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Politik

US-Truppenabzug: Sorge und Erleichterung

Miodrag Soric
11. August 2020

Donald Trump will US-Truppen aus Deutschland abziehen. Betroffen ist auch der Stützpunkt Spangdahlem in der Eifel. Während manche Anwohner den Abzug fürchten, sehnen andere ihn herbei. Eine Reportage von Miodrag Soric.

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US-Luftwaffe Spangdahlem
Bild: picture-alliance/dpa/B. Reichert

Im Hintergrund der offene Stall, Dutzende von Kühen in zwei Reihen konzentrieren sich auf das Kauen. Davor steht Michael Billen. "Die Amerikaner werden mit ihren Kampfflugzeugen abziehen - und dann werden sie wiederkommen." Er spricht mit einer Überzeugung, als ob er sagen wollte: Das kann doch nicht so schwer zu begreifen sein?

Michael Billen gehört der Hof im malerischen Dorf Kaschenbach in der Süd-Eifel, im Bundesland Rheinland-Pfalz, knapp 30 Kilometer vom US-Luftwaffenstützpunkt Spangdahlem entfernt.

Die Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, Truppen aus dem 800 Einwohner zählenden Dorf Spangdahlem abzuziehen, war in der Eifel wie eine Bombe eingeschlagen. Die hier stationierten F-16-Kampfjets sollen nach Italien verlegt werden, rund die Hälfte der etwa 4000 Soldaten abziehen. "Ein dauerhafter Abzug der Jäger ist militärstrategisch unsinnig. Das würde bedeuten, dass die USA ihren Anspruch aufgeben, eine Weltmacht zu sein", betont Michael Billen. Er sehe derzeit nicht, dass Washington diese Absicht verfolge.

Deutschland, Rheinland-Pfalz, US-Stützpunkt Spangdahlem: Michael Billen (CDU)
Engagiert sich für deutsch-amerikanische Freundschaft: Air-Base-Unterstützer Michael BillenBild: DW/Miodrag Soric

Im Hintergrund meldet sich eines der Tiere lautstark. Offenbar hat eine Kuh Schwierigkeiten beim Kalben. Der Bauer unterbricht unser Gespräch, steigt über das Stroh, packt das Kälbchen an den Hinterbeinen und zieht es aus dem Mutterleib. Das dauert zwei Minuten. Er wäscht sich die Hände und fragt: "Wo waren wir stehen geblieben?"

Der US-Luftwaffenstützpunkt ist ein Wirtschaftsfaktor

Landwirt Billen berichtet von den deutsch-amerikanischen Beziehungen in der Eifel. Da ist zum Beispiel das Host Nation Council Spangdahlem, ein Verein, der sich um freundschaftlichen Kontakt zu den US-Soldaten in Rheinland-Pfalz bemüht. Billen, der sich auch seit Jahrzehnten für die CDU in der Lokalpolitik engagiert, ist stellvertretender Vorsitzender. Die Amerikaner seien jetzt "offener als früher", beschreibt Landrat Joachim Streit das Verhältnis. Vor 20 Jahren hätten sie kaum etwas verlautbaren lassen über Truppenbewegungen oder Baumaßnahmen. Jetzt lüden sie die Bürgermeister aus der Region ein und informierten sie über ihre Pläne.

Deutschland, Rheinland-Pfalz: US-Stützpunkt Spangdahlem
Gerade erst Millionen US-Dollar in Schulen und Kliniken investiert: US-Air Base SpangdahlemBild: DW/Miodrag Soric

Zum Zwischenmenschlichen kommt das Wirtschaftliche. Rund 800 deutsche Zivilbeschäftigte arbeiten auf der US-Air-Base. Es gebe auch 2400 Mietverhältnisse mit den US-Amerikanern, erklärt Manfred Rodens (CDU), Bürgermeister der Verbandsgemeinde Speicher, zu der das Örtchen Spangdahlem gehört. "Ziehen die weg, geht uns Kaufkraft verloren," erklärt er. Unter dem Abzug des Personals, das die F-16-Staffel betreut, litten also nicht nur Vermieter, sondern auch der lokale Handel und das Gewerbe. Rodens setzt seine Hoffnung auf den Kongress in Washington: "Der muss entscheiden, ob die Pläne des Präsidenten überhaupt umgesetzt werden." Das sei schließlich auch eine Geldfrage. Er beziffert die Umzugskosten auf mindestens eine Milliarde US-Dollar.

Viele US-Amerikaner sind gerne in der Eifel

Ähnlich sehen es pensionierte US-Soldaten, die sich dauerhaft in der Eifel niedergelassen haben. Sie sind die einzigen, die offen über den geplanten Abzug sprechen können. Den Generälen auf der Militärbasis hat das Pentagon offenbar einen Maulkorb umgehängt, Interviewanfragen der DW und anderer Medien bleiben unbeantwortet.

Einer, der nicht zurück will in seine Heimat Kalifornien, ist Richard Lant. Zusammen mit seiner Frau bewohnt er ein freistehendes Haus etwa 15 Autominuten von Spangdahlem entfernt. Er gibt zu bedenken, dass der Militärflugplatz in den vergangenen Jahren mit viel Geld modernisiert worden sei.

Deutschland, Rheinland-Pfalz, Stadt Bitburg
Vieles erinnert in Bitburg an die frühere US-Air Base - 1994 wurde sie geschlossenBild: DW/Miodrag Soric

Die Start- und Landebahn wurde verlängert, neue Hangars für Flugzeuge gebaut. "Millionen Dollar sind auch investiert worden, um ein neues Krankenhaus, eine neue Zahnklinik, eine neue Schule zu bauen." Der 64-Jährige kann sich nicht vorstellen, dass diese Einrichtungen nach Trumps Entscheidung nicht mehr genutzt würden. Sollte Washington tatsächlich dauerhaft die F-16-Staffel abziehen, kämen wohl andere Flugzeuge nach Spangdahlem, glaubt der Veteran.

"Manche sagen, Trump habe sich für den Abzug entschieden, weil er Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht mag," meint Lant. Die meisten US-Soldaten seien allerdings gerne in Deutschland, und fast jedes Wochenende sei etwas los auf der Air-Base. Er zählt die Freizeitaktivitäten auf: "Besichtigungstouren nach Brüssel oder nach Paris, Skiausflüge in die Alpen, Zuschauen bei der Tour de France, wenn die Radfahrer durch das benachbarte Luxemburg jagen."

Die Region hat schon einen Truppenabzug verkraftet

Die US-Amerikaner liebten es, in Deutschland zu sein, betont auch 82-jährige Major im Ruhestand, Thomas Van Dyke. Am Wochenende sei der Stützpunkt wie leergefegt. Für seine unternehmungslustigen Landsleute hat er eigens einen Reiseführer geschrieben. Deutschland will er mit seiner deutschen Frau nicht mehr verlassen. Und überhaupt: Spangdahlem werde bleiben.

Das hofft auch Joachim Streit, Landrat in Bitburg, dem Landkreis, in dem die US-Air-Base liegt. Die US-Amerikaner gäben in der Region rund 100 Millionen Euro für Dienstleistungen, Mieten, in Restaurants und an Investitionen aus. "Baufirmen und andere Unternehmen in der Region leben mit und von den Amerikanern."

Deutschland, Rheinland-Pfalz, US-Stützpunkt Spangdahlem: Günther Schneider
Der Lärm der Kampfflugzeuge hat ihn krank gemacht: Air-Base-Gegner Günther SchneiderBild: DW/Miodrag Soric

Allerdings: Selbst wenn die Soldaten und ihre Familien ganz gingen - das "haben wir schon mal erlebt, in den 1990er Jahren," erzählt Streit. Und die Region hat es überlebt. 1994 hatte Washington die Militärbasis Bitburg geschlossen. Regionale Gewerbe und Dienstleistungsunternehmen haben sich auf dem Grundstück angesiedelt. Mit Erfolg. "Am Ende hatten wir mehr Arbeitsplätze als zuvor mit den Amerikanern." Auch in Krisenzeiten hat sich das sogenannte "Bitburger Modell" bewährt. "Kleine und mittlere Unternehmen schaffen und bewahren mehr Arbeitsplätze als große Unternehmen," erklärt der Landrat.

Krank machender Lärm und giftige Abwässer

Es gibt auch Eifel-Bewohner, die sich über die Ankündigung aus Washington gefreut haben. Einer von ihnen ist Günther Schneider - er hofft schon seit Jahren, dass die US-Truppen abziehen. Er wurde vor 20 Jahren enteignet, damit der Militärstützpunkt erweitert werden konnte. Seine Familie lebe seit 400 Jahren in der Gegend, sagt der Nebenerwerbsbauer, er werde sich nicht vertreiben lassen. Doch sein Hof liegt rund 600 Meter von der Start- und Landebahn in Spangdahlem entfernt, und der Lärm der startenden und landenden Kampfflugzeuge hat ihn krank gemacht.

Deutschland, Rheinland-Pfalz: US-Stützpunkt Spangdahlem
Giftige Abwässer, giftiges Flugbenzin - Schild auf der Air-Base SpangdahlemBild: DW/Miodrag Soric

Hinzu kommt die Vergiftung des Grundwassers, der Bäche und Teiche in der Umgebung der Air-Base. Verantwortlich ist unter anderem der Löschschaum, der sogenannte perfluorierte Tenside (PFT) enthält. Es gibt Studien, die belegen, dass diese Chemikalie krebserregend sein kann. Jahrelang übten die Amerikaner, wie ein brennendes Flugzeug zu löschen sei. Die deutschen Behörden schauten offenbar weg und taten nichts.

Sollten die US-Truppen in Spangdahlem bleiben: Günther Schneider und viele seiner Nachbarn würden es bedauern.

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