Atombomben bleiben in der Eifel
22. Juli 2011Die US-Atombomben sollen 1,5 Meter lang sein und einen Durchmesser von rund 50 Zentimeter haben. Ihre Sprengkraft beträgt angeblich das 15-fache der Hiroshima-Bombe. 1990 war im Zuge der Wiedervereinigung Deutschlands eine umfassende Abrüstung der ehemaligen Siegermächte in Deutschland politisch beschlossen worden. Dennoch sollen einige Atomwaffen der USA am Militärflughafen Büchel verblieben sein. Das Gelände liegt rund 90 Kilometer vom ehemaligen Regierungssitz Bonn entfernt. In Büchel trainiert die Bundeswehr mit ihren Kampfjets, die im Bedarfsfall auch diese Atomwaffen transportieren würden. "Atomare Teilhabe" heißt das. Eine offizielle Bestätigung für die Lagerung der Sprengköpfe vom Typ 61-B gibt es nicht, bestritten wird die Lagerung bisher aber auch nicht.
Gegen diese Waffen hatte die 68-jährige Elke Koller vor dem Verwaltungsgericht Köln geklagt. Die Friedensaktivistin ist seit 15 Jahren für die Partei der Grünen aktiv. Die Tornados, die Jagdbomber der Bundeswehr, fliegen jeden Tag zwei Stunden lang tief und schnell über das Haus von Elke Koller hinweg. Jeder Flug erinnert die pensionierte Apothekerin daran, dass am benachbarten Militärflughafen der Einsatz mit den letzten Atomwaffen in Deutschland geübt wird. Die Mutter von zwei inzwischen erwachsenen Kindern kann nicht verstehen, warum deutsche Soldaten zusammen mit amerikanischen Streitkräften den Einsatz von Waffen üben, die nach einem Gutachten des Internationalen Gerichtshofs als völkerrechtswidrig gelten.
Mehr als Bauchschmerzen
"Ich bekomme alleine schon vom Erzählen über die Bomben Bauchschmerzen", sagt Elke Koller. Sie ist wütend, dass der deutsche Staat seinen Bürgern eine solche Gefahr zumutet, während die Bundesregierung nunmehr die Atomkraftwerke in Deutschland in den nächsten zehn Jahren abschalten will. Auf dem Küchentisch von Elke Koller liegt eine kurze Notiz, dass ihre Klage auf Abzug der Atomwaffen in dieser Woche abgelehnt wurde. Die Begründung des Gerichts: Die atomare Abschreckung und die Teilhabe von Deutschen daran sei nicht völkerrechtswidrig.
"Natürlich bin ich enttäuscht", sagt Elke Koller. Aber sie sei auch Realist. Sie habe eigentlich nicht damit gerechnet, dass die unterste juristische Instanz, ein Verwaltungsgericht, den Mut hat, die Bundesregierung in diplomatische Schwierigkeiten zu bringen. Elke Koller will trotzdem nicht aufgeben. Sie wird unterstützt von der Internationalen Vereinigung von Juristen gegen Atomwaffen (IALANA). Zusammen mit ihnen soll es bis zum höchsten deutschen Gericht, dem Bundesverfassungsgericht, gehen.
Drohungen und Zuspruch für die Klägerin
Das Telefon bei Elke Koller steht seit der Abweisung der ersten Klage vor Gericht kaum noch still. "Inzwischen rufen bei mir völlig unbekannte Leute an und machen mir Mut", freut sich Koller. Sie sieht darin ein Zeichen, dass viele Bürger es gut finden, wenn einmal jemand aufsteht und sich Dinge nicht einfach so gefallen lässt. Der Zuspruch war nicht immer da. "Anfangs sind die Leute mit der Gartenschere auf mich los", berichtet die 68-Jährige. Der Militärflughafen Büchel, an dem die US-Atombomben gelagert und gewartet werden, bietet immerhin rund 2500 Jobs. Die ganze Region lebt davon. Deshalb würden viele Nachbarn ihre Klage gegen die Atombomben zwar eigentlich unterstützen, aber darum bitten, nicht öffentlich darüber zu reden.
Am Marktplatz mit Fachwerkhäusern und Brunnen liegt Monikas Friseurladen - ein Ort, an dem traditionell viel geredet wird. Das "Leben mit der Atombombe" ist hier aber kein Gesprächsthema. "Die Leute kommen zu mir, um sich wohl zu fühlen und wollen sich entspannen. Wir reden also eher über die Gesundheit oder den üblichen Tratsch. Politik und erst recht Atombomben stören da nur", so die Inhaberin.
Das Leben geht ganz normal weiter
Büchel und auch der Nachbarort Ulmen in der Nähe eines romantischen Vulkansees, einem der so genannten Maare, gelten als attraktive Zuzugsgebiete für junge Leute. Allein in einer Straße machen drei Familien auf ihren Nachwuchs aufmerksam: mit einem selbst gemalten Pappstorch. An Wäscheleinen hängt Babykleidung. An die "Atombombe um die Ecke" denkt auch hier offensichtlich niemand. "Das ist hier wirklich gar kein Thema", sagt eine Anwohnerin. Auch sie verweist auf den Militärflughafen als wertvollen Arbeitgeber.
Ein älterer Herr, der im Hof seinen Traktor repariert, will sich zu dem Thema lieber nicht äußern. Er antwortet mit einem Satz, den man in Deutschland oft hört, wenn man längst resigniert hat. "Naja, es ist eben so, wie es ist." Ein paar Straßen weiter wird fleißig neu gebaut. Einer der stolzen Hausbesitzer arbeitet auf dem Militärgelände. Er behauptet aber, er sei lediglich hierher gezogen, weil er das Wohnen auf dem Land schätze. Entlang der kleinen Landstraße zum Ort finden sich immer wieder Touristen, die sich den Naturpark Eifel ansehen wollen. Eine Wanderin schwärmte gerade noch von der Umgebung. Als sie hört, dass hier Atombomben lagern, meint sie nur, sie würde es sich unter diesen Umständen doch noch einmal anders überlegen.
Ruhe im Rathaus
Besuch im Rathaus. Wie geht die Politik mit der Situation um, die seit Jahrzehnten eigentlich dieselbe ist? Bürgermeister Alfred Steimers blickt gelassen von seinem Schreibtisch auf: "Wir schlafen alle sehr ruhig hier." Die Aufgaben seien nun einmal da am Flugplatz Büchel - und man lebe sehr gut damit. Steimers geht auch davon aus, dass die Waffen ordentlich gelagert werden. Nähere Details hat aber auch er als Bürgermeister nicht. "Das ist bei der Bundeswehr Geheimsache. Fertig!" An Tagen der "offenen Tür", zu denen der Militärstützpunkt Büchel die Bevölkerung immer wieder einmal einlädt, werden die Schleudersitze der Flieger präsentiert und die Überlebensnahrung der Piloten. Kinder dürfen in die Cockpits der Düsenjets klettern. Die Atombomben sind natürlich nicht zu sehen.
Die Klage auf Entfernung der Atombomben könnte auch die Bundeswehr dazu bewegen, im Rahmen der geplanten Sparmaßnahmen den gesamten Militärflughafen Büchel aufzulösen. Der CDU-Politiker Alfred Steimers ist deshalb auf die Klägerin Elke Koller nicht wirklich gut zu sprechen. "Soll sie klagen, das ist ihr gutes Recht", aber ernster werde sie am Ort deshalb nicht genommen. Die Klägerin solle doch einfach wegziehen, wenn sie so viel Angst habe - das fordern viele Leute in den Ortschaften rund um den Lagerungsort der Atombomben. Genau das aber lehnt Elke Koller ab - und schreibt schon an der nächsten Klage.
Autor: Wolfgang Dick
Redaktion: Hartmut Lüning