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Weltmarkt-Unternehmen und Menschenrechte

15. Dezember 2011

Unternehmen, sagt der UN Menschenrechtsrat, haben eine eigene Verantwortung für die Einhaltung der Menschenrechte. Deutsche Weltmarktunternehmen bekennen sich dazu - aber die Wirklichkeit sieht oft anders aus.

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Landarbeiterinnen im Reisfeld
Armutslöhne für LandarbeiterinnenBild: UNI

Menschenrechte und Unternehmen – das ist für Michael Inacker, Manager bei der Metro Group, kein Widerspruch: "Als ein globales Unternehmen mit einer hohen Öffentlichkeit können wir uns gar nicht mehr erlauben, gewisse Standards im sozialen, menschenrechtlichen oder ökologischen Bereich nicht einzuhalten."

Die Metro Group, einer der weltweit größten Handelskonzerne mit Hauptsitz in Deutschland, macht inzwischen zwei Drittel ihres Umsatzes im Ausland. Dabei beschäftigt der Handelsriese rund 300.000 Mitarbeiter sowie zahlreiche Zulieferer und ist in rund 30 Ländern tätig. Und in mindestens einem, nämlich in Indien, ist ganz und gar nicht selbstverständlich, was Metro-Mann Inacker als selbstverständlich bezeichnet. Das hat Franziska Humpert von der Menschenrechtsorganisation Oxfam herausgefunden.

Hohe Gewinne – wenig Verantwortung

An den Standorten Bangalore, Mumbai und Hyderabad hat die Wissenschaftlerin die Aktivitäten des Konzerns untersucht. In einer Studie wirft sie dem Unternehmen maximales Gewinnstreben bei geringem Verantwortungsbewusstsein vor: "Gewerkschaftsrechte wurden nicht eingehalten, Überstunden wurden nicht bezahlt, Frauen diskriminiert." Hinzu kamen Arbeitsrechtsverletzungen in der Zulieferkette: Hier mussten Landarbeiterinnen häufig für weniger als 1,25 US Dollar pro Tag schuften – noch unterhalb der im UN System geltenden Armutsgrenze.

Michael J. Inacker (Foto:dpa)
Metro-Manager Inacker sieht sich selbst in weißer WesteBild: picture-alliance/dpa

Oxfam und Metro kamen schließlich ins Gespräch: Der globale Handelsriese präsentierte der Menschenrechtsorganisation seinen Revisionsbericht und bekannte sich zu sozialen und menschenrechtlichen Verpflichtungen. Die freiwillige Selbstverpflichtung aber dient allzu oft nur der Imagepflege. In Indien – so Franziska Humpert in ihrer Studie – sei den Kleinbauern das bei Metro geltende sogenannte "Business Social Compliance System" (BSCS) völlig unbekannt. "Das bedeutet, dass das System bei den Kleinbauern und eben auch bei den Landarbeiterinnen, die ja hauptsächlich unter den Arbeitsrechtsverletzungen leiden, gar nicht umgesetzt wird."

Dialog und Verbesserungen

Dennoch stellt Humbert fest: "Es gibt Verbesserungen bei der Metro in Indien." Ob die ausreichten, werde sich zeigen müssen. Rund 4.000 Lieferanten würden jetzt Schritt für Schritt auf gewisse Standards verpflichtet, betont Metro-Manager Inacker und bekennt sich zu einer inzwischen erreichten Vorbildfunktion in Indien: "Dadurch, dass wir beispielweise gewerkschaftliche Betätigungen erlauben, dass wir deutlich höhere Löhne zahlen als einheimische Wettbewerber."

Supermarkt (Foto: AP)
Metro in BangaloreBild: AP

Faire Löhne und das Recht auf gewerkschaftliche Betätigung gehören zu den Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), die durch die 120 Unterzeichnerstaaten garantiert und die Unternehmen praktiziert werden müssen. Defizite bei der Regierungsführung, Korruption, fehlende Rechtsstaatlichkeit und die Macht der Unternehmen verhindern aber oftmals, dass Beschäftigte ihren menschenrechtlichen Anspruch auch in allen Teilen der Welt durchsetzen können.

Standards oft Etikettenschwindel

Freiwillige Selbstverpflichtungen der Unternehmen haben oftmals wohlklingende Namen: da gibt es zum Beispiel das seinerzeit von Kofi Annan initiierte Programm "Global Compact", das bereits erwähnte "Business Social Compliance System" oder die "Corporate Social Responsibilty", abgekürzt CSR.

Elisabeth Strohscheidt (Foto: privat)
Elisabeth Strohscheidt, Expertin für Entwicklungspolitik bei MiseriorBild: Elisabeth Strohscheidt

"Zu Anfang waren die Kodices reine PR-Maßnahmen", betont jedoch Elisabeth Strohscheidt, Expertin für Entwicklungspolitik bei der kirchlichen Hilfsorganisation Miserior. Inzwischen macht sie große Unterschiede aus: "Man muss sich die Unternehmensstruktur ansehen und schauen, wo dort die Menschenrechtsfragen verankert sind. Gibt es eine CSR-Abteilung, die alleine dafür zuständig ist? Spielen auch soziale Kriterien eine Rolle, wenn es um die Gewährung von Boni geht?" Nur wenn die Menschenrechte in der Managementstruktur des Unternehmens wirklich verankert seien, wirke sich dies auch positiv an den Standorten in den ärmeren Länder aus.

Menschenrechte als Führungsaufgabe



Neben den freiwilligen Standards gelte es aber auch, internationales Recht weiterzuentwickeln und vor allem umzusetzen. Zum Beispiel seien nun die UN "Guiding Principles" für Wirtschaft und Menschenrechte - die Leitlinien des Menschenrechtsrates - in nationales Recht umzusetzen: "Wir könnten zum Beispiel Berichtspflichten für Unternehmen einführen, zu sozialen und ökologischen Folgen des eigenen Handelns und menschenrechtliche Risikoabschätzungen für Aktivitäten im Ausland verlangen", schlägt Strohscheidt vor.

Luis Carlos Oliveira im DW-Interview (Foto: DW)
Brasilianischer Fischer Luis Carlos Oliveira beklagt die Umweltschäden durch das Thyssen Krupp Stahlwerk Baia de Sepetiba.Bild: DW

Ein weiterer offener Punkt: Wenn deutsche Unternehmen im Ausland Menschenrechte verletzen, soll es den Opfern erleichtert werden, dagegen zu klagen. Da seien andere europäische Staaten teilweise weiter, urteilt die Expertin für Entwicklungspolitik bei Miserior. Vor allem die Arbeitgeberverbände, der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) seien hier bislang die Bremser gewesen.

EU fordert jetzt mehr Verbindlichkeit


Metro-Manager Inacker sieht die Aktivitäten der großen deutschen Unternehmen positiv. Sie trieben die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung in den Schwellen- und Entwicklungsländern voran. Der Umgang mit Menschenrechten und mit sozialen und ökologischen Standards ist dabei in den Augen des Metro-Sprechers eine Aufgabe für alle Akteure: "Herausforderungen dieser Art können nicht mehr von einer Seite allein gelöst werden". Weder die Politik, noch die Unternehmen, noch die NGOs könnten diese Probleme allein lösen. "Man muss Verantwortungspartnerschaften bilden", schlägt Inacker vor.

Für die notwendige Rollenklärung möglicher Partnerschaften hat ein Akteur soeben eine neue Richtung vorgegeben: Die EU-Kommission, bislang Anhänger der völligen unternehmerischen Freiwilligkeit, definiert CSR jetzt als "Verantwortung von Unternehmen für ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft", für die es zukünftig auch Regeln geben müsse. Den Kurswechsel begründet die Kommission mit der Wirtschaftskrise und ihren sozialen Folgen, sowie dem erschütterten Vertrauen der Öffentlichkeit in die Wirtschaft. Wieweit Deutschland nun voran geht, Gesetzeslücken schließt und den Unternehmen mehr Verbindlichkeit bei der Beachtung der wirtschaftlichen und sozialen Menschenrechte abverlangt, bleibt abzuwarten.

Autorin: Ulrike Mast-Kirschning
Redaktion: Matthias von Hein