Unsere ESC-Favoriten 2018
Wann berührt ein Song den Zuhörer? Das ist schwer zu sagen, denn Geschmäcker sind verschieden. So auch die unserer ESC-Reporter Silke Wünsch und Rick Fulker, die hier ihre Favoriten vorstellen - ganz subjektiv natürlich!
Silke: Mikolas Josef (Tschechien)
Das sind ja mal ganz andere Töne, die man da aus Tschechien hört! "Lie To Me" ist feiner Elektrofunk-Hiphop! Der Junge ist richtig gut, die Nummer witzig, und sie erinnert mich ein bisschen an Snoop Doggs "Drop It Like It's Hot". Nachdem Tschechien in der Vergangenheit unter "ferner liefen" fiel, ist hier vielleicht sogar eine Top Ten-Platzierung möglich.
Rick: Ryan O’Shaughnessy (Irland)
Im Video tanzen zwei verliebte junge Männer durch die Straßen von Dublin. Die leise und leichte, luftige und langsame Ballade wurde aus mehr als 300 Liedern in Irland ausgewählt. Damit könnte Ryan O'Shaughnessy an die vielen irischen ESC-Triumphe in den 90er- Jahren anknüpfen.
Silke: Sennek (Belgien)
Belgien ist immer für eine Überraschung gut. Diesmal ist es die Sängerin Sennek, die mit einer warmen und kräftigen Soulstimme ihre Ballade "Matter Of Time" singt. Zunächst nichts Besonderes, dachte ich am Anfang des Songs. Aber im Refrain geht für mich die Sonne auf. Toller Song, tolle Stimme.
Rick: Michael Schulte (Deutschland)
Die Tränen kommen, und sie sind echt und ehrlich. Das Lied hat alles: solide Struktur, einprägsamen Refrain, verständlichen Text und eine Botschaft, die jedem nahe geht weil er sie persönlich erlebt hat - den Verlust eines Familienmitglieds. Michael Schulte ist nicht nur sympathisch und sehr persönlich - er ist ganz klar ein Profi. Schwer, hier irgendwelche Defizite auszumachen.
Silke: Alexander Rybak (Norwegen)
Der Titel des Songs ist Programm: "That's How You Write A Song" - so schreibst du einen Song - hat alles, was ein sommerlicher Gute-Laune-Popsong haben muss. Bei der Funky-Dance-Nummer bleibt man nicht still sitzen. Und den Sänger mit der Geige - den kennt man doch? Klar, er war 2009 schon mal ESC-Sieger. Wahrscheinlich wird er neben Netta aus Israel ganz oben mitspielen.
Rick: Alexander Rybak (Norwegen)
Wieder bin ich mit Silke einer Meinung: Unmöglich, zuzuhören und nicht mitzuwippen - und dabei zu lächeln. Rybak hat einmal durch die höchste Punktzahl aller Zeiten ESC-Geschichte geschrieben. Er könnte es wieder zum Sieg schaffen. Sein Spiel auf imaginären schwebenden Strichlinie-Instrumenten ist süß, wenn auch kein neuer Effekt. Dann kramt er die echte Geige hervor: Aus und vorbei.
Silke: AWS (Ungarn)
Jedes Jahr fahre ich für die DW nach Wacken, um von dem Metalfestival zu berichten. Die ungarische Band AWS würde da auch mal gerne spielen. Mit Recht, denn dort gehört sie hin. Die fünf Jungs werden das Publikum mit einem sehr lauten Rockbrett bewerfen, dass einem Hören und Sehen vergeht. Ich liebe es, wenn beim ESC auch solche Töne zu hören sind. Und deswegen: Pommesgabel und Headbangen!
Rick: AWS (Ungarn)
Mir ist Wacken zwar zu laut, aber: Lob für den extrem harten Punk-Rock-Sound und für den Mut, ein Lied in der Landessprache zu liefern. Im Video sieht man ausgelassenes Musizieren, spielende Kinder, lächelnde Gesichter. Erst später merkt man: Auch hier geht es um das Sterben. Die schnörkellose Botschaft: Alles ist endlich, wir sollen deshalb ein glückliches Leben führen.
Silke: Netta (Israel)
Was ist denn bitte das? Ein Vollweib, das gackert und singt und röhrt. Sie erinnert mich stark an Beth Ditto. Ihr Lied "Toy" über die selbstbestimmte Frau braucht zur Unterstützung keine Windmaschine oder brennende Kleider. Diese Frau ist einfach eine Granate. Daran ändert auch die etwas flache Textstelle "I'm not your toy you stupid boy" nichts. Kein Wunder, dass Netta Top-Favoritin ist.
Rick: Netta (Israel)
Ja, was denn sonst? Frech und Konventionen trotzend strömen die Künstlerin und ihr Song unbändige Freude über das Anderssein aus. Das Lied fällt wirklich aus dem Rahmen, verblüfft anfangs durch schräge Tonart- und Rhythmuswechsel, entwickelt sich dann zur mitreißenden Tanznummer. Ich finde, die Botschaft "Ich bin nicht dein Spielzeug!" passt auch zur aktuellen Debatte über Frauenrechte.