UNICEF zu Ost-Ghuta: "Uns fehlen die Worte"
20. Februar 2018Das Wichtigste in Kürze:
- UNICEF zeigt sich entsetzt über die Bombardierungen und fordert einen Waffenstillstand
- Laut Welternährungsprogramm verschlechtert sich die humanitäre Lage in Syrien weiter
- Die syrische Opposition wirft der Regierung einen "Vernichtungskrieg" vor
Mit einer ungewöhnlichen Erklärung hat das UN-Kinderhilfswerk die heftigen Angriffe auf das Rebellengebiet Ost-Ghuta in Syrien angeprangert. UNICEF verschickte eine weitgehend leere Mitteilung. Darin wird Unicef-Regionaldirektor Geert Cappelaere mit einem einzigen Satz zitiert: "Keine Worte werden den getöteten Kindern, ihren Müttern, ihren Vätern und ihren Angehörigen Gerechtigkeit widerfahren lassen."
Am Ende heißt es dann in einer Fußnote: "Wir geben diese leere Mitteilung heraus. Wir haben nicht länger die Worte, um das Leiden der Kinder und unsere Empörung zu beschreiben. Haben diejenigen, die dieses Leiden verursachen, noch Worte, um ihre barbarischen Taten zu rechtfertigen?"
Aktivisten: Mehr als 250 Tote in zwei Tagen in Ost-Ghuta
Die Bewohner der von Rebellen kontrollierten Region Ost-Ghuta nahe Damaskus stehen seit Sonntag unter massivem Beschuss. Bombardierungen aus der Luft und Artillerie hätten in der Region in weniger als 48 Stunden mehr als 250 Menschen getötet, darunter zahlreiche Frauen und Kinder, meldete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Die in Großbritannien ansässige Organisation bezieht ihre Informationen von einem Netzwerk von Aktivisten in Syrien. Ihre Angaben können von unabhängiger Seite nur schwer überprüft werden.
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurden in dem Gebiet möglicherweise fünf Krankenhäuser getroffen. Falls Berichte über den Beschuss der Hospitäler zuträfen, seien dies entsetzliche Taten, sagte WHO-Sprecher Christian Lindmeier. Luftangriffe werden in Syrien vor allem vom Assad-Regime und seinem Verbündeten Russland geflogen.
Humanitäre Lage laut UN völlig außer Kontrolle
Der UN-Koordinator für humanitäre Hilfe in Syrien, Panos Mumtsis, forderte ein sofortiges Ende der Luftangriffe auf Ost-Ghuta. "Die humanitäre Lage der Zivilisten in Ost-Ghuta ist völlig außer Kontrolle", erklärte er in der Nacht zum Dienstag. "Es ist zwingend erforderlich, dieses sinnlose menschliche Leiden zu beenden." Am Dienstag gingen die Luftangriffe laut Beobachtungsstelle jedoch unvermindert weiter.
Ost-Ghuta, die letzte Rebellenhochburg in der Nähe von Damaskus, wird überwiegend von verschiedenen Islamistengruppen kontrolliert. Die syrische Regierung will die Kontrolle über das Gebiet zurückerlangen, von dem aus immer wieder Raketen und Mörsergranaten auf die Hauptstadt gefeuert werden.
Regionale Waffenruhe in Syrien nur auf dem Papier
Die im Exil ansässige syrische Opposition wirft den Regierungstruppen einen "Vernichtungskrieg" auf Ost-Ghuta vor und kritisiert das "internationale Schweigen" angesichts der "Verbrechen" der Führung von Machthaber Baschar al-Assad. Dem Assad-Verbündeten Russland warf die Oppositionskoalition vor, den "politischen Prozess begraben" zu wollen.
Schon Anfang Februar hatte die syrische Armee den Druck auf Ost-Ghuta verstärkt, wo rund 400.000 Menschen seit dem Jahr 2013 unter Belagerung leben und wo sich die humanitäre Lage zunehmend verschlechtert. Eigentlich gilt in Ost-Ghuta eine regionale Waffenruhe, die jedoch nur noch auf dem Papier besteht.
Keine Medizin, kaum Essen - der Horror von Ost-Ghuta
Die humanitäre Lage in Syrien hat nach Einschätzung des Welternährungsprogramms (WFP) einen neuen Tiefpunkt erreicht. "So schlimm wie jetzt war es noch nie", sagte der WFP-Landesdirektor für Syrien, Jakob Kern, dem Berliner "Tagesspiegel". Die Bewohner Ost-Ghutas lebten wegen der Luftangriffe fast die ganze Zeit in Kellern. Arzneien seien Mangelware. Auch das Essen werde knapp. Aber oft sei es viel zu riskant, Hilfskonvois loszuschicken.
"Wir brauchen deshalb dringend einen Waffenstillstand, der von beiden Seiten auch eingehalten wird", sagte Kern. "Unsere Warenlager sind voll", fügte er hinzu. Bei einer Waffenruhe könne sofort Hilfe nach Ost-Ghuta geschickt werden.
In Syrien kämpfen das Assad-Regime, Rebellen und Terrormilizen um die Macht. Neben Russland kämpfen iranische und andere Milizen auf der Seite Assads. Ferner geht die Türkei gegen kurdische Verbände, die von den USA unterstützt werden. Seit 2011 kamen Hunderttausende Menschen ums Leben, Millionen sind auf der Flucht.
cw/stu (afp, dpa, epd)