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Syriens unversöhnliche Akteure

Kersten Knipp14. September 2013

Bei den Genfer Verhandlungen zu den syrischen Chemiewaffen hat man sich geeinigt. Weitere Gespräche zur Beilegung des Konfliktes könnten eingeleitet werden. Deren Erfolg ist allerdings wenig wahrscheinlich.

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John Kerry mit Sergej Lawrow in Genf am 12.9.2013 (Foto: REUTERS)
US-Außenminister John Kerry (l.) und sein russischer Kollege Sergej Lawrow in GenfBild: Reuters

Die Situation war klar definiert: Obama hatte entschieden, dass es zu einem Militärschlag gegen Syrien vorerst nicht kommen würde, vor einer Intervention stünden Verhandlungen über Assads Chemiewaffenarsenal. Unterstellt der syrische Präsident dieses internationaler Kontrolle, muss er einen Angriff der Amerikaner vorerst nicht fürchten. Zeigt sich aber, dass er es mit seinem Angebot nicht ernst meint, muss er sich auf einen Militärschlag gefasst machen.

Dies waren die Prämissen, unter denen Amerikaner und Russen in Genf über den weiteren Umgang mit den syrischen Chemiewaffen beraten haben. Ihre Gespräche, so die Hoffnung einiger Beobachter, könnten aber auch weiteren diplomatischen Bemühungen zur Beilegung der Gewalt den Weg ebnen. Zwar könne man noch nicht von einem Durchbruch sprechen, sagt Margarete Klein, Russland-Expertin der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik. "Aber es ist doch seit längerem wieder die erste Chance auf eine politische Lösung dieses Konflikts."

Die syrische Opposition teilt diesen vorsichtigen Optimismus nicht. Sie zeigt sich hinsichtlich Assads Bereitschaft, sein Arsenal unter internationale Kontrolle zu stellen, zutiefst skeptisch. Die Geste kommt zu spät, um Zivilisten vor den mörderischen Absichten des Regimes zu retten, teilt die "Nationale Koalition der syrischen Revolutionären und oppositionellen Kräfte" am Freitag (13.09.2013) in einer Presseerklärung mit. Die Koalition wertet diese Geste als Versuch, internationale Reaktionen und auch Rechenschaft gegenüber der syrischen Bevölkerung zu unterlaufen. "Dem Regime sollte nicht erlaubt werden, eine internationale Reaktion unendlich hinauszuzögern, während es gleichzeitig Gewalt in großem Stil gegen seine Bevölkerung praktiziert", heißt es in der Erklärung.

Unterschiedliche Prioritäten

Die Erklärung der nationalen Koalition zeigt vor allem eines: Internationale und nationale Akteure folgen unterschiedlichen Prioritäten. Während es Russen und Amerikanern vor allem darum geht, Assads Chemiewaffenarsenal zu sichern und zu verhindern, dass es in die Hände islamistischer Extremisten fällt, hofft die syrische Opposition auf internationale Unterstützung im Kampf gegen Assad. "Wir befinden uns in einer Revolution", erklärt Abdul Rahman Al Haj, Leiter des Medienbüros der Nationalen Koalition, im Gespräch mit der DW. "Unsere Leute - vor allem die militärischen Gruppen - leben unter ständigen Angriffen. Darum hoffen wir, von der Internationalen Gemeinschaft Waffen zu erhalten, mit denen wir uns verteidigen können." Derzeit sei die militärische Lage schwierig. Der Umstand, dass nun aller Voraussicht nach keine chemischen Waffen mehr eingesetzt würden, erleichtere die Lage der Opposition zwar. "Aber die Schlacht wird weitergehen."

Zwei Kämpfer der Freien Syrischen Armee in der Nähe von Damskus (Foto: REUTERS)
Kriegsalltag in Syrien: Zwei Kämpfer der Freien Syrischen ArmeeBild: Reuters

Umso mehr ruhen die Hoffnungen auf neuen diplomatischen Initiativen, die womöglich sogar auf Grundlage der Verhandlungen in Genf ihren Anfang nehmen könnten. Zwar beschränkten sich diese auf den Umgang mit den syrischen Chemiewaffen und trügen darum nicht unmittelbar zu einer Lösung des Bürgerkrieges bei, erläutert Margarete Klein. Umso deutlicher zeige sich nun aber, wie dringlich die unter dem Namen "Genf 2" geplanten Verhandlungen mit allen Kriegsparteien seien. Dort müssen beide Seiten eine gewisse Kompromissbereitschaft an den Tag legen. Das Regime muss darauf verzichten, dass Assad Teil dieser Lösung ist, und die Opposition muss sich mit diesen Leuten des Regimes an einen Tisch setzen."

"Die Nationale Koalition will sich diesen Gesprächen prinzipiell nicht verschließen, ist aber skeptisch. "Die Internationale Gemeinschaft bemüht sich sehr ernsthaft um eine politische Lösung", erklärt Abdul Rahman Al Haj. "Ich glaube, dass diese irgendwann möglich ist. Allerdings glaube ich nicht, dass sie sich derzeit erreichen lässt."

Pro-Assad Demonstration in Damaskus am 09.09.2013, (Foto: REUTERS)
Assad und seine UnterstützerBild: Reuters

Rolle der regionalen Akteure

David Butter, Nahost-Analyst des Londoner Think-Tanks "Chattham House", sieht noch ein weiteres Hemmnis für diplomatische Bemühungen: die Interessen der regionalen Akteure. Auf Seiten des Regimes sind vor allem der Iran und die ihm ergebene libanesische Hisbollah engagiert. "Sie sorgen sich wegen eines möglichen Sturzes Assads, der auch für sie einen Rückfall bedeuten würde", so Butter. Würde sich Assad hingegen an der Macht halten, würde das auch die Position seiner Verbündeten stärken. Entsprechend entschlossen seien sie, weiter an der Seite Assads zu kämpfen.

Auf der anderen Seite sieht Butter die Rolle der ausländischen Extremisten, die auf Seiten der Aufständischen kämpfen. Ihre Präsenz spalte die Reihen der bewaffneten Opposition zunehmend. "Wir beobachten seit einigen Monaten verstärkte Spannungen zwischen den nicht-extremistischen Gruppen der Opposition und den Dschihadisten, vor allem der Gruppe 'Islamischer Staat in Irak und Syrien'. Sie haben die Spannungen innerhalb der Opposition ansteigen lassen."

"Wir werden siegen"

In Syrien stoßen die unterschiedlichsten Interessen aufeinander. Sie lassen sich kaum auf einen gemeinsamen Nenner bringen. Sollten die Diplomaten demnächst zu "Genf 2" zusammentreffen, werden sie ihre ganze Verhandlungskunst aufwenden müssen. "Die Chance auf ein Ende der Gewalt besteht zwar", erläutert David Butter. "Aber die Positionen der beteiligten Parteien scheinen sehr weit auseinander."

Syrische Flüchtlinge warten am 11.09.2013 auf dem Flughafen von Beirut auf den Flug nach Deutschland (Foto: AP)
Fast schon in Sicherheit: Syrische Flüchtlinge warten in Beirut auf den Flug nach DeutschlandBild: picture-alliance/AP

Vorerst wird die Gewalt in Syrien darum weitergehen. "Wir werden kämpfen", erklärt Abdul Rahman Al Haj. "Der Kampf wird lange dauern, und wir werden immer stärker leiden. Aber am Ende werden wir Erfolg haben und diesen Krieg gewinnen."