Union siegt, doch Fußball ohne Fans tut weh
18. Dezember 2020Freitagabend, Flutlicht, Fußball. Das ist normalerweise eine Verheißung für Fußball-Fans deutschlandweit. Der perfekte Dreiklang zum Start ins Wochenende. Auch für Union-Berlin-Anhänger. 22.000 wären an diesem vorweihnachtlichen Fußball-Abend im Stadion an der "Alten Försterei" sicher dabei gewesen. Sie hätten geschunkelt, sich warm gesungen, gefeiert. So wie sie das immer tun. Und erst recht nach diesem 2:1 (0:0)-Sieg gegen den großen Favoriten Borussia Dortmund.
Strenges Hygienekonzept der DFL
Doch in Zeiten der Corona-Pandemie ist alles anders. Die Fans fehlen. Wo sonst Stunden vor Spielbeginn die Bierflaschen klimpern, die Menschen an den Verkaufsbuden zusammenkommen und sich einstimmen, herrscht nur noch Einsamkeit. Rund ums Stadion ist keine Fanseele zu sehen. Nur Polizisten mit schweren, dunklen Westen, die das Stadiongelände weiträumig absperren, sollten sich doch größere Gruppen von Anhängern dorthin verlaufen.
Die Deutsche Fußball Liga (DFL) hat schließlich ein strenges Hygiene- und Sicherheitskonzept ausgetüftelt, dass sich seit Monaten bewährt hat und auch Ansammlungen von Fans rund ums Stadion verhindern soll. Das klappt bisher ganz gut, auch weil tatsächlich nur eine geringe Gefahr besteht, da viele Ultra-Gruppierungen in Deutschland den Bundesliga-Betrieb offen ablehnen und sich selbst gegen eine geringe Anzahl von Fans in Stadien aussprechen.
Techno statt Fangesänge
Auch im Stadion ist eine kalte Leere zu spüren, alle Mitarbeiter tragen Maske und achten penibel auf die Sicherheitsabstände. Statt Trommeln und Fangesängen auf den Tribünen dröhnt Techno und Popmusik aus den Stadion-Lautsprechern. Für wen eigentlich? Die zwei Dutzend zugelassenen Journalisten mit Maske auf der Pressetribüne nehmen es so hin.
Nach dem Anpfiff brüllt dann doch ein Einzelner "Eisern Union" über die Stadionmauer, doch die Anfeuerungsrufe verhallen in der Ferne. Dafür ist jeder Spannschlag bis unter Stadiondach zu hören, und immer wieder lassen sich auch Anweisungen der Trainer Edin Terzic (Dortmund) und Urs Fischer (Union Berlin) aufschnappen.
Auf dem Platz rasseln die Spieler zusammen und hauen sich in die Zweikämpfe. Als Union kurz nach der Halbzeit durch Taiwo Awoniyi in Führung geht, erzielt Youssoufa Moukoko nur wenige Minuten später für den BVB sein erstes Bundesliga-Tor - und stellt einen Rekord auf. Er ist der jüngste Bundesliga-Torschütze der Geschichte. Doch die Unioner schlagen zurück, wieder nach einer Ecke, Manuel Friedrich köpft zum Sieg ein (78.).
Union auch vor leeren Rängen erfolgreich
Die üblichen Jubelszenen von Tausenden auf den Rängen bleiben aus, doch die Unioner spielen, als habe es die Pandemie nie gegeben. Der Underdog aus Berlin trumpft regelrecht auf in seinem zweiten Bundesliga-Jahr. Die klug zusammengestellte Mannschaft überzeugt mit Teamgeist, hat sich auch spielerisch weiterentwickelt und ärgert nun auch die Großen. Erst kürzlich hat Union daheim sogar Bayern München ein Unentschieden abgetrotzt - natürlich ebenso ohne Unterstützung der Fans, die in diesem Klub so eine gewichtige Rolle spielen.
"Auch wenn die Fans nicht anwesend und bemerkbar sind, sie unterstützen uns von zu Hause. Die Mannschaft spürt das", sagt Trainer Urs Fischer. Die Unioner sehen sich trotz des Aufstiegs und der Professionalisierung in den letzten Jahren noch immer als "Familie". Mitbestimmung ist wichtig, die Mitglieder und auch ihre Kritik werden ernst genommen. Selbst beim Umbau der "Alten Försterei" vor einigen Jahren haben einige der Anhänger ehrenamtlich mitgeholfen.
Und viele werden sich zu Hause mitgefreut haben, als Union die 2:1-Führung über die Zeit rettet. Aber sie leiden auch weiterhin, dass sie bei solchen Fußball-Abenden nicht im Stadion dabei sein können. Der Abpfiff des Schiedsrichters wird begleitet von lautem Geschrei der Ersatzspieler. Die Spieler klatschen sich auf dem Rasen ab, die Ränge sind leer, in der Ferne knallen vereinzelt Silvester-Böller.