Uralte Baka-Kultur in Gefahr
10. August 2012Das Geräusch einer Kettensäge, die das Bergbaugelände in Ngoyla im Südosten Kameruns von Bäumen befreit, jagt Mendum Lysette einen Schauer über den Rücken. Die Witwe mit drei Kindern und ihr Volk der Baka-Pygmäen leben in nächster Nähe zum Wald, den sie als ihre natürliche Heimat begreifen. Bis vor wenigen Jahren hatten die 35.000 Baka wenig mit der Außenwelt zu tun. Doch seit der Wald das Ziel kommerzieller Interessen geworden ist, haben sich die Dinge dramatisch geändert.
Lysette lebt in den Wäldern Südkameruns. Sie und viele andere Baka hatten noch nie so viel Angst wie jetzt. "Wir können einfach nicht anders als Angst zu haben. Jeden Tag kommen Fremde und singen ein neues Loblied auf den Abbau“, sagt sie. "Und während die Tage vergehen, erleben wir systematische Einschränkungen in unseren Rechten. Die Regierung Kameruns und ein paar weiße Menschen haben uns aus dem Herzen dieses Waldes geholt und in dieses Dorf umgesiedelt. Jetzt gehen wir in den Wald und kommen abends zurück. Nachts dürfen wir da nicht rein.“
Lysettes Familie und andere Familien wurden gezwungen, in ein einfaches Dorf am Rande des Waldes zu ziehen. Doch die Baka fühlen sich hier nicht wohl. Sie waren es gewohnt, sich auf der Suche nach Wild, Früchten und Knollen frei im Wald zu bewegen. Doch nun sind sie gezwungen, ein ortsgebundenes Leben am Straßenrand zu führen. Lysette fühlt sich um die Geräusche der Vögel und der Tiere beraubt, die Teil ihres Lebens und ihrer Seele waren.
Den Großteil ihres Lebens verbrachten Lysette und die meisten anderen Baka in enger Verbundenheit mit der Natur, direkt im Ngoyla-Mintom Wald, einem 943.00 Hektar umfassenden Waldgebiet, das die östlichen und südlichen Regionen Kameruns überspannt. Doch genau hier plant das Bergbauunternehmen Cam Iron in den nächsten 25 Jahren nahezu eine Milliarde Tonnen Eisen abzubauen.
Kamerun drängt auf Vision 2035
Bodenschätze und Abholzung sind die wesentlichen Bereiche, in denen Kameruns Regierung auf genug Ertrag hofft, um seine entwicklungspolitische Vision bis 2035 zu erreichen. Der Sektor ist eine Lebensader für die vielen ländlichen Gemeinden und liefert mehr als ein Viertel der Exporteinnahmen des Landes.
"Die Baka haben Tausende und Tausende von Jahren in den Wäldern Südkameruns gelebt“, sagt David Hoyle, Naturschutzdirektor des World Wide Fund For Nature, WWF. "Ihr Wissen ist unglaublich – die Heilmittel, die Pflanzen, die Tiere.“ Aber die Welt sei natürlich im Wandel und Kamerun entwickle sich. Daher käme das Drängen der Regierung auf Bergbaugenehmigungen und Abholzerlaubnisse, aber auch auf eine generelle Entwicklung.
Dieses Vorgehen hat in der Region zu einem Zulauf von Holz- und Bergbauunternehmen geführt, die den Baka-Pygmäen als traditionellen Jägern nun viele Probleme bereiten. "Die Baka können sich nun nicht mehr vollständig auf den Wald verlassen, denn die zur Erhaltung geschaffenen Schutzgebiete werden jetzt von Naturschutzorganisationen wie dem WWF und der Wildlife Conservation Society (WCS) verwaltet“, sagt Naah Ndobe. Er ist der Koordinator des Zentrums für Umwelt und Entwicklung in Yaounde, die sich für den Schutz der Umwelt und der Rechte der Baka-Pygmäen einsetzt.
"Die fruchtbaren Teile des Waldes, wo sie gewöhnlich Wild und Früchte fanden, stehen nun unter Schutz und werden bewacht. Die Abholzflächen werden ebenfalls bewacht, weil die Inhaber der Lizenzen ihnen dort keinen Zugang gewähren“, schildert Ndobe. "Sie haben Verpflichtungen, die sogenannte Wilderei und so weiter zu kontrollieren.“ Die ursprünglichen Bewohner des Waldes seien sehr verwundbar geworden – beraubt des Landes, an dem sie seit Ewigkeiten ihre Freude hatten.
Harter Kampf um das Land der Vorfahren
Mit wenig Zugang zu Bildung und keiner Stimme in den oberen Etagen der Entscheidungsträger, finden sie es schwierig, den Kampf um das Land ihrer Vorfahren zu führen. Eine Kombination aus Diskriminierung, wirtschaftlichen Interessen und mangelnder Kontrolle beraubt die Baka um das Wesentliche ihrer Existenz. David Hoyle hat lange mit den Baka gearbeitet und sagt, er verstehe ihre Frustration. "Es gibt viele Herausforderungen. Ihre Traditionen scheinen zu verschwinden. Es gibt große Probleme bei der Integration in die Gesellschaft und auch mit Alkoholmissbrauch“, sagt er. "Es ist eine ziemlich traurige Situation.“ Es müsse eine Lösung gefunden werden, die den Baka Rechnung trägt und es Kamerun gestattet, sich als aufstrebende Wirtschaft zu entwickeln.
Für die Baka scheint es keinen Platz zu geben, ihre einzigartige Kultur und Tradition zu bewahren. Selbst, wenn sie nach Alternativen suchen um über die Runden zu kommen, werden diese ihnen verboten. "Ein Baka darf kein Wild verkaufen und Geld verdienen um seine Kinder in die Schule zu schicken“, sagt Ndobe. Durch die Nutzungsrechte dürfen sie im Wald zwar jagen und sammeln, allerdings ausschließlich für den eigenen Verbrauch.
Die Naturschutzorganisation WWF arbeitet gemeinsam mit Regierungsbeamten und den Baka an einer Lösung. Der WWF verhandele mit der Regierung, um den Baka Zugangsrechte für die Nki und Bouba Bek Nationalparks zu geben. Diese Teile dürfen sie dann bewirtschaften, sagt David Hoyle. Dies sei wichtig, um den Baka den Zugang zu ihren Kultstätten zu gewähren und damit sie Wildbeeren, Wildknollen und Heilpflanzen sammeln können, die sie in Nutzwäldern nicht finden.
Doch Ndobe glaubt, dass eine aufrechte Lösung nur durch fundamentale Reformen, die die Grundrechte der Baka schützen sollten, gefunden werden kann. Die indigenen Völker in Kamerun sollten besser geschützt werden, besonders seit die Regierung die UN-Erklärung der Rechte der indigenen Völker unterzeichnet habe. "Auf der ganzen Welt – Lateinamerika, Asien – überall gibt es indigene Völker, Jäger und Sammler. Und in der ganzen Welt haben sie spezifische Rechte, die anerkannt wurden.“
Ndobe betont die Notwendigkeit, dass die Regierung Kameruns spezifische Gesetze erlassen müsse, die die Rechte der Baka wahren und deutet auf den Fortschritt, der in Nachbarstaaten wie der Zentralfrikanischen Republik gemacht wurden. Es bleibt abzuwarten, wie verpflichtet sich Kamerun den Rechten seiner indigenen Einwohner, die ein Prozent der 19 Millionen-Bevölkerung ausmachen, fühlt. Für die Baka ist es eine Frage von Leben und Tod ihrer einzigartigen Kultur und Identität.