Unterwegs mit dem DRK in Pakistan
23. September 2010In Sajawal sind die Fluten gerade wieder abgeflossen. In den meisten Geschäften sind die Rollläden noch heruntergelassen, und am Ende der Straße stehen große Pfützen mit Wasser. Trotzdem hat sich das Bild innerhalb von kurzer Zeit deutlich verändert. "Vor ein paar Tagen war das hier eine Geisterstadt, hier war niemand mehr", erinnert sich Claus Muchow vom Deutschen Roten Kreuz. Nur mit dem Geländewagen sei es überhaupt möglich gewesen, durch die Straßen zu fahren. Und selbst das sei schwierig gewesen. "Das Wasser stand so hoch, dass die Kotflügel nicht mehr zu sehen waren." Jetzt aber, berichtet Muchow, würden die Menschen zurückkehren - und müssten dringend mit sauberem Trinkwasser versorgt werden. Genau das ist die Aufgabe des DRK-Teams.
An einem Kanal zwei Kilometer außerhalb von Sajawal haben die Rotkreuzler mittlerweise ihren Wasserfilter in Betrieb genommen, mit dem sie Trinkwasser für ihre Zapfstationen aufbereiten. Eigentlich würde es sich dabei um einen landwirtschaftlich genutzten Bewässerungskanal handeln, erklärt Claus Muchow. "Im Moment ist es das einzige fließende Wasser, das wir haben. Und die Qualität ist immerhin einigermaßen in Ordnung." Gerade in dieser Region habe man es oft mit einer algenreichen und lehmigen Brühe zu tun, so dass man besonders darauf achten müsse, möglichst wenig Sedimente im Wasser zu haben. "Je weniger Sedimente, desto einfacher ist das Wasser aufzubereiten. Außerdem braucht man dann weniger Chemikalien, und die stündliche Liter-Leistung ist auch höher."
Skepsis bei der Bevölkerung
Das Wasser wird von der Filter-Anlage nach dem Ansaugen mit Aluminiumsulfat versetzt, um die Schwebstoffe herauszunehmen, und läuft dann über einen Sand- sowie einen Aktiv-Kohlefilter. Abschließend wird Chlor hinzugefügt, um verbleibende Keime abzutöten und das Wasser in der Hitze ein paar Tage lagern zu können.
Für viele Flutopfer ist der Chlor-Geschmack gewöhnungsbedürftig. Im "Jail City" genannten Lager im benachbarten Ort Thatta haben sich die Menschen im Rohbau eines neuen Gefängnisses provisorisch eingerichtet. Neben einer Zisterne, in der die örtlichen Behörden unbehandelt das Wasser aus einem Kanal einfüllen, stehen ihnen jetzt auch drei 11.000-Liter-Wassertanks des DRK zur Verfügung. "Man kann es schon trinken", meint ein Lager-Bewohner. Wirklich überzeugt ist er aber nicht. "In meinem Heimatort haben wir unser Wasser mit Handpumpen aus dem Boden geholt. Dieses Wasser ist ganz anders. Aber hier müssen wir es halt trinken."
DRK-Einsatz dauert noch Monate
In Muchows fünfköpfigem Team aus Deutschland und Österreich kennen sie solche Kommentare schon und schmunzeln. Durch ganz Pakistan sind sie in den letzten Wochen schon gefahren, immer mit der Flutwelle, und haben fünf Wasserfilter-Anlagen in Betrieb genommen. Claus Muchow bringt so schnell nichts aus der Ruhe, er ist häufig in Katastrophen-Gebieten unterwegs, zuletzt beim Erdbeben in Haiti. Aber immer nur auf Zeit. Denn eigentlich hat er einen ganz anderen Beruf. "Ich bin Bezirksschornsteinfegermeister in Burgsteinfurt in der Nähe von Münster", erzählt er. Vor 15 Jahren stieß er im Zuge der Kosovo-Krise zum Roten Kreuz - und blieb dabei. "Seitdem leiste ich immer wieder Nothilfe, unterstütze in den ersten Wochen nach einer Katastrophe den Aufbau einer Infrastruktur."
Während sich Muchows Team schon langsam auf die Rückreise einstellt, wird das Deutsche Rote Kreuz noch auf Monate in der Region bleiben, um den Wiederaufbau zu unterstützen. Vielleicht werden die nächsten Helfer auch in dem Haus wohnen, das Muchow in Thatta angemietet hat. Sogar die gesamten Möbel sind im Flugzeug aus Deutschland mitgekommen: Beim DRK sind die Transportkisten so gepackt, dass man die Deckel als Tische und den Rest als Regal umfunktionieren kann.
Autor: Thomas Bärthlein
Redaktion: Olja Ebel / Esther Broders