Urlaub zwischen Nationalismus und Alltag
25. August 2019Für das kleine Städtchen Neos Marmaras in der nordgriechischen Urlaubsregion Halkidiki läuft die Saison auf Hochtouren. Der weitläufige Sandstrand ist tagsüber gut besucht. Am Abend freuen sich Restaurant- und Barbesitzer über volle Tische. Die drei Halbinseln in der griechischen Nordägäis liegen nur einen Steinwurf entfernt von den Grenzen zu den Nachbarländern des Balkans. Daher tummeln sich hier neben Deutschen, Engländern und Franzosen, vor allem auch Bulgaren, Serben, Albaner und Mazedonier. Zwar ist der Namensstreit zwischen Griechenland und dem jetzigen Nordmazedonien beigelegt, doch die kulturellen Spannungen zwischen den Menschen hat das Prespa-Abkommen nicht lösen können. Gerade hier, in der nordgriechischen Region Mazedonien stößt die Tatsache, dass eine griechische Regierung dem Nachbarland gestattet hat, den Namen zu verwenden, bei vielen auf Wut und Unverständnis.
Die Gräben sind tief
"Ich will mich nicht namentlich äußern. Ich hätte nichts Gutes zu sagen", warnt der Besitzer eines Grillrestaurants. "Da, siehst Du dieses Bild?", fragt er und zeigt auf die alte Fotografie eines Mannes in mazedonischer Tracht. "Ich kenne meine Geschichte und zwar mit Fakten belegt," erklärt der Gastronom. Dass Menschen aus dem Nachbarland in seine Gaststätte kämen und sich als Mazedonier rühmten, empfindet er als Affront.
Dabei habe er generell nichts gegen die Menschen vom Balkan. Gerade zu den Serben, die einen Großteil der Touristen in Neos Marmaras ausmachen, habe er ein gutes Verhältnis. Dies aber spiegelt sich durchaus in der Geschichte der beiden Länder wider. Im Gegensatz zu Skopje, verbinden Athen und Belgrad per se freundschaftliche Bunde. Griechenland hat den Kosovo nicht anerkannt und sich während der Jugoslawienkriege deutlich auf die Seite Serbiens gestellt. Dokumente und Fotos belegen, dass Griechen sogar am Massaker von Srebrenica beteiligt waren. Griechische Medien haben darüber ausführlich berichtet.
Die Geschichte der Region ist diffizil. Doch gerade der Namensstreit mit Nordmazedonien trifft einen wunden Punkt des griechischen Geschichtsverständnisses. "Ich habe Mitarbeiter aus Bulgarien und aus Albanien. Und die Mutter einer meiner Angestellten kommt sogar aus Skopje" (Hauptstadt Nord-Mazdoniens), erklärt der Restaurantbetreiber und vermeidet so den Namen "Nordmazedonien" in den Mund zu nehmen. Eine Methode, die eine Art griechischen Widerstands zum Ausdruck bringt, nach dem Motto: Mazedonien, das sind wir. Das Prespa-Abkommen sollte die Spannungen zwischen den beiden Ländern beilegen. Politisch scheint dies gelungen. Selbst der neugewählte Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis scheint sich trotz drohender Worte während des Wahlkampfes an die Abmachungen zu halten.
Umsetzung des Prespa-Abkommens
Nordmazedonien muss derweil eine ganze Reihe an komplizierten Prozessen durchlaufen, um die Bedingungen für den Namenskompromiss zu erfüllen. Seit einigen Wochen darf das Land nicht mehr offiziell die "Vergina-Sonne" benutzen, jene gelbe Sonne auf blauem Untergrund, die als Fahne auch in Nordgriechenland an den Balkonen hängt. Nicht selten an denen, wo Nationalisten wohnen. Griechenland beobachtet die Fortschritte mit Argusaugen. Viele Menschen fühlen sich beleidigt, wenn sie Autos sehen, an denen das Landeskürzel "MK" noch nicht durch "NMK" ersetzt wurde.
Auch für die Touristen, die seit Jahren aus Nordmazedonien nach Halkidiki kommen, sind viele dieser Änderungen mit Anstrengungen verbunden. Neue Ausweispapiere, neue Führerscheine, neue Nummernschilder. Eine mazedonische Journalistin, die in Neos Marmaras Urlaub macht, berichtet, dass Ministerpräsident Zoran Zaev ihre Kollegen berichtigt, wenn sie den alten Namen benutzen. Mazedonien scheint das Abkommen ernst zu nehmen. Und wenn Mazedonier dann mit dem Auto zurück vom Urlaub nach Hause fahren, sehen sie auf griechischen Straßen immer noch die alten Hinweisschilder, die "Skopje" und nicht Nordmazedonien anzeigen.
Pragmatismus und stille Wut
In Neos Marmaras geht man sich generell aus dem Weg. "Wir werden nicht diskrimiert, aber eigentlich haben wir auch keinen Kontakt mit Griechen", erklärt eine Urlauberin, die bereits seit Jahren nach Halkidiki kommt. Sie mag die Strände und war bereits an vielen verschiedenen Orten. Sie sei gekommen, um sich zu erholen, und nicht, um sich mit Politik auseinanderzusetzen.
Diese Einstellung vertreten auch die meisten Restaurant- und Hotelbesitzer. "Mit zahlenden Gäste rede ich nicht über Politik", erklärt der Betreiber einer Beachbar. Auch er will sich nicht namentlich äußern. "Ich habe durchaus meine Meinung, aber ich will nirgendwo anecken", erklärt auch der Besitzer eines Cafés im Zentrum des Ortes. Er wolle nicht seine Kunden aus Nordmazedonien verprellen. Gleichzeitig befürchte er Ärger mit anderen Gastronomen, wenn er Stellung für sie beziehen würde.
Die Situation ist angespannt. Angst und Wut prägen das Klima in Neos Marmaras, wenn es um die Touristen aus dem Nachbarland geht. Und längst nicht alle halten sich zurück. Viele Mazedonier berichten von Auseinandersetzungen, gerade auch mit Urlaubern aus Griechenland. In einer Beachbar auf der ersten Halbinsel der Halkidiki lautet das Wlan-Passwort: "Macedonia is Greek" - Mazedonien ist griechisch. Eine offene Provokation.
Mazedonier bringen Geld
"Solcherlei Vorfälle spiegeln nicht die Mehrheit der Unternehmer in Halkidiki wider, die die Gäste aus Nordmazedonien professionell und respektvoll empfangen wüollen, wie alle anderen auch”, meint Grigoris Tasiou vom örtlichen Tourismusverband im Interview mit der Deutschen Welle. In den Sommermonaten Juni bis September besuchen etwa 150.000 Urlauber aus Nordmazedonien Halkidiki. "Das bedeutet, dass das für uns ein wichtiger Markt ist."
Die Lebenswelten der beiden Völker überschneiden sich dabei längst nicht nur im Tourismus. Viele Mazedonier studieren in Griechenland. Der Handel zwischen beiden Ländern boomt. Schon lange vor dem Prespa-Abkommen haben sich große griechische Unternehmen in Nordmazedonien niedergelassen und verdienen Geld. Gerade in Griechenland redet man darüber gar nicht oder nur ungern. Dabei könnte ein Bewusstsein darüber, dass beide Seiten voneinander profitieren, dem anhaltenden Streit um einen Namen eine neue Richtung geben.