US-Friedensbewegung im Aufwind
11. März 2006Sie gab der Friedensbewegung in den USA ihr Gesicht: Cindy Sheehan. Mit spektakulären Aktionen wie einem wochenlangen Sitzstreik vor der Ranch von George W. Bush in Texas im Sommer 2005 verlieh sie der Trauer und der Wut über den Verlust ihres Sohnes, der im Irakkrieg fiel, Ausdruck: In jüngster Zeit jedoch wird die als "Peace Mom" bekannt gewordene Amerikanerin immer wieder verhaftet. Zuletzt am Montag (6.3.2006) bei einer Demonstration in New York, als sie Unterschriften für den Abzug der US-Truppen aus dem Irak bei der amerikanischen UN-Gesandtschaft abgeben wollte. Einen Besuch in Deutschland und ihre Teilnahme an den Aachener Friedenstagen hat die Friedensaktivistin anschließend abgesagt, weil sie bei der Demonstration verletzt wurde.
Repressionen steigern Popularität
Die Bush-Kritikern ist seit September 2005 bereits mehrmals festgenommen worden. Auch für die amerikanische Regierung sei sie inzwischen zum Symbol der Anti-Kriegs-Bewegung geworden, sagt Tobias Pflüger von der Tübinger Informationsstelle Militarisierung. "Mit Repressionen gegen Sheehan tut sich die US-Regierung aber keinen Gefallen, dadurch steigert sie nur ihre Popularität. Und die wächst von Tag zu Tag", sagt er.
Sheehan, die nie lange in Polizeigewahrsam bleiben muss, sorge damit für Aufwind bei den Friedensbewegungen in den USA, sagt auch Kristian Golla vom Netzwerk Friedenskooperative. Inzwischen musste sich die Polizei sogar einmal für ihr Vorgehen gegen sie entschuldigen und zugeben, dass ihre Festnahme nicht gerechtfertigt war. Für Golla ist das ein Zeichen für die Unsicherheit in der Gesellschaft, die auch auf die Polizei überspringe. "Es ist schwierig zu beurteilen, ob es sich dabei um gezielte Einschüchterungsversuche gegen sie handelt", sagt Golla. Dabei haben diese Aktionen einen positiven Nebeneffekt für die Aktivisten: Sie sorgen für mediale Aufmerksamkeit, und die hat die Friedensbewegung in den USA bitter nötig.
Mediale Aufmerksamkeit wächst
Denn die Lobby der Friedensbewegung in den Medien ist sehr gering. "Das ist ein echtes Strukturproblem", sagt Tobias Pflüger. Für ihn ist diese mangelnde Medienaufmerksamkeit auch viel dramatischer als die Möglichkeit, mit rechtlichen Mitteln gegen die Aktivisten vorzugehen: "In den USA finden richtig große Demos statt, aber die Medien berichten nicht darüber und deshalb kriegt keiner etwas davon mit." Pflüger, der Kontakt zu US-Aktivisten hält, berichtet jedoch, dass sich das langsam ändert. Immer mehr Menschen kämen zu Aktivitäten der Organisationen, und auch die Medien kämen nicht mehr darum herum, darüber zu berichten - nicht zuletzt dank Cindy Sheehan.
Personalisierte Friedensbewegung
"Die Friedensbewegung in den USA arbeitet mit Köpfen", sagt Golla. Eine Persönlichkeit wie Sheehan habe der Bewegung wieder neuen Auftrieb verliehen, denkt auch Hans-Peter Richter vom Deutschen Friedensrat. Sie habe auch das Potenzial, die in den USA eher lose organisierten Bewegungen zu vereinen. Auf nationaler Ebene sind das vor allem das Antikriegs-Bündnis A.n.s.w.e.r (Act Now to Stop War & End Racism), die Organisationen "Not in Our Name" und "United for Peace", eine Dachorganisation 70 kleiner Bürgerinitiativen und Vereine. Sheehan hat darüber hinaus gute Verbindungen zu der Gruppe "Codepink - Women for Peace".
Ablehnung des Irak-Einsatzes steigt
Hinzu kommt, dass immer mehr Amerikaner den Irak-Einsatz ablehnen, sagt die Amerikanerin Elsa Rassbach von der Organisation "American Voices Abroad". Es setze sich immer mehr die Ansicht durch, dass die Truppen aus dem Irak abgezogen werden müssen. Die Sympathiewerte für Bushs Politik fallen: Nach einer jüngsten Umfrage des US-Nachrichtensenders CBS beurteilen mehr US-Bürger denn je die Amtsführung von George W. Bush als negativ. 63 Prozent gaben sogar an, dass die Ergebnisse des Irak-Krieges die Mühe nicht gelohnt hätten. Für Rassbach steht deshalb fest: "Wenn die Politik keinen Widerstand leistet, dann muss das die Öffentlichkeit tun."
Macht sozialer Bewegungen
Soziale Bewegungen haben in den USA schon mehrfach bewiesen, welche Macht sie entwickeln können. Bestes Beispiel ist die Bürgerrechtsbewegung, die das Verhältnis zwischen Schwarzen und Weißen in den USA nachhaltig veränderte oder auch die Anti-Vietnamkriegs-Bewegung, die wesentlich zum Ende des US-Engagements beitrug. Gelingt es der US-Friedensbewegung auch jetzt, weitere Kräfte zu mobilisieren, werde auch ihre Macht zunehmen, denkt Pflüger. Und weiter: "Ich bin mir sicher, dass dies dazu führen wird, das sich bald auch die Bush-Regierung nicht mehr der Frage entziehen kann, ob sie sich diesen Einsatz noch leisten kann."