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US-Regierung weist Sgrena-Vorwurf zurück

Daniel Scheschkewitz, Washington 7. März 2005

Das Weiße Haus hat den Vorwurf der befreiten italienischen Journalistin zurückgewiesen, US-Soldaten hätten möglicherweise gezielt auf sie geschossen. Stattdessen könnten mangelnde Absprachen den Vorfall begünstigt haben.

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Beisetzung des getöteten Geheimdienstmitarbeiters Nicola Calipari in RomBild: AP

Die unterschiedlichen Versionen über den Hergang des Zwischenfalls am Freitag (4.3.2005), als das Fahrzeug Giuliana Sgrenas auf der Fahrt zum internationalen Flughafen von Bagdad an einer Straßensperre unter amerikanischen Beschuss geriet, belasten die Beziehungen zwischen beiden Ländern. Nicht nur hatte Italiens Ministerpräsident Berlusconi unmittelbar nach dem Vorfall den US Botschafter in Rom einbestellt. Um die Beziehungen zum italienischen Verbündeten nicht unnötig zusätzlich zu belasten, griffen Bush, Rice und Rumsfeld alle schon am Wochenende zum Telefonhörer und versuchten die Italiener zu beruhigen.

Absurder Vorwurf

Am Montag (7.3.2005) wies der Pressesprecher des US-Präsidenten, Scott McLellan, Vermutungen zurück, wonach amerikanische Soldaten Sgrenas Fahrzeug gezielt beschossen haben könnten. "Es ist absurd zu behaupten, dass unsere Männer und Frauen in Uniform absichtlich auf unschuldige Zivilisten zielen würden. Italien ist ein guter Freund und ein starker Verbündeter der USA", erklärte er. "Dies war ein tragischer Unfall."

Die amerikanischen und italienischen Behörden arbeiteten eng zusammen, um den Vorfall aufzuklären, sagte McLellan und ergänzte: "Unsere Soldaten befinden sich in einem Kriegsgebiet. Dies ist ein gefährliches Umfeld. Sie müssen oft in Bruchteilen einer Sekunde Entscheidungen treffen, um ihre eigene Sicherheit zu gewährleisten."

Sgrenas Vermutung

Giuliana Sgrena auf italienischem Boden
Giuliana Sgrena nach ihrer Befreiung und Ankunft in RomBild: AP

Sgrena hatte zuvor der Zeitung "Corriere della Sera" gesagt: "Ich glaube, aber das ist nur eine Hypothese, dass ihnen das glückliche Ende der Verhandlungen nicht gepasst hat. Die Amerikaner sind gegen diese Art von Operation. Krieg ist für sie Krieg, ein Menschenleben zählt nicht viel."

Wie es zu den tödlichen Schüssen auf den italienischen Geheimdienstbeamten Nicola Calipari kam, ist Gegenstand einer umfassenden Untersuchung, heißt es von Seiten des US-Militärs. Inzwischen reift jedoch nach übereinstimmenden Berichten aus dem Pentagon und italienischen Zeitungsberichten eine Version über das Zustandekommen des Unglücks, die auf ein Kommunikationsversagen hindeutet.

Offenbar keine Absprachen

Offenbar waren die Soldaten an der Straßensperre zum Flughafen, die als eine der gefährlichsten im Irak gilt, nicht über den herannahenden Transport der gerade befreiten Journalistin informiert. Spekulationen zufolge könnte der italienische Geheimdienst, den CIA ganz bewusst im Unklaren gelassen haben, weil für die Freilassung der Journalistin zuvor eine Lösegeld gezahlt worden sein soll.

Lösegeldzahlungen an Terroristen werden jedoch von der US-Regierung strikt abgelehnt. Doch unabhängig von diesen Begleitumständen des Zwischenfalls sprechen die Untersuchungsakten des US-Militärs im Irak und die Recherchen von Menschenrechtsgruppen eine deutliche Sprache: Die Schüsse auf das Fahrzeug von Giuliana Sgrena waren kein Einzelfall. An den von US-Militärs aufgebauten Straßensperren im Irak kommen immer wieder Zivilisten ums Leben, weil offenbar vorschnell geschossen wird. Nach einem Untersuchungsbericht der Menschenrechtsgruppe HumanRights Watch starben allein bis Oktober 2003 elf irakische Zivilisten bei Kontrollen durch amerikanischen Schusswaffengebrauch.

Interner Bericht

Human Rights Watch veröffentlichte inzwischen auch Auszüge aus einem internen Untersuchungsbericht der US-Armee, wonach die für Straßensperren abkommandierten Soldaten für derartige Einsätze nicht immer ausreichend vorbereitet sind. Außerdem hält die US-Armee ihre Verhaltensregeln für den Einsatz an Straßensperren unter Verschluss - aus Sicherheitsgründen.

Selbstmordanschläge mit Fahrzeugen sind im Irak an der Tagesordnung. Für Militärkonvois auf Ausfallstraßen wie der zum Bagdader Flughafen gelten deswegen spezielle Genehmigungsprozeduren. Ob auch Sgrenas Eskorte einer solchen Genehmigungspflicht unterlag ist unklar. Wie erst am Montag bekannt wurde erschossen US-Truppen am selben Tag versehentlich auch einen bulgarischen Soldaten etwa 200 Kilometer südlich von Bagdad. Die Regierung in Sofia verlangte ebenfalls eine rückhaltlose Aufklärung.