fragt sich Feske.

Phnom Penh zeigt Entgegenkommen

Hoffnung für die Opfer gibt nun der jüngste Austausch zwischen Kofi Annan und Staatschef Hun Sen. Der hatte in einem Brief an den UNO-Generalsekretär die Bereitschaft seiner Regierung signalisiert, den Bedenken der Vereinten Nationen Rechnung zu tragen. Annan erklärte sich daraufhin Ende August bereit, das Thema weiter zu verfolgen. Dazu muss sich Phnom Penh um ein entsprechendes Mandat beim Sicherheitsrat oder der UNO-Generalversammlung bemühen. "Der Antrag auf ein Mandat ist im Wesentlichen vorbereitet und wird bald gestellt werden", heißt es dazu in der kambodschanischen Botschaft in Berlin.

Eine Auslieferung mutmaßlicher Kriegsverbrecher an den Internationalen Strafgerichtshof ist hingegen nicht möglich. Vor dem Den Haager Gericht können nur Taten verhandelt werden, die nach dessen Anerkennung im Sommer 2002 begangen wurden. Expertin Feske hält ein UNO-Tribunal mit internationaler Besetzung jedoch für nötig, weil viele Kambodschaner in die Geschehnisse von damals verwickelt sind. Kaum einer sei unbefangen. "Außerdem ist in der Bevölkerung die Verunsicherung darüber, was Recht und Unrecht bedeutet, noch immer sehr groß."