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Unverhoffter Geldsegen aus SED-Vermögen

30. März 2010

Eine Bank muss laut einem Schweizer Gerichtsurteil gut 230 Millionen Euro an den deutschen Staat zahlen. Das Geld stammt ursprünglich aus der DDR. Eine verzwickte Geschichte, die eigentlich schon beendet zu sein schien.

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Ein überdimensionales Parteiabzeichen der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, das bis 1989 an der Außenfassade des Gebäudes des ZK der SED in Berlin prangte. Zu sehen ist ein Händedruck, der die Zwangsvereinigung von Sozialdemokraten und Kommunisten zur SED symbolisiert. Dahinter ins Bild montiert die Schweizer Fahne, weißes Kreuz auf rotem Grund. (Foto: dpa)
Bild: AP/DW

Es gibt Geschichten, die klingen so kurios und abwegig, dass sie kaum einer versteht und viele sie nicht glauben. Das gilt in diesem Fall zumindest für Jüngere und all jene, die nicht unmittelbar beteiligt waren. Und das waren die meisten bei der Geschichte vom größtenteils verschwundenen Vermögen der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), die bis Ende 1989 die alles andere als demokratische Deutsche Demokratische Republik (DDR) fest im Griff hatte.

Geradezu gigantisch war das Vermögen, das die Staatspartei in den Jahrzehnten nach der 1946 erfolgten Zwangsvereinigung von Kommunisten (KPD) und Sozialdemokraten (SPD) zur SED mehr in Beschlag genommen als erwirtschaftet hat: Milliarden von Euro, damals Mark, Gold, Immobilien und viele andere Werte hatte die Partei angehäuft. Im Zuge der friedlichen Revolution in der DDR setzte die frei gewählte Volkskammer eine Behörde mit einem ausgesprochen sperrigen Namen ein: "Unabhängige Kommission zur Überprüfung des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen der DDR".

Eine Besuchergruppe steht am Palast der Republik in Ost-Berlin am Eingang zur Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik. Der Schriftzug ist auf einer hellen Wand angebracht, darüber das DDR-Emblem mit Hammer, Zirkel im Ährenkranz. (Foto: dpa)
Schon das 1990 frei gewählte DDR-Parlament, die Volkskammer, suchte die SED-MillionenBild: picture alliance/ dpa

Eine Kommunistin aus Österreich als Geschäftsführerin

Die UKPV, wie sie kurz genannt wurde, war seit dem 1. Juni 1990, also schon vor der Wiedervereinigung im selben Jahr, für das Aufspüren von Vermögen im In- und Ausland zuständig. Eine knifflige Aufgabe, denn die SED war, wie sich schnell herausstellte, sehr einfallsreich, wenn es um die Sicherung ihres wie auch immer erworbenen Vermögens ging. So landeten 1992 umgerechnet etwa 225 Millionen Euro der DDR-Handelsgesellschaft "Novum" auf verschlungenen Pfaden bei der österreichischen Kommunistin Rudolfine Steindling, die als Gesellschafterin für die dubiose Firma tätig war.

Ein Teil davon konnte sichergestellt werden. Der Verbleib von immerhin 128 Millionen Euro ist nach wie vor ungeklärt. Die mit dem Fall befassten Schweizer Richter gelangten in ihrem Urteil vom 25. März 2010 jedoch zu der Überzeugung, die Bank Austria habe gegen die gesetzliche Sorgfaltspflicht verstoßen, weil sie die Herkunft des Geldes nicht angemessen überprüft habe. Anders ausgedrückt: die Bank hätte aufgrund der Vorgeschichte Zweifel an der Herkunft des Geldes hegen müssen.

Ostdeutsche Länder hoffen auf 230 Millionen Euro

Die Rechtmäßigkeit dieses Falles war schon häufiger Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen, bevor nun das Obergericht des Kantons Zürich die zur italienischen Unicredit-Gruppe gehörende Bank Austria zu Schadenersatz verurteilte. Nebst Zinsen ist der ursprüngliche Betrag von 128 Millionen Euro auf rund 230 Millionen angewachsen. Ein hübsches Sümmchen, auf das sich die ostdeutschen Länder schon freuen. Denn Vermögenswerte ehemaliger DDR-Parteien und Massenorganisationen kommen gemäß dem deutschen Einigungsvertrag ausschließlich dem lange Zeit unfreien Teil des Landes zugute.

Zunächst allerdings müssen sich die möglichen Nutznießer des unverhofften Geldsegens gedulden, weil das Urteil noch nicht rechtskräftig ist. Sollte es in einem Revisionsverfahren bestätigt werden, wäre es ein später Triumph für die UKPV, die ihre Arbeit 2006 mit der Vorlage eines Abschlussberichtes beendet hat. Demnach wurden umgerechnet weit über 1,3 Milliarden Euro sichergestellt.

Der Fraktionsvorsitzende der Partei "Die Linke", Gregor Gysi, mit zugekniffenen Augen und abwehrender Handbwegeung während einer Rede auf dem Parteitag im Juni 2009 in Berlin. (Foto: dpa)
Hände weg vom SED-Vermögen! Gregor Gysi (hier im Jahre 2009) rettete zumindest einen TeilBild: AP

Genossen treten 1994 in einen Hungerstreik

Dass nun womöglich rund 230 Millionen Euro dazukommen, freut die aus der DDR-Bürgerrechtsbewegung stammende Christdemokratin Vera Lengsfeld. "Doch leider entspricht die Summe nur einem Zehntel des beiseite geschafften Vermögens", bedauerte Lengsfeld gegenüber der ‚Leipziger Zeitung‘. Der heutigen Linkspartei wirft die ehemalige Bundestagsabgeordnete vor, den Verbleib des restlichen SED-Vermögens zu vertuschen. "Dabei ist doch unter dem damaligen PDS-Parteichef Gysi ein Großteil des Vermögens verschwunden", behauptet Lengsfeld.

Die aus der SED hervorgegangene Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) hat sich 2007 mit der westdeutschen Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG) als "Die Linke" zusammengeschlossen. Ihr heutiger Fraktionschef im Deutschen Bundestag ist jener Gregor Gysi, der erster PDS-Vorsitzender war. Gemeinsam mit anderen führenden Genossen, darunter der amtierende Linkspartei-Chef Lothar Bisky, wehrte sich Gysi 1994 in Form eines Hungerstreiks gegen die Vollstreckung einer Steuerforderung des Berliner Finanzamtes in Höhe von umgerechnet gut 34 Millionen Euro.

PDS verzichtet auf umstrittene Vermögenswerte

Es war der Höhepunkt in der Auseinandersetzung zwischen der damaligen PDS und der Treuhandanstalt, die nach der Wiedervereinigung für die Kontrolle und Privatisierung der einstigen DDR-Wirtschaft zuständig war. In einem abschließenden Vergleich verzichtete die PDS 1995 auf alle umstrittenen Vermögenswerte. Im Gegenzug wurde ihr Rechtssicherheit zugebilligt. Nachweislich rechtsmäßig erworbenes Vermögen, darunter die schon seit den 1920-er Jahren von der KPD genutzte Parteizentrale, durfte die SED-Nachfolgerin behalten. Heute residiert die Linke in dem historischen Berliner Gebäude.

Über zusätzliche Immobilien durften sich auch Christdemokraten (CDU) und Liberale (FDP) freuen. Nach dem Zusammenschluss mit ihren ostdeutschen Ablegern, die zu DDR-Zeiten als so genannte Blockparteien streng regimetreu waren, verblieben etliche Gebäude in ihrem Besitz. Der Löwenanteil des Partei-Vermögens gehörte allerdings der Staatspartei SED. Sie allein besaß fast 1700 Immobilien. Nur ein paar davon gehören heute der Linkspartei. Auch zwei Verlage aus DDR-Zeiten darf sie ihr Eigen nennen. In dem einen davon erscheint das frühere SED-Zentralorgan "Neues Deutschland".

Dietmar Bartsch, undesgeschäftsführer der Partei Die Linke, vor der roten Kulissenwand mit dem schwarz-weißen Schriftzug des Partei-Namens. (Foto: AP)
Alles Schnee von gestern, meint Linkspartei-Geschäftsführer Dietmar BartschBild: AP

"Geschichte aus dem vorigen Jahrhundert"

Die Zeitung gibt es immer noch. In der Ausgabe vom 29. März 2010 steht auf Seite sechs ein überwiegend aus Agentur-Material bestehender Artikel mit der Überschrift "Noch einmal Streit um SED-Millionen". Am Ende des Textes wird der Bundesgeschäftsführer der Linken, Dietmar Bartsch, zitiert: "Das ist eine Geschichte aus dem vorigen Jahrhundert", sagt der Mann, der damals Schatzmeister jener aus der SED entstandenen PDS war, um deren Vermögenswerte es seinerzeit ging.

Durch den Verzicht auf weitere Ansprüche ist dieses Kapitel für die Linke in der Tat abgeschlossen. Durch das nun ergangene Urteil des Schweizer Gerichts gegen die Bank Austria ist das Thema allerdings erneut in die Schlagzeilen geraten – 20 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung. Eine abenteuerliche Geschichte, die immer noch nicht endgültig vorbei ist. Es geht schließlich um 230 Millionen Euro, die sich die verurteilte Bank im wahrsten Sinne des Wortes gerne sparen möchte. Sie will Berufung einlegen.

Autor: Marcel Fürstenau

Redaktion: Dеnnis Stutе