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Coronapandemie begann auf dem Markt in Wuhan

1. März 2022

Weitere Studien deuten darauf hin, dass die Pandemie auf dem Wildtiermarkt in Wuhan ihren Anfang nahm. Die Hypothese vom Laborunfall ist damit zwar nicht komplett ausgeschlossen, wird aber noch unwahrscheinlicher.

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Ein Larvenroller in einem Käfig auf einem Fleischmarkt für Wildtiere in Guangzhou
Der Zwischenwirt, von dem das SARS-2-Virus auf den Menschen übergesprungen sein könnte, ist noch nicht gefunden.Bild: Paul Hilton/dpa/picture-alliance

Der Huanan-Wildtiermarkt in der chinesischen Millionenmetropole Wuhan soll tatsächlich das Epizentrum der Corona-Pandemie sein. Wahrscheinlich ist SARS-CoV-2 dort von Tieren auf die ersten Infizierten übergesprungen. Darauf weisen zwei aktuelle, noch nicht begutachtete Studien hin.

Das Coronavirus als Zoonose, die von einer Fledermaus den Weg über einen Zwischenwirt auf dem Wildtiermarkt zum Menschen gefunden hat, galt unter Wissenschaftlern auch vorher schon als plausibelste Theorie. 

Allerdings hält sich auch die Diskussion um das im Labor künstlich hergestellte SARS-2-Virus, das durch einen Unfall entkommen konnte, hartnäckig - trotz fehlender stichhaltiger Belege. 

Verkauf lebender Tiere auf dem Markt

Viele der ersten mit SARS-CoV-2 infizierten Menschen konnten im Dezember 2019 mit dem Wildtiermarkt in Verbindung gebracht werden. Offen blieb allerdings die Frage, ob das Virus hier von einem Tier auf den Menschen übergesprungen war oder ob es bereits zirkulierte und im Gedränge zwischen den Verkaufsständen besonders leicht von Mensch zu Mensch übertragen werden konnte.

Die Forschenden der ersten Preprint-Veröffentlichung sind sich ziemlich sicher, diese Unklarheit beseitigt zu haben. Mit Hilfe aller möglichen Informationen über Wohn- und Aufenthaltsorte sowie epidemiologischer Daten konstatieren sie, die "Analysen liefern eindeutige Beweise für die Entstehung von SARS-CoV-2 durch den Handel mit lebenden Wildtieren und identifizieren den Huanan-Markt als das eindeutige Epizentrum der COVID-19-Pandemie."

Ein Großteil der ersten Infizierten ließe sich mit dem westlichen Teil des Marktes in Verbindung bringen, heißt es in der Studie. Dort soll bei Ausbruch der Infektionen auch mit lebenden Wildtieren gehandelt worden sein, wie in dem chinesischen Online-Netzwerk Weibo veröffentlichte Fotos von Besuchern des Marktes zeigen, die die Forschenden ausgewertet haben. 

Darunter seien auch Bilder des Marderhundes, den der Virologe Christian Drosten schon früh als einen potentiellen Zwischenwirt ins Gespräch brachte. "Unsere eigenen experimentellen Studien zeigen, dass Marderhunde für SARS-CoV-2 empfänglich sind ohne schwer zu erkranken, den Erreger aber an Kontakttiere weitergeben können", sagt Thomas Mettenleitner, Präsident des Friedrich-Loeffler-Instituts, des Bundesforschungsinstituts für Tiergesundheit in Greifswald in Deutschland.

Was sind Zoonosen?

Das Geheimnis der Linien A und B

Einen weiteren Hinweis auf den Markt als Ausgangspunkt für die Corona-Pandemie liefert das Genom des SARS-2-Virus. In einer zweiten Studie untersuchten die Forschenden, darunter ein Teil der Autoren der ersten Studie, den genetischen Ursprung und die Entwicklung von SARS-CoV-2.

Bereits im frühen Stadium der Pandemie fanden Wissenschaftler in den gesammelten Proben zwei Abstammungslinien des Virus - Linie A und Linie B.

Anfangs unterschieden sich die beiden Linien nur durch zwei Mutationen, wobei Linie A mit dem in Fledermäusen vorkommenden Virus näher verwandt ist. Inzwischen hat Linie B das globale Rennen gewonnen und etliche Varianten hervorgebracht. 

Linie B wurde am 24. Dezember 2019 erstmals identifiziert. Die infizierte Person hatte den Huanan-Markt besucht und alle auf dem Markt selbst gesammelten Proben gehörten zur Linie B. 

Linie A wurde später entdeckt. Die Proben wurden zwar im näheren Umkreis des Marktes gesammelt, sie schienen jedoch keine direkte Verbindung zu dem Ort zu haben. 

Zwei zoonotische Übersprünge

Die Forschenden wollten wissen, warum Linie B früher entdeckt wurde und in der Folge das Pandemiegeschehen bestimmt hat, obwohl die Linie B genetisch weiter vom Virus in der Fledermaus entfernt ist als die Linie A.

Ihre Untersuchungen ergaben, dass sich "die empirischen genomischen Daten am besten durch mindestens zwei unterschiedliche zoonotische Übertragungen erklären [lassen], wobei sowohl Viren der Linie A als auch der Linie B in einem nicht-menschlichen Wirt zirkulierten", so die Forschenden.

Dass dieser Übersprung aber tatsächlich auf dem Wildtiermarkt in Wuhan passiert sein soll, wurde von chinesischer Seite nicht bestätigt.

Die Frage nach dem Zwischenwirt bleibt offen

In einer  dritten, ebenfalls noch nicht begutachteten Studie des Chinese Center for Disease Prevention and Control (CDC)

untersuchten die Forschenden den Wildtiermarkt kurz nach dessen Schließung am 01. Januar 2020. Sie fanden das SARS-2-Virus in zahlreichen Proben von Böden, Wänden, Käfigen und Abfalleimern - vor allem im westlichen Teil des Marktes, also dort, wo lebende Wildtiere, potentielle Zwischenwirte, verkauft worden sein sollen.

Laut CDC-Studie deute dies "auf die Prävalenz von SARS-CoV-2 auf dem Markt hin. Somit könnte der Markt aufgrund der hohen Zahl der täglichen Besucher als Verstärker gewirkt haben, was zu vielen anfänglich identifizierten Infektionsclustern in der frühen Phase des Ausbruchs führte."

Der Wildtiermarkt sei also nicht Ursprungsort, sondern eine Art Beschleuniger der Pandemie gewesen. 

In den untersuchten Tieren selbst entdeckten die Wissenschaftler keine Spuren des Virus. Die Proben stammten von streunenden Katzen, Hunden und Ratten sowie von toten Tieren, die zum Verkauf angeboten wurden, heißt es in der Studie.

Die lebenden Wildtiere wurden nicht getestet - konnten sie auch gar nicht. Sie waren zum Zeitpunkt der Untersuchungen bereits abtransportiert worden. 

Die Überwachung von Wildtieren solle allerdings verstärkt werden, schreiben die chinesischen Wissenschaftler. "Um die natürlichen Wirte und die Zwischenwirte für SARS-CoV-2 zu erforschen." 

Thomas Mettenleitner ist allerdings skeptisch, dass der Zwischenwirt noch gefunden werden kann. "Da leider aus der Anfangszeit wenig konkrete Daten vorliegen, wird dies immer schwieriger. Wichtig wären sehr frühe Proben, auch schon aus dem Jahr 2019, um die Infektion in möglichen Brückenspezies wie beispielsweise Pelztieren, also Nerzen oder Marderhunden zu belegen."

Dennoch seien die Studien laut Mettenleitner "weitere Puzzleteile, die einen zoonotischen Übergang wie bei SARS-CoV-1 vom ursprünglichen Fledermausreservoir über einen Brückenwirt zum Menschen wahrscheinlicher machen."