UNICEF: Masern-Impflücke wird größer
25. April 2019Jedes Jahr kämen rund 21,1 Millionen ungeimpfte Kinder weltweit dazu, sagte eine Sprecherin des Kinderhilfswerks UNICEF in einer in London und Köln veröffentlichten Erklärung. Die wachsende Zahl an nicht-geimpften Kindern habe den Boden für die aktuellen Masern-Ausbrüche in mehreren Ländern bereitet, warnte UNICEF anlässlich ihrer aktuellen Weltimpfwoche. "Das Masern-Virus wird es immer schaffen, ungeimpfte Kinder zu finden," sagte UNICEF-Exekutivdirektorin Henrietta Fore.
Problem in armen und wohlhabenden Ländern
Schätzungsweise 110.000 Menschen, die meisten von ihnen Kinder, starben 2017 an Masern. Das sind 22 Prozent mehr als 2016. In den ersten drei Monaten des Jahres 2019 wurden bereits mehr als 110.000 Masern-Fälle weltweit registriert - ein Anstieg um fast 300 Prozent. Für einen vollständigen Schutz vor Masern sind zwei Impfungen notwendig. Die globale Impf-Rate für die erste Masern-Dosis lag 2017 bei 85 Prozent, nur 67 Prozent erhielten auch die zweite Impf-Dosis.
Auch in Deutschland gibt es Lücken beim Impfschutz: 168.000 Kinder haben zwischen 2010 und 2017 ihre erste Masern-Impfung versäumt. In weiteren hochentwickelten Ländern sind die Versäumnisse noch größer. In den USA haben in dem Zeitraum mehr als 2,5 Millionen Kinder die Impfung nicht erhalten, in Frankreich 600.000 und in Großbritannien 500.000.
Besonders kritisch ist jedoch die Situation in einigen Entwicklungs- und Schwellenländern: Allein in Nigeria hätten 2017 fast vier Millionen Babys unter einem Jahr die erste Masern-Impfung nicht erhalten, so das Kinderhilfswerk. In Indien waren es fast drei Millionen und in Pakistan, Indonesien und Äthiopien jeweils über eine Million Babys. "Wenn es uns ernst damit ist, die Ausbreitung dieser gefährlichen, aber vermeidbaren Krankheit zu stoppen, müssen wir dafür sorgen, dass jedes Kind geimpft ist - in armen ebenso wie in wohlhabenden Ländern", sagte Unicef-Exekutivdirektorin Fore.
Als Hauptgründe für fehlenden Impfschutz bezeichnete das Kinderhilfswerk UNICEF schwache Gesundheitssysteme, Konflikte, Nachlässigkeit und Impfskepsis.
"Überhitzte Impfdebatte"
Der UNICEF-Bericht fällt in eine Zeit, in der die deutsche Politik über die Einführung einer Impfpflicht diskutiert. Der Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Peter Dabrock, mahnte die Debatte um eine Einführung einer Impfpflicht dürfe nicht auf Kinder beschränkt bleiben. Erwachsene machten die Hälfte der an Masern Erkrankten aus, sagte er der "Frankfurter Allgemeine Zeitung". "Eine besondere Verantwortung sehen wir bei Personen, die berufsbedingt ein hohes Risiko haben, also Menschen in Gesundheitsberufen und pädagogisches Personal."
Dabrock warnte davor, vorschnell Zwangsmaßnahmen zu fordern. "Die Impfdebatte ist überhitzt", kritisierte er. Zunächst solle versucht werden, die Bevölkerung gezielter anzusprechen. Wer eine Impfpflicht fordere, müsse auch sagen, wie sie durchgesetzt werden könne. Dazu müsste der Staat im äußersten Fall Bußgelder verhängen oder Menschen gegen ihren Willen impfen können.
Die Gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland appellierten an die Bevölkerung: "Wer sich impfen lässt, schützt nicht nur sich selbst, sondern auch die Menschen in seiner Umgebung vor schweren Erkrankungen", erklärte der Vorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen, Uwe Klemens. Impfungen gehörten zu den sichersten und wirksamsten Vorsorgemaßnahmen der Medizin. Viele Impfungen würden von den Krankenkassen übernommen.
pgr/ww (epd, kna)