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Partner im Schatten der NSA-Affäre

Martin Koch1. Juli 2014

Wie groß ist der Schaden für die Beziehungen zwischen Deutschland und den USA durch die NSA-Affäre? Beim "Transatlantic Talk" auf dem Global Media Forum 2014 suchte ein hochkarätig besetztes Podium nach Antworten.

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Transatlantic Talk-Runde auf dem Global Media Forum - Foto: K. Danetzki (DW)
Bild: DW/K. Danetzki

Fast jede Freundschaft hat einen bestimmten Punkt, an dem sie beginnt. Und meistens einen, an dem sie sich verändert. So auch das transatlantische Verhältnis zwischen Deutschland und den USA: "Mit dem Ende des Kalten Krieges wurde alles anders", beschreibt Rüdiger Lentz, Direktor des Aspen Institut Germany aus Berlin die neue Perspektive der Vereinigten Staaten zu Beginn der 1990er Jahre. "Da brauchte man Deutschland nicht mehr als Sicherheitspuffer zum Kommunismus."

Der Zustand der transatlantischen Beziehungen sorgte beim Global Media Forum, dem zum siebten Mal von der Deutschen Welle in Bonn ausgerichteten internationalen Medientreffen, für lebhafte Diskussionen.

Peter Kloeppel - Foto: K. Danetzki (DW)
Kloeppel: "USA-Bild in Deutschland nach wie vor positiv"Bild: DW/K. Danetzki

Die enge Beziehung zwischen beiden Ländern sei maßgeblich beeinflusst durch die Hilfe und die vielfältigen kulturellen Einflüsse, die Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg von Amerika erhalten habe, so RTL-Chefredakteur Peter Kloeppel bei der Podiumsdiskussion. Darin sei das "überwältigend positive" Bild begründet, das hierzulande von den USA bis heute existiere. Daran habe auch die massenhafte Ausspähung durch den US-Geheimdienst NSA nichts Grundlegendes ändern können. Aber Kloeppel ergänzt: "Die Einstellung zu Themen wie Privatsphäre und Datensicherheit ändert sich gerade angesichts der jüngsten Enthüllungen. Die haben das Vertrauen erschüttert."

Freundschaft im Schatten der NSA

Die gegenseitige Wertschätzung ist nach Ansicht der Podiumsteilnehmer weiterhin hoch. Wenn auch das Nachdenken über Deutschland in den USA deutlich weniger verbreitet sei als andersherum, wie die politische Chefkorrespondentin der Deutschen Welle, Melinda Crane, zu bedenken gibt.

Melinda Crane - Foto: K. Danetzki (DW)
Crane: "Asymmetrie zwischen den USA und Deutschland"Bild: DW/K. Danetzki

In Deutschland war die Empörung über die NSA-Ausspähung im Vergleich zu anderen Ländern am größten. Hubert Wetzel von der "Süddeutschen Zeitung" führte das auf das "schockierende Ausmaß der Überwachung" zurück. Allerdings dürfe man sich in Deutschland nicht allzu sehr darüber echauffieren, dass die USA nach den Anschlägen vom 11. September 2001 die Terrorabwehr verstärkt hätten. "Es wäre gut, wenn die Deutschen sich an die Zeit des RAF-Terrors erinnern und daran, wie hysterisch damals die Diskussionen hierzulande waren und wie stark der Sicherheitsapparat damals vergrößert wurde", so Wetzel. Und genau wie damals Deutschland waren die USA durch die Anschläge in New York und Washington vom Terrorismus im eigenen Land erschüttert worden, ergänzt Rüdiger Lentz.

NSA und die Wirtschaft

Die transatlantischen Beziehungen sind nach Ansicht von Melinda Crane durch den NSA-Skandal auch auf wirtschaftlicher Ebene beeinflusst worden. Zum einen hätte die Bundesregierung die Verträge mit einem US-Telefonkonzern gekündigt, zum anderen stehe das Transatlantische Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP) auf der Kippe. "Die schwierigen Verhandlungen sind ein Gradmesser für das Misstrauen, das momentan in den transatlantischen Beziehungen herrscht."

Hubert Wetzel - Foto: K. Danetzki (DW)
Wetzel: "Deutschland hat auf den RAF-Terror ebenfalls strikt reagiert"Bild: DW/K. Danetzki

Gleichwohl könnten beide Seiten von einem solchen Abkommen profitieren, da waren sich die DW-Chefkorrespondentin Crane und der Aspen-Direktor Lentz einig. "TTIP ist gut für die Unternehmen auf beiden Seiten, für die Bevölkerung und für mehr Arbeitsplätze. Deshalb sollte es nicht mit dem NSA-Thema vermischt werden", meinte Rüdiger Lentz.

Lob und Kritik

Die Zuhörer im Plenarsaal des ehemaligen Bundestages verfolgten die Diskussion kritisch interessiert. "Sie war wirklich transparent und es wurden die Dinge angesprochen, bei denen das transatlantische Verhältnis momentan ächzt und kracht", lobt der ehemalige ARD-Korrespondent Thomas Nehls - aber mit einer Einschränkung: "Ein bisschen vermisst habe ich eine wirklich kritische Position zu den USA selbst. Es wurde doch sehr aus deutscher Sicht diskutiert und danach gefragt, was müssen wir tun, um wieder anerkannt zu werden."

Rüdiger Lentz - Foto: K. Danetzki (DW)
Lentz: "Länderübergreifende Gesetzgebung ist erforderlich - und schwierig"Bild: DW/K. Danetzki

Diesen Eindruck teilt auch Annick Niyonzima von der Non-Profit-Organisation Globalfair aus Brüssel: "Ich war enttäuscht, weil es sehr stark um Deutschland und die USA ging. Auf einem Global Media Forum hätte ich mir mehr Internationalität gewünscht."

Yalchin Mammadev ist dagegen rundum begeistert: "Ich war beeindruckt von der Qualität der Debatte. Durch den Austausch zum Teil auch konträrer Ansichten war es sehr bereichernd." Mammadev, Journalist eines aserbaidschanischen Nachrichtenportals, verfolgte besonders interessiert das Gespräch über die Rolle des Journalismus, der nach Ansicht der Podiumsteilnehmer wichtig für die Einordnung gerade sehr komplexer Themen wie dem NSA-Skandal und seinen Auswirkungen ist.

Auf Augenhöhe

Einige waren sich die Experten in der Einschätzung, dass es eine gewisse Asymmetrie im transatlantischen Verhältnis gibt. Aber ebenso einige waren sie sich in der Überzeugung, dass Europa für die USA weiterhin die weltweit wichtigste Partnerregion ist. Und dass Deutschland zumindest in Wirtschaftsfragen auf Augenhöhe mit den Amerikanern reden kann.

Um allerdings die komplizierten Sachthemen wie Spionage, Privatsphäre oder Freihandel zu regeln, bedürfe es nicht nur bilateraler Absprachen. Dafür seien länderübergreifende Gesetze erforderlich - und das sei ein sehr kniffliges Unterfangen.