US-Botschafter in Bengasi getötet
12. September 2012Erst am Mittwoch wurde das ganze Ausmaß der blutigen Ausschreitungen in Libyen deutlich: Bei dem Sturm auf das amerikanische Konsulat in Bengasi im Osten des Landes sind US-Botschafter Christopher Stevens und drei seiner Mitarbeiter umgebracht worden. US-Präsident Barack Obama erklärte in Washington, man müsse es bedauern, wenn religiöse Gefühle verletzt worden seien. Der Tod der Amerikaner sei jedoch ein "sinnloser Gewaltakt". Obama kündigte verstärkte Sicherheitsmaßnahmen an.
Die aufgebrachten Demonstranten waren teils schwer bewaffnet. Augenzeugen berichteten jetzt von automatischen Waffen und Granaten, mit denen das Gebäude beschossen worden sei. Aus der Stadt waren am Dienstag blutige Ausschreitungen gemeldet worden. Die Vertretung der USA wurde schließlich niedergebrannt. Weitere US-Bürger wurden verletzt, obwohl sich viele Amerikaner bereits in Sicherheit gebracht hatten. Libysche Offizielle räumten ein, von der Intensität der Angriffe und der Wut der Menge überrascht worden zu sein. Der stellvertretende UN-Botschafter des nordafrikanischen Landes, Ibrahim Dabbaschi, teilte in New York mit, bis zu zehn Angehörige der libyschen Sicherheitskräfte seien bei dem Angriff auf das Konsulat getötet oder verletzt worden.
Zu ähnlichen Unruhen kam es in Ägypten und inzwischen auch in Tunesien. Vor der US-Botschaft in Tunis versammelten sich zahlreiche Demonstranten und verbrannten US-Flaggen. Die Polizei feuerte mit Tränengas und Gummigeschossen in die wütende Menge. In der ägyptischen Hauptstadt Kairo, hatten die Proteste am Dienstag begonnen. Demonstranten stürmten auf das Botschaftsgelände, rissen die US-Flagge herunter und hissten eine schwarze Fahne mit einem islamischen Glaubensbekenntnis. Hier war das Botschaftspersonal nach entsprechenden Warnungen abgezogen.
Die Menge wuchs im Verlauf des Abends immer mehr an, bis schließlich Tausende vor der Botschaft versammelt waren. Einige der Parolen: "Islamisch, islamisch: Das Recht unseres Propheten wird nicht sterben," und "Wir sind alle Osama (Bin Laden)". Die einflussreiche Moslembruderschaft rief für Freitag zu landesweiten Protesten auf.
Die Aufregung der Massen wurde entfacht durch einen Film über den Propheten Mohammed, den ein Amerikaner in Kalifornien produziert hat. Er ist mittlerweile untergetaucht, verteidigte aber per Telefon sein provokatives Werk. Ausschnitte sind im Internetportal Youtube zu sehen. Sie sollen den Propheten beim Sex zeigen und seine Rolle als Überbringer von Gottes Wort anzweifeln. Das Video wird von einem ägyptischen Christen in den USA beworben. Ein Sprecher von Youtube erklärte, die Webseite werde das Video nicht entfernen.
Auch die Arabische Liga und zum Beispiel die Regierungen Afghanistans und des Iran verurteilten den Film als "unmenschlich" und "beleidigend".
US-Außenministerin Hillary Clinton forderte den libyschen Präsidenten Mohammed el Megarif telefonisch auf, für den Schutz von Amerikanern in Libyen zu sorgen. Sie zeigte sich besorgt, dass sich die Proteste auf andere Länder ausweiten könnten. Das libysche Parlament sprach von einem "feigen Verbrechen" und verlangte, die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. In einer Stellungnahme forderte Bundesaußenminister Guido Westerwelle die Regierungen in Kairo und Tripolis auf, die Sicherheit der Botschaften und Konsulate in ihren Ländern in vollem Umfang zu gewährleisten. "Was religiöser Fanatismus anzurichten vermag, zeigen die gestrigen Ereignisse in Kairo und Bengasi in aller Deutlichkeit", sagte Westerwelle.
SC/gri/kis (ap, rtr, afp)